Surrogation, Auflassungsvormerkung und Nacherbenvermerk

  • Das minderjährige Kind K, vertreten durch die alleinsorgeberechtigte Mutter, erwirbt eine Eigentumswohnung. Aus der familiengerichtlichen Genehmigung zur Urkunde geht hervor, dass diese den Erwerb der Eigentumswohnung für das Kind sowie die noch nicht gezeugten Nacherben erfasst.

    In den Gründen der Genehmigung ist zu lesen, dass der Erwerb der Eigentumswohnung im Zusammenhang mit der Veräußerung eines in X-Stadt gelegenen Anwesens und der damit verbundenen teilweisen Erbauseinandersetzung nach Erblasser E zu sehen ist. Nach dem Willen der Beteiligten solle der Nacherbenvermerk im Grundbuch von X-Stadt, Blatt 1234, auch an der neuen Wohnung lasten. Eine entsprechende Eintragungsbewilligung liege bislang nicht vor. Eine Erstreckung auf die kaufgegenständliche Wohnung als Surrogat für den Verkaufserlös des Anwesens aus X-Stadt ergebe sich kraft Gesetzes. Eine Mitwirkung für das Veräußerungsverfahren das Anwesen in X-Stadt betreffend bestellte Ergänzungspflegerin sei hierzu nicht erforderlich. Der entsprechende Nacherbenvermerk sei von Amts wegen im Grundbuch einzutragen.

    Es soll jetzt die Auflassungsvormerkung für K eingetragen werden. Diesen Antrag kann ich doch nicht ohne weiteres vollziehen, oder ?

  • Erst einmal die Nachlassakten, die Familienakten und die Grundakten für den veräußerten Grundbesitz (zumindest Grundbuchauszug) anfordern.

    Dann folgende Schritte:

    - Wer ist Vorerbe und wer ist Nacherbe.
    - Wie war der Nacherbenvermerk im "alten" Grundbuch und ggf. im Erbschein formuliert.
    - Welche materiellen Wirkungen hatte die Erbauseinandersetzung.
    - Führen diese Wirkungen zur eingetretenen Surrogation für das erworbene Gesamtobjekt.
    - Kann K demzufolge alleine erwerben und wie verhält es sich mit den noch nicht gezeugten Nacherben.

  • Die Akten sind da.

    Nicht befreiter Vorerbe ist das minderjährige Kind K, Enkel des Erblassers E.

    a) Nacherben von E sind die zum Zeitpunkt des Nacherbfalls vorhandenen Abkömmlinge von K, zu gleichen Teilen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge,
    b) ersatzweise die Tochter von E, die T, die die Mutter von K ist.
    c) Weiter ersatzweise etwaige weitere Kinder von T unter sich zu gleichen Teilen und gemäß den Regeln der gesetzlichen Erbfolge und
    d) nochmals ersatzweise die Nichte N.

    Die Nacherben zu a), b) und c) sind wiederum nur Vorerben und als solche nicht befreit.

    Nacherben bei deren Tod sind b),c) und d) in der angegebenen Reihenfolge.

    Eintritt des Nacherbfalls jeweils mit dem Tod des Vorerben.

    Das Nacherbanwartschaftsrecht ist unvererblich und nur auf den Vorerben übertragbar. Die Ersatznacherbenstellung ist auflösend bedingt für den Fall, dass der Nacherbe sein Anwartschaftsrecht auf den Vorerben überträgt, so dass in diesem Fall die Ersatznacherbfolge erlischt.

    Die Nacherbfolge fällt weg und K wird Vollerbe bei Erreichung des 29. Lebensjahres.

    Die Nacherben sind auch Ersatzerben in der angegebenen Reihenfolge. V

    Vor- und Nacherben sind mit einem Geldvermächtnis beschwert.

    Ferner ist TV angeordnet wie folgt: falls K beim Tode des Erblassers noch nicht 29 Jahre alt ist, ist für den Nachlass TV angeordnet. TV soll T sein. Aufgabe: Vermächtniserfüllung, Verwaltung des Nachlasses, wobei dem TV alle Rechte eines DauerTVs nach §§ 2209 BGB zustehen sollen.

    Die TV endet am 29. Geburtstag von K.

    Der TV ist in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt und von § 181 BGB befreit.


    Der Nacherbenvermerk im alten Grundbuch, in dem E als Mitglied einer Erbengemeinschaft eingetragen war, ist wie das Testament formuliert, wie ich es oben wiedergegeben habe.

    Der Kaufvertrag bezüglich des alten Grundstücks hat folgende Passage: Verkäufer und Käufer bestätigen, dass der vereinbarte Kaufpreis unter fremden Dritten ausgehandelt wurde und es sich also um ein vollentgeltliches Geschäft. Die Parteien gehen davon aus, dass das Grundstück daher aus der Nacherbfolgenbindung bei Zustimmung des Ergänzungspflegers ausscheidet.

    Der Ergänzungspfleger war für die noch nicht geborenen Nacherben nach E bestellt.

    Nach dem Willen der Beteiligten, so die familiengerichtliche Genehmigung, solle der Nacherbenvermerk auch am neuen Grundstück lasten. Diesen Willen konnte ich den Kaufverträgen nicht entnehmen. Nach Auffassung des Familiengerichts ergebe sich die Surrogation für das alte Grundstück und den daraus stammenden Veräußerungserlös kraft Gesetzes.

    K kann m.E. daher alleine erwerben, allerdings muss die Nacherbfolge zum Ausdruck gebracht werden. Die Frage ist: wie ?

  • Es ist übrigens ein umfassendes TV-Zeugnis erteilt: T ist TV über den Nachlass des E.

    Im Kaufvertrag für das neue Grundstück tritt nun die Kindesmutter T auf Käuferseite auf, für sich als persönliche Schuldnerin und für K als alleinsorgeberechtigte Mutter. Der Vertrag enthält eine Doppelvollmacht, sonst keinen Hinweis auf evtl. Surrogation.

  • 1. Veräußerung des Grundbesitzes A

    Für die Bestimmung der Nacherben wurde ausdrücklich auf den Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls abgestellt. Wir haben also nicht den Fall eingesetzter bekannter Nacherben nebst Ersatznacherbfolgeanordnungen, sondern den Fall, dass sich überhaupt erst beim Eintritt des Nacherbfalls herausstellt, wer nach den vom Erblasser vorgegebenen Kriterien der Nacherbe ist. Damit sind die Nacherben insgesamt unbekannt, weil der minderjährige Vorerbe noch kinderlos ist und aufgrund der vom Erblasser vorgegebenen Alternativen a) bis d) aus heutiger Sicht objektiv ungewiss ist, wer dereinst zum Nacherben berufen sein wird.

    Damit war die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft (nur) für die etwaigen Abkömmlinge des Vorerben nicht ausreichend, sondern es war insgesamt eine Pflegschaft nach § 1913 BGB für die unbekannten Nacherben erforderlich. Für Letztere besteht nicht die Zuständigkeit des Familiengerichts, sondern diejenige des Betreuungsgerichts. Damit ging sowohl die Pflegschaftanordnung des Familiengerichts als auch dessen familiengerichtliche Genehmigung der Veräußerung im Ergebnis materiell ist Leere, weil der von der Pflegschaft repräsentierte Personenkreis nicht ausreicht (auf die Zuständigkeitsfrage FamF/BtG kommt es daher nicht entscheidend an).

    Aber: Nach herrschender und auch von mir für zutreffend gehaltener Ansicht unterliegt der für den (hier: nicht befreiten) Vorerben amtierende Testamentsvollstrecker nicht den Beschränkungen der Vorerbschaft, sondern seine Verfügungsbefugnis ist nach § 2205 S. 2 BGB lediglich durch das Verbot der unentgeltlichen Verfügung beschränkt (Nachweise zu den divergierenden Ansichten bei Palandt/Weidlich § 2205 Rn. 24). Unter Zugrundelegung dieser Auffassung bedarf es somit von vorneherein keiner Zustimmung der Nacherben und Nachnacherben.

    Vorsorglich (weil ich Entsprechendes vermute): Auch zur erbengemeinschaftlichen Auseinandersetzung des Verkaufserlöses bedurfte es keiner Pflegschaft für die minderjährige Vorerbin und keiner familiengerichtlichen Genehmigung (falls die Mutter und TV den anderen erbengemeinschaftlichen Part innehat), weil die Mutter für das Kind auch insoweit nur als TV handelt und als solche vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit ist. Auch insoweit würde sich der beschriebene "personelle" Mangel einer erfolgten Pflegschaftsanordnung im Ergebnis nicht negativ auswirken.

    Ergebnis unter dieser Prämisse: Da an der Entgeltlichkeit der TV-Verfügung keine Zweifel bestehen, ist die Veräußerung problemlos vollzugsfähig. Zug um Zug mit Eintragung der Auflassung kann sodann auch der Nacherben- und TV-Vermerk gelöscht werden. Ob die Eintragung des Nacherbenvermerks überhaupt zulässig war (Erblasser war erbengemeinschaftlicher Miteigentümer!), ist daher im Ergebnis nicht mehr von Belang.

    2. Erwerb des Grundbesitzes B

    Aus der - offenbar auch insoweit erteilten - familiengerichtlichen Genehmigung ergibt sich, dass der gesamte Kaufpreis (auch unter Berücksichtigung der erfolgten Erbauseinandersetzung im Hinblick auf den Verkaufserlös für Grundbesitz A) aus Mitteln des Vorerbschafts-Nachlasses stammt. Wenn man dies als zutreffend unterstellt, musste nicht die Mutter für das Kind, sondern die Mutter als TV für das Kind und den Vorerbschafts-Nachlass handeln, weil der Erwerb in diesem Fall kraft Surrogation (§ 2111 BGB) zwingend zu diesem Nachlass erfolgt. Eine familiengerichtliche Genehmigung ist daher auch für den Erwerb im Ergebnis nicht erforderlich.

    Folge: Es genügt, wenn die Mutter in ihrer Eigenschaft als TV (samt Vorlage TV-Zeugnis beim Notar) den Erwerbsvertrag nachgenehmigt. Diese Nachgenehmigung sollte - da der Vertrag insoweit bislang "schweigt" - mit der Erklärung der TV verbunden werden, dass der gesamte Kaufpreis aus Mitteln des Vorerbschaftsnachlasses des Erblassers X stammt, dass demzufolge für das gesamte erworbene Eigentum Surrogation nach § 2111 BGB eintritt, dass deshalb insoweit die Eintragung des Nacherbenvermerks und des TV-Vermerks - auch bereits bei der Vormerkung - zu erfolgen hat und dass die Eintragung dieser Vermerke vorsorglich beantragt wird.

    Zur Eintragung des Nacherbenvermerks bei Surrogation bereits bei der Vormerkung: OLG München FamRZ 2012, 1169 = FGPrax 2012, 103 = ZEV 2012, 669. Entsprechendes gilt natürlich für die Eintragung des TV-Vermerks.

    An der Zulässigkeit der Eintragung des Nacherbenvermerks bestehen hier - im Gegensatz zur ursprünglichen Eintragung des Nacherbenvermerks - keine Zweifel, weil die ursprüngliche Erbengemeinschaft, an welcher der Erblasser beteiligt war, im Hinblick auf den Verkaufserlös für Grundbesitz A bereits auseinandergesetzt ist und der Vorerbe den Grundbesitz B daher nunmehr alleine erwirbt.

  • Vielen lieben Dank, Cromwell, das hat extrem weitergeholfen.

    Ich hab mir noch die Frage gestellt, ob die Passage in Ziffer 2 Deines Beitrags ...auch unter Berücksichtigung der erfolgten Erbauseinandersetzung...über die Frage der Surrogation hinaus eine Bedeutung hat.

  • Ich wollte mit dem Hinweis auf die erfolgte Erbauseinandersetzung am Verkaufserlöses für den Grundbesitz A nur zur Diskussion stellen, ob das dem minderjährigen Vorerben gebührende Erbauseinandersetzungsguthaben der Höhe nach ausreicht, um den vollen Kaufpreis für Grundbesitz B zu bezahlen. Denn wir sprechen bislang ja über eine "hundertprozentige" Surrogation, so dass der gesamte Grundbesitz B - und nicht nur ein rechnerischer Miteigentumsanteil - der Nacherbenbindung (samt TV) unterliegt. Aber selbst wenn der Kaufpreis B höher ist als das Auseinandersetzungsguthaben A, steht aufgrund der Minderjährigkeit des Vorerben zu vermuten, dass alle Geldmittel, die ihm (und dem TV) zur Verfügung stehen, aus dem Vorerbschafts-Nachlass stammen, so dass das ggf. nicht ausreichende Auseinandersetzungsguthaben A dann aus Geldmitteln dieses Nachlass "aufgefüllt" und der Gesamtbetrag zum Erwerb des Grundbesitzes B verwendet wird.

    Da die Testamentsvollstreckerin ohnehin eine "Surrogatserklärung" abzugeben hat, kann sich diese Erklärung gleichzeitig darauf beziehen, dass der gesamte Kaufpreis aus dem Vorerbschafts-Nachlass finanziert wurde. Außerdem sollten noch zusätzlich die Nachlassakten beigezogen werden, um diesbezüglich Kenntnis von der Zusammensetzung und vom Umfang des Nachlasses zu erhalten. Ich vermute zudem, dass es auch einen notariellen Vertrag über die besagte Erbauseinandersetzung gibt. Auch aus diesem lassen sich höchstwahrscheinlich die betreffenden Wertverhältnisse entnehmen.

    Über diese Frage der Surrogation hinaus hat mein Hinweis keine Bedeutung.

  • Die Erklärung der Testamentsvollstreckerin liegt mir nun vor. Danach war der minderjährige Vorerbe K mit seiner Mutter, der Testamentsvollstreckerin, in Erbengemeinschaft im alten Grundbuch eingetragen, die Beteiligung an der Erbengemeinschaft bestand angeblich je zur Hälfte, ich werde mir diesen, der Eintragung im alten Grundbuch zu Grunde liegenden Erbschein daher noch beschaffen.

    Die neue Wohnung kostet 160.000,- €, die Mittel aus dem Nachlass betragen nach Angabe der Testamentsvollstreckerin 120.000,- €, den Rest schenkt die Mutter, so dass wohl nur teilweise Surrogation eintritt und ich den Nacherbenvermerk nicht insgesamt eintragen kann.

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