Erbschein einziehen?

  • Hallo,
    ich habe folgendes Problem:

    Die Erblasserin hatte ein Testament aus dem Jahre 1990 verfasst, in welchem sie ihren Ehemann zum Alleinerben eingesetzt hatte. Aufgrund dieses Testamentes ist ein Erbschein erteilt worden, der eben auch dieses Testament als Grundlage namentlich bezeichnet.

    Nachdem nun auch der Ehemann verstorben ist, ist ein gemeinschaftliches Testament aus dem Jahre 2002 aufgetaucht, in welchem die Ehegatten sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt haben.

    Durch dieses neuere Testament hat sich daher die Erbfolge ja nicht verändert. Allerdings hat sich das Testament als Grundlage geändert. Dummerweise steht jetzt noch das alte Testament in dem Erbschein. Dies würde vermutlich bedeuten, dass ich den Erbschein einziehen, einen neuen Erbschein erteilen und auch das Grundbuch, welches ja das Datum des Erbscheins auch enthält, berichtigt werden müsste (im schlimmsten Fall könnte der alte Erbschein ja noch nicht einmal mehr aufgefunden werden und man müsste sogar über eine Kraftloserklärung nachdenken....).

    Jetzt frage ich mich nur, ob ich dieses ganze "Theater" tatsächlich abhalten muss, nur weil es eben ein neueres Testament gibt, sich aber die Erbfolge ja nicht geändert hat...dabei ist es ja noch nicht mal zwingend erforderlich, das Testament überhaupt zu bezeichnen...

    Gibt es vielleicht Ideen wie man das ganze auch "eleganter" und praktischer lösen könnte?

    Danke für eure Anregungen!

    Gruß

  • Ein schönes Beispiel dafür, dass man den Berufungsgrund nicht im Erbschein angeben soll.

    Zur Sache: Nach meiner Ansicht ist der Erbschein nach wie vor richtig, weil er die Erbfolge zutreffend wiedergibt. Dass der überflüssigerweise angegebene Berufungsgrund nunmehr ein anderer ist, macht den Erbschein nicht in materieller Hinsicht unrichtig.

    Ich würde daher alles so lassen wie es ist. Da das eröffnete gemeinschaftliche Testament entweder im Original oder in beglaubigter Kopie zur Nachlassakte des erstverstorbenen Ehegatten genommen wird (je nachdem, ob Verfügungen für den zweiten Sterbefall getroffen wurden), ist der historische Werdegang auch eindeutig aus den Nachlassakten ersichtlich. Man sollte aber einen Vermerk machen, dass der Erbschein nicht eingezogen wird, weil er die Erbfolge nach wie vor zutreffend verlautbart.

    Wenn man formal überkorrekt handeln will, könnte man auch einen Beschluss erlassen, der lediglich die Berichtigung des Berufungsgrundes zum Gegenstand hat. Auch in diesem Fall muss der Erbschein nicht eingezogen werden.

  • Ich staune auch, dass der Berufungsgrund so genau angegeben wurde. Bei mir steht nicht mal drin, dass es aufgrund Gesetz/Verfügung vTw ist.
    In diesem Sonderfall wäre ich so kleinlich und würde durch Beschluss eine Berichtigung vornehmen.

  • Ich bin ja froh, dass ihr den Berufungsgrund üblicherweise auch nicht angebt :) In meinen Erbscheinen steht ein Berufungsgrund auch nicht drin...
    Aber so kann das leider gehen, wenn die Vorgänger das anders gesehen haben und man irgendwann so eine Abteilung übernimmt... :(

    Vielen Dank euch für die schnellen und beruhigenden Antworten :)

  • Frage zur Angabe "aufgrund Gesetzes" bzw. "aufgrund Verfügung von Todes wegen":

    Es es gibt doch -wenn ich nicht irre- unterschiedliche Zuständigkeiten zwischen Richter und Rechtspfleger. Ein auf Grund Gesetz erteilter Alleinerbschein muss doch kassiert werden, wenn ein Testament auf Alleinerbfolge auftaucht.

    Zu uschi:
    So müsste es auch in BW sein. Ein aufgrund Gesetz erteilter Erbschein müsste bei Auftauchen eines Testaments -auch bei gleichem Inhalt- eingezogen werden, da die Grundlage der Erbfolge sich geändert hat. Ich glaub, man kann hier nicht vom Ergebnis her agumentieren.

  • Im vorliegenden Fall muss der besagte Erbschein vom Richter erteilt worden sein, weil testamentarische Erbfolge zum Zuge kam. Das Problem der funktionellen Zuständigkeitsabgrenzung stellt sich daher nicht.

    Nach meiner Ansicht hat der Berufungsgrund überhaupt nichts im Erbschein verloren, also auch nicht die Differenzierung danach, ob gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge eingetreten ist. Der Laie kann aufgrund der Zuständigkeitsrechtszersplitterung im Gefolge der Öffnungsklausel des § 19 RpflG ohnehin nicht mehr erkennen, wer in welchem Bundesland wofür zuständig ist.

  • Im vorliegenden Fall muss der besagte Erbschein vom Richter erteilt worden sein, weil testamentarische Erbfolge zum Zuge kam. Das Problem der funktionellen Zuständigkeitsabgrenzung stellt sich daher nicht.

    Nach meiner Ansicht hat der Berufungsgrund überhaupt nichts im Erbschein verloren, also auch nicht die Differenzierung danach, ob gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge eingetreten ist. Der Laie kann aufgrund der Zuständigkeitsrechtszersplitterung im Gefolge der Öffnungsklausel des § 19 RpflG ohnehin nicht mehr erkennen, wer in welchem Bundesland wofür zuständig ist.

    Konkrete Frage:

    B ist du der Meinung, dass ein Erbschein auf gesetzliche Alleinerbfolge -unterschrieben vom Richter- bei Auftauchen eines Testaments (mit Erbeinsetzung auf den (gesetzlichen Alleinerben) einzuziehen ist?

  • Ich hatte gerade so einen Fall. Tochter verstirbt und ich werde als Nachlasspflegerin eingesetzt. Wenige Wochen vor der kinderlos und unverheiratet verstorbenen Tochter war deren Mutter verstorben. Es gab keinen Erbschein nach der Mutter, aber etliche Sparbücher, Schmuck und einen Bankfachschlüssel von der Mutter. Die Rechtspflegerin wollte keine 2. Nachlasspflegschaft machen, aber ohne Erbschein der Tochter, nach der Mutter kam ich nicht ans Bankfach in dem ja ein Testament hätte sein können, wie ich vermutete. Die Rechtspflegerin blieb hart. Ich musste erst einen Erbschein für meine Verstorbene nach der Mutter beantragen, der die einzige Tochter der Witwe, als Alleinerbin auswies.. Dann fand ich im Bankfach tatsächlich ein Testament zu Gunsten der einzigen Tochter. Ich fragte an, ob der Erbschein nicht reiche, weil ja das Testament gleichlautend war und der Erbschein auch schon bezahlt war...aber es musste das Testament eröffnet werden, der Erbschein wurde eingezogen und es fielen neue Kosten an.
    Hier frage ich mich wirklich, was das soll und wem das nützt, außer der Gerichtskasse.

  • Also bei mir ist es so, dass ich aus Rheinland Pfalz komme und dort alles auf den Rechtspfleger übertragen ist.
    D.h. der Erbschein wurde damals und würde auch heute von einem Rechtspfleger erlassen werden. Somit wäre die funktionelle Zuständigkeit bei mir ja gegeben und es ist die Frage, ob dieser Aufwand sich lohnt... für nichts...

  • HKB:

    Das NLG kann ein Schliessfach auch ohne Nachlasspflegschaft anordnen zu müssen öffnen lassen....aber das wusstest wohl weder du noch das Gericht...das meinte Cromwell...

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

    Einmal editiert, zuletzt von TL (30. August 2014 um 17:20)

  • Frage an die Kollegen beim NG:
    Hat schon mal einer von Euch als NG "versucht" als nachlasssichernde Maßnahme -ohne Anordnung einer Nachlasspflegschaft- ein Schließfach zu öffnen?

    Machen die Banken da so einfach mit?

    Die Geschichte mit dem Erbschein kenne ich vom Hörensagen her auch.

  • Ja, habe ich schon gemacht.

    Entweder man begibt sich in Personifizierung des erlassenen Beschlusses selbst zur Bank oder man beschreibt im Beschluss, wie das Procedere vor sich zu gehen hat (nur zwei Bankangestellte gemeinsam, Feststellung des Inhalts, Ablieferung bei Gericht usw.).

    War kein Problem.

    Man glaubt gar nicht, was das Nachlassgericht aufgrund des Wörtchens "insbesondere" in § 1960 BGB alles anordnen könnte. Wird eben nur selten gemacht.

  • Frage an die Kollegen beim NG:
    Hat schon mal einer von Euch als NG "versucht" als nachlasssichernde Maßnahme -ohne Anordnung einer Nachlasspflegschaft- ein Schließfach zu öffnen?

    Machen die Banken da so einfach mit?

    Die Geschichte mit dem Erbschein kenne ich vom Hörensagen her auch.

    Ja und, auch wenn das zu der Rechtslage eigentlich nichts sagt, der entsprechende Beschluss ist auch als Vordruck in der Judica-Fachanwendung enthalten.

  • Frage an die Kollegen beim NG: Hat schon mal einer von Euch als NG "versucht" als nachlasssichernde Maßnahme -ohne Anordnung einer Nachlasspflegschaft- ein Schließfach zu öffnen? Machen die Banken da so einfach mit? Die Geschichte mit dem Erbschein kenne ich vom Hörensagen her auch.


    Ja, habe ich schon einmal gemacht und hat auch geklappt - konnte ja schlecht eine e.V. des Inhalts beurkunden, dass kein Testament vorhanden ist, wenn der Beteiligt davon ausgeht, dass im Bankfach ein Testament liegt.

    @Juergen
    Den Beschluss-Vordruck hätte ich ja gerne, kannst Du ihn evtl. einstellen?

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