Wer zahlt Steuererstattung an Finanzamt zurück ?

  • Hallo,

    eine Schuldnerin in der WVP hat einen originellen Fall. Da ich ihre Frage nicht beantworten kann, reiche ich sie weiter:


    Das IK-Verfahren wurde Anfang 2010 eröffnet und Ende 2012 aufgehoben. Derzeit läuft die WVP. Während des Insolvenzverfahrens hatte der Treuhänder die Einkommensteuererklärungen für 2010 und 2011 eingereicht. Der Treuhänder hatte die Steuererstattungen zur Insolvenzmasse genommen und diese wie üblich nach Abzug der Kosten nach dem Schlusstermin an die Gläubiger verteilt.

    Im Jahre 2014 erlässt das Finanzamt neue Steuerbescheide für die Jahre 2010 und 2011 (Gründe kennt die Schuldnerin angeblich nicht). Danach muss der größte Teil der damaligen Steuererstattungen wieder an das Finanzamt zurückgezahlt werden.
    Treuhänder sagt, dass er nicht zahlen kann, da er das Geld nicht mehr hat. Schuldnerin sagt, dass sie nicht zahlen kann, da sie inzwischen von ALG I lebt. Finanzamt behart auf Zahlung.

    Wer muss zahlen ?

  • So mal aus dem Bauch heraus. Es kommt drauf an, wann der Anspruch entstanden ist. Da die ersten Bescheide m. E. fehlerhaft waren und somit die Forderung vor Eröffnung entstanden sein dürfte, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, die zur Tabelle angemeldet werden müsste. Da das Verfahren aber bereits aufgehoben worden ist, ist nichts mehr mit Anmeldung. FA bleibt auf der Forderung sitzen.

  • Der Treuhänder müsste es wohl zahlen, darf es aber nicht, bzw. Mittel hierfür werden nicht zur Verfügung stehen, da die Beträge nach § 292 InsO (theoretisch, Schuldnerin bezieht ja Hartz IV) hierfür nicht verwendet werden dürfen.

    Die Schuldnerin haftet zwar auch für Masseverbindlichkeiten, dann müssten ihm aber Massebestandteile ausgehändigt worden sein (Meinungsstand).

    An den ging denn der Änderungsbescheid?

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • So mal aus dem Bauch heraus. Es kommt drauf an, wann der Anspruch entstanden ist. Da die ersten Bescheide m. E. fehlerhaft waren und somit die Forderung vor Eröffnung entstanden sein dürfte, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, die zur Tabelle angemeldet werden müsste. Da das Verfahren aber bereits aufgehoben worden ist, ist nichts mehr mit Anmeldung. FA bleibt auf der Forderung sitzen.

    Bei einer Verfahrenseröffnung in 2010 kann die Einkommensteuer 2011 nie Insolvenzforderung sein. Bezüglich 2010 müsste man schauen ob der zur Erhöhung führende Sachverhalt vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht war - im Zweifel muss da aufgeteilt werden. Aber bei einer Eröffnung Anfang 2010 wird wohl auch das keine Insolvenzforderung sein.

    Welche Einkünfte hatte die Schuldnerin in den Jahren und sind pfändbare Beträge an den Treuhänder geflossen? Und an wen wurden die geänderten Bescheide bekannt gegeben worden?

    Ash

  • Primär richtet sich der Rückforderungsanspruch nach § 37 II AO hier gegen die Insolvenzmasse, da diese die Erstattung erhalten hat. Wegen § 206 InsO wird hier jedoch nichts zu holen sein.

    Dann sehe ich es wie Lfdc: Nachhaftung der Insolvenzschuldnerin für Masseschulden. Für die in der Tat auch (als Mindermeinung?) vertretene Auffassung, sie würde nur mit ausgehändigten Massebestandteilen nachhaften, sehe ich keine gesetzliche Grundlage.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

    3 Mal editiert, zuletzt von Exec (24. Juli 2014 um 12:48) aus folgendem Grund: ein 'o' zuviel

  • Verstehe ich dann BFH VI R 9/11 falsch? :gruebel:

    Leitsatz

    1. NV: Die Einkommensteuernachzahlung, die der nichtselbständig tätige Insolvenzschuldner leisten muss, ist grundsätzlich auch dann keine Masseverbindlichkeit, wenn pfändbarer Arbeitslohn zur Masse gelangt ist (Anschluss an BFH-Urteil vom 24. Februar 2011, VI R 21/10) (Rn.13).
    (BFH, Urteil vom 27. Juli 2011 – VI R 9/11 –, juris)

  • Verstehe ich dann BFH VI R 9/11 falsch? :gruebel:

    Leitsatz

    1. NV: Die Einkommensteuernachzahlung, die der nichtselbständig tätige Insolvenzschuldner leisten muss, ist grundsätzlich auch dann keine Masseverbindlichkeit, wenn pfändbarer Arbeitslohn zur Masse gelangt ist (Anschluss an BFH-Urteil vom 24. Februar 2011, VI R 21/10) (Rn.13).
    (BFH, Urteil vom 27. Juli 2011 – VI R 9/11 –, juris)

    Die Entscheidung passt hier nicht. Der Schuldner kann durch nichtselbstständige Arbeit die Insolvenzmasse nicht belasten, Steuererstattungsansprüche sind jedoch Insolvenzmasse, das Gedöns über § 850i ZPO von heute lassen wir mal raus.

    Ich fasse noch einmal zusammen:

    Im laufenden Insolvenzverfahren erhält die Masse aufgrund Steuererklärungen [mE spielt es dabei keine Rolle, für welche Zeiträume] Erstattungen, welche dann in der Schlussverteilung verwendet werden. Nach Beendigung des Verfahrens stellt das FA fest, dass es was falsch gelaufen ist und ändert die Bescheide ab, von der Erstattung bleibt nichts mehr, so dass die Insolvenzmasse ungerechtfertigt bereichert worden ist. Das teil das FA mit, wobei es den TH ja nicht mehr gibt, es gibt nur noch den TH in der WVP (Diese Wortklauberei hat ja jetzt nach dem 01.07. beginnend ein Ende).

    Das FA wird, wahrscheinlich auf der Sache hängen bleiben, da eine Befriedigung der nun bekanntgewordenen Masseverbindlichkeiten nur nach der Vorschrift des § 206 Nr. 2 InsO möglich ist.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Danke für die Blumen, jedoch gehören die meisten Blumen des Straußes rainermdvZ. Klar ist der erste Blick um 9:00 auf die Seite des BGH. Ich bin Dienstleister für meine Verwalter und lasse mich ungern von anderen, die meine SR prüfen, überraschen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Zuerst einmal vielen Dank für die Antworten, insbes. den Hinweis auf § 206 InsO.

    Dann noch ein paar Gedanken:

    a) Fakten:
    Im März 2010 war die Insolvenzeröffnung. Im Jahr 2012 gelangen Beträge für Steuererstattung bzgl. 2010 und 2011 zur Insolvenzmasse. Nach Verteilung an Insolvenzgläubiger und Aufhebung des Insolvenzverfahrens (November 2012) ergeht ein Steuerbescheid, der für 2010 und 2011 Steuerzahlungen vorsieht, die jeweils nicht die Höhe der im Jahre 2012 erfolgten Erstattungen erreichen. Die Schuldnerin hatte im Insolvenzverfahren und bis zum ersten Jahr der WVP pfändbaren Lohn und bezieht erst seit ein paar Monaten ALG I. Sie frägt, ob sie von diesem Einkommen (ALG I nicht Hartz IV) diese Steuern zahlen muss, die sie ursprünglich als Abzug von ihrem Lohn schon einmal bezahlt hat und die der Treuhänder erhalten und an die Gläubiger verteilt hat, und nachdem der für sie überraschende Steuerbescheid erst im Frühjahr 2014 erging.

    b) Wenn ich Eure Antworten zusammenfasse, komme ich zu dem Ergebnis, dass der Treuhänder wegen § 206 InsO nicht bezahlen muss, aber die Schuldnerin. Verstehe ich das richtig ?

    c) Eventuell könnte der Teil der Steuerforderung, der auf die Zeit vor März 2010 entfällt, von der RSB erfasst sein. Dies dürfte aber wohl nur ein kleiner Teil sein.

  • Ich würde alle deine Schlussfolgerungen so unterschreiben. Sehe ich ganz genau so.

    Mit Ausnahme der Restschuldbefreiung. Denn die Rückforderung ist in der Erstattung nach Insolvenzeröffnung begründet. Ohne diese Erstattung damals, gäbe es laut Sachverhalt jetzt keine Nachforderung. Denn die Rückforderung erreicht nicht die damalige Erstattung. Damit keine Insolvenzforderung.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Der Schuldnerin ist zu raten, das steuerrechtlich zu überprüfen zu lassen.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

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