Terminsbestimmung ohne Verkehrswertangabe

  • Hallo,

    mir ist letzte Woche eine Terminsbestimmung ins Haus geflattert, auf der kein Verkehrswert angegeben worden ist. Das kam bisher nie vor. Muss der Verkehrswert angegeben werden oder muss der Termin nun aufgehoben werden, da wir uns innerhalb eines Monats vorm Termin befinden?

    Danke!

  • Die Gedanken ein frei, zitiere ich mal. Hoffentlich führen sie aber dazu, dass man sich mit dem Zwangsversteigerungsrecht so befasst, dass man zumindest die Probleme, die man durch einen Blick ins Gesetz lösen könnte, ohne Hilfe Dritter löst.

  • Ich bin über den Tonfall hier schon etwas verwundert. Den ursprünglichen Fehler hat hier doch wohl das Gericht gemacht, indem es den Verkehrswert in die Terminsbestimmung aufzunehmen vergessen hat. Es spricht für die Rechtspfleger, dass ein Anwalt dann mal innehält und sich fragt, ob er nur etwas übersehen hat, oder ob der Mangel beim Gericht liegt.

    Und so klar und eindeutig ist die Rechtslage nur, wenn man die Rechtsprechung und die gängige Auslegung der einschlägigen Vorschriften kennt: Der Blick in § 38 ZVG offenbart, dass der Verkehrswert in die Terminsbestimmung aufgenommen werden "soll". Anders als beim Muss-Inhalt nach § 37 ZVG springt es nicht unbedingt ins Gesicht, dass hier ein Terminsaufhebungs- (§ 43 ZVG), Zuschlagsversagungs- (§ 83 ZVG) bzw. Zuschlagsaufhebungsgrund (§ 100 ZVG) gegeben ist.

    In der Sache kann es gleichwohl keinen Zweifel geben. Für einen Interessenten ist eine Terminsbestimmung ohne Angabe des Verkehrswerts unbrauchbar, denn dann kann er aus der Terminsbestimmung nicht erkennen, in welcher Höhe Sicherheit zu leisten ist oder bis zu welchem Gebot eine Zuschlagsversagung nach § 85a ZVG oder § 74a ZVG droht. Der Termin ist aufzuheben.


  • In der Sache kann es gleichwohl keinen Zweifel geben. Für einen Interessenten ist eine Terminsbestimmung ohne Angabe des Verkehrswerts unbrauchbar, denn dann kann er aus der Terminsbestimmung nicht erkennen, in welcher Höhe Sicherheit zu leisten ist oder bis zu welchem Gebot eine Zuschlagsversagung nach § 85a ZVG oder § 74a ZVG droht. Der Termin ist aufzuheben.


    So ist es, zumindest dann, wenn generell die Angabe des Verkehrswertes unterblieben ist, also auch in den Veröffentlichungen. Sollte wegen eines Ausfertigungsfehlers die Terminsbestimmung nur für die Beteiligten unvollständig sein, könnte man über eine Berichtigung nachdenken, da ja der Verkehrswertbeschluss zugestellt wurde, der Verkehrswert den Beteiligten mithin bekannt ist.

  • Falls der AnwaltausNrw seine Frage so verstanden wissen will: "Ich weiss zwar, dass nichts mehr zu retten ist, aber seht ihr noch eine Möglichkeit?", dann lass ich es mir gefallen. Aber sonst bleibt es für mich das kleine Einmaleins.

  • Mal blöd/ ketzerisch gefragt: Gibt es dazu irgendwelche Quellen? 15.Meridians Herleitung ist zwar einleuchtend, aber das sagt ja nicht immer, dass es so eindeutig sein muss und es nicht doch eine a. A. geben kann...

    Warum ist die Angabe "nur" als Sollvorschrift ausgelegt? Was will mir § 68 Abs. 1 S. 1 ZVG sagen?

    RAausNRWs Frage ist nicht völlig unberechtigt. Auch das "kleine Einmaleins" kann manchmal seine Tücken haben.

  • Mal blöd/ ketzerisch gefragt: Gibt es dazu irgendwelche Quellen? 15.Meridians Herleitung ist zwar einleuchtend, aber das sagt ja nicht immer, dass es so eindeutig sein muss und es nicht doch eine a. A. geben kann...

    Warum ist die Angabe "nur" als Sollvorschrift ausgelegt? Was will mir § 68 Abs. 1 S. 1 ZVG sagen?

    RAausNRWs Frage ist nicht völlig unberechtigt. Auch das "kleine Einmaleins" kann manchmal seine Tücken haben.


    Danke für das ketzerische/gar nicht blöde Fragen. In der Tat ist es verwunderlich, dass der Verkehrswert im Gesetz nur zum Sollinhalt (§ 38 ZVG) statt zum Mussinhalt (§ 37 ZVG) gerechnet zu werden scheint.

    Nun denn, machen wir einen Ausflug in die Rechtsgeschichte:
    Im ursprünglichen ZVG war weder eine Verkehrswertfestsetzung noch erst recht eine Veröffentlichung dieses Werts vorgesehen (wie mir der Blick in den alten Jaeckel von 1915 verrät).
    Wer nun meint, mit der Einführung des § 74a ZVG zum 1. Juli 1979 und der dort in Abs. 5 normierten Pflicht zur Festsetzung eines Verkehrswerts sei sogleich eine Veröffentlichungspflicht in §§ 37, 38 ZVG einhergegangen, der irrt.
    In meinem alten Zeller/Stöber, 12. Aufl. 1987 heißt es noch (§ 38 Rdn. 7.4) : "Angabe des bereits festgesetzten Wertes (§ 74a Abs. 5) ist nicht wesentlicher Inhalt der Terminsbestimmung und als Sollinhalt nicht vorgeschrieben. Zur Unterrichtung der Interessenten wird auf den Grundstückswert in der Terminsbestimmung jedoch zweckmäßig hingewiesen [Fußnote: so auch Steiner/Teufel, ZVG, 9. Aufl. 1984, §§ 37, 38 Rdn. 16]. "

    Erst zum 1.9.1998 wurde dann die Mitveröffentlichung des Verkehrswerts normiert. In der Gesetzesbegründung [HIER auf S. 9 der Drucksache = Seite 12 der PDF] heißt es: "Die Änderung des § 38 ZVG stellt in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtspraxis klar, dass der Versteigerungsrechtspfleger auch den für das Grundstück ermittelten Verkehrswert bei der Terminsbestimmung mitteilen soll. Damit werden mögliche datenschutzrechtliche Bedenken, die sich daraus ergeben könnten, dass eine Ermächtigungsnorm für die besagte Rechtspraxis im Zwangsversteigerungsverfahren bislang fehlt, ausgeräumt."

    Da staunt man doch, dass der Gesetzgeber auch nach 100 Jahren noch das kleine Einmaleins der Zwangsversteigerung nicht verstanden und die Veröffentlichung des Verkehrswerts nicht, wie sich doch für jedermann unweigerlich als einzig richtig ergibt, als zwingenden Inhalt der Terminsbestimmung bezeichnet hat. :teufel:


    Der Frage nach dem Zweck des Wortlauts des § 68 Abs. 1 S. 1 ZVG bin ich noch nicht nachgegangen und hoffe, nie einem Anwendungsfall der gemeinten Alternative zu begegnen.

  • Vielen Dank für die ausführliche Darstellung der Historie. :)
    Insofern sind wir (RAe aus NRW und vermeintlich ketzerische Fragen stellende Rpfl.) nicht allein auf weiter Flur.

    Bemerkenswert finde ich, dass in der Entwurfsbegründung keine Silbe zu Hintergrund oder Bedeutung von § 68 Abs. 1 S. 1 ZVG ausgeführt wurde. (Wenn ich mich richtig erinnere, betraf das den Fall, dass der Wert nicht oder aus irgendwelchen Gründen abweichend von der Festsetzung bekanntgemacht wurde, z. B. weil im Termin geändert.)
    Früher war die Veröffentlichung gerade im Hinblick auf die Höhe der Sicherheitsleistung irrelevant, weil ja das Gebot hierfür maßgeblich war.

    Selbst wenn alle Kollegen einig wären, dass das Fehlen der VÖ des VKW ein Zuschlagsversagungsgrund ist, ist noch lange nicht sicher, dass dies das Beschwerdegericht auch so sieht... (Na ja, eben wie immer.)

  • Die Gedanken ein frei, zitiere ich mal. Hoffentlich führen sie aber dazu, dass man sich mit dem Zwangsversteigerungsrecht so befasst, dass man zumindest die Probleme, die man durch einen Blick ins Gesetz lösen könnte, ohne Hilfe Dritter löst.

    Da könnte man auch einen Teil der Beiträge unserer Rpfl-Kollegen einbeziehen, und zwar nicht nur die im Smalltalk. Mann, man kann es auch übertreiben, jeder dürfte zumindest auch einen Fach-Kommentar zur Verfügung haben. Dann wäre das Forum ganz schön klein.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Ich packe meinen Fehler mal hierhin.
    Ich habe vergessen in die TB den Zusatz des vorherigen Versagens nach § 85a/74a ZVG reinzunehmen.
    In der der TB steht jetzt nichts davon, es erscheint so als bestünden die Wertgrenzen noch.
    Dieser Passus ist ja ein Sollinhalt nach § 38 ZVG (vergl. Stöber zu § 38 Rdnr. 4).
    In finde irgendwie keinen Paragrafen, unter den sich eine potentielle Zuschlagsbeschwerdebegründung oder Aufhebung des Zuschlages packen ließe.
    Allerdings habe ich ein komisches Gefühl dabei den Termin durchzuführen, weil ja ein potentieller Bieterkreis ausgeschlossen ist und sich (auch erfahrungsgemäß) bei fehlenden Wertgrenzen mehr Bieter, die sich hochbieten, im Saal befinden.

    Was meint ihr, Termin aufheben? Termin ist jetzt Donnerstag.

  • Ich würde den Termin nicht aufheben. Ich habe jetzt nur eine Entscheidung für den umgekehrten Fall gefunden (also wo irrtümlich mitgeteilt wird, dass eine Zuschlagsversagung nach §§ 74a, 85a ZVG erfolgt sei). Es handelt sich um LG Zweibrücken, Beschluss vom 17.07.2013 - 4 T 71/13 (zu finden bei Beck-Online). Dort wird auf die Bedeutung von § 38 ZVG ausführlich eingegangen, dann aber auch dargelegt, dass diese Bedeutung sich nicht auch auf die Angaben zu §§ 74a, 85a ZVG erstreckt.
    Die Nachinstanz, der BGH, B. vom 04.09.2013 - V ZA 27/13, hat die Frage offen gelassen.

  • Nun bei der vom 15.Meridian zitierten Entscheidung kann man aber argumentieren: "Wäre die TB richtig gewesen (also ohne den Hinweis auf die weggefallenen Grenzen), wären nicht mehr Interessenten erschienen als bei der falschen Veröffentlichung. Ob das für den umgekehrten Fall zutrifft, halte ich für sehr zweifelhaft.

    Einmal editiert, zuletzt von oldman (12. September 2017 um 14:38)

  • "Einhellige" Meinung ist, dass es nur dann fehlerhaft ist und Folgen hat, wenn das Wegfallen der Grenzen angegeben/veröffentlicht wird, dies aber nicht der Fall ist. Mit anderen Worten, wenn das Wegfallen der Grenzen angegeben ist, muss es auch so sein. Andere Abweichungen haben keine Folgen.

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  • "Einhellige" Meinung ist, dass es nur dann fehlerhaft ist und Folgen hat, wenn das Wegfallen der Grenzen angegeben/veröffentlicht wird, dies aber nicht der Fall ist. Mit anderen Worten, wenn das Wegfallen der Grenzen angegeben ist, muss es auch so sein. Andere Abweichungen haben keine Folgen.

    Ganz so einhellig wohl nicht, siehe die zitierte Entscheidung des LG Zweibrücken 4 T 71/13.

  • Einhellig bedeutet nicht ausnahmslos, deswegen ja auch "". Mir ist aber zumindest in Fortbildungen uä noch keine gegenteilige Meinung eines Kollegen begegnet.

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