Vollstreckung aus InsTab durch Finanzamt: Klausel erforderlich?

  • Hi!

    Vielleicht hat hier ja einer mal eine Meinung zu bzw. kann aus seiner Praxis berichten:

    Nach § 251 Abs. 2 AO können die Finanzämter im Wege der Verwaltungsvollstreckung aus der Insolvenztabelle vollstrecken. In der Verwaltungsvollstreckung ist die Vollstreckungsklausel unbekannt. Daraus schließe ich, dass dem Finanzamt auch ein einfacher Auszug aus der Insolvenztabelle genügt, ohne Vollstreckungsklausel vom Insolvenzgericht ("vollstreckbare Ausfertigung"). Die Vollstreckungsklausel ist für mich lediglich Voraussetzung für die zivilrechtliche Vollstreckung, siehe auch § 66 Abs. 4 SGB X.

    Seht Ihr das auch so? Kommen zu euch Finanzämter und wollen eine vollstreckbare Ausfertigung haben?

    Gruß
    Exec

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Meines Erachtens braucht das Finanzamt die Insolvenztabelle nicht als Titel.

    Die Titel sind nach wie vor die Steuerbescheide. Während der Insolvenz herrscht das Vollstreckungsverbot der InsO. Solange das Inso-Verfahren läuft, ist die Verjährung unterbrochen (§ 231 Abs. 1 AO). Wenn das Inso-Verfahren vorbei ist, egal wie es endet, und dann noch Forderungen vorhanden sind, können diese wieder vollstreckt werden.

    Wenn aus der Insolvenztabelle vollsteckt werden soll, steht einem meines Erachtens auch nur die Vollstreckung nach der ZPO zur Verfügung. Die AO ist dann tabu.

  • Tja, das würde ich ganz anders sehen. Der Tabellenauszug ist ein zivilrechtlicher Titel und somit nur mit Klausel vollstreckbar. Und dieser ersetzt auch alle vorhergehenden Titel (in der festgestellten Höhe), somit auch die Steuerbescheide. Damit habt Ihr einen zivilrechtlichen Titel und werdet wohl nach diesen Vorschriften vollstrecken (müssen). Aber Ihr könnt es natürlich auch mal so versuchen ;)...

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Gut, statt dem Steuerbescheid hab ich nur die Steuerberechnung, aber die stellt immerhin die Höhe der Steuer fest und ist somit ein Verwaltungsakt.

    Für die Vollstreckungsvoraussetzungen fehlt mir dann nur noch das Leistungsgebot. Und das ist ja das kleinste Problem. Nach Ende der Insolvenz und Verbuchung eventueller "Insolvenzerlasse" fertigt man eine Vollstreckungsankündiung und stellt diese förmlich zu. Eine Woche später sind wir wieder im Geschäft.

    Ich habe jetzt zumindest in der InsO nix gefunden, was gegen meine Annahme spricht.

    § 251 Abs. 2 AO bestätigt die Sache ja noch. Wir könnten aus der Tabelleneintragung, aus dem Insolvenzplan und aus dem Schuldenbereinigungsplan im Verwaltungswege vollstrecken.

    Theoretisch haben wird dann sogar zwei Titel aus welchen wir vollstrecken könnten. Ist doch besser als gar nichts. Wobei wir auch bei der Vollstreckung aus dem Tabelleneintrag nach der AO noch ein Leistungsgebot brauchen.

  • Tja, das würde ich ganz anders sehen. Der Tabellenauszug ist ein zivilrechtlicher Titel und somit nur mit Klausel vollstreckbar. Und dieser ersetzt auch alle vorhergehenden Titel (in der festgestellten Höhe), somit auch die Steuerbescheide. Damit habt Ihr einen zivilrechtlichen Titel und werdet wohl nach diesen Vorschriften vollstrecken (müssen). Aber Ihr könnt es natürlich auch mal so versuchen ;)...

    Sorry, hab Deinen Post irgendwie überlesen.Woraus ergibt sich, dass der Tabellenauszug alle vorherigen Titel ersetzt. Die Formulierung hab ich irgendwo schon mal gelesen...Da in der AO extra steht, dass wird den Tabellenauszug nach der AO vollstrecken darf, scheint die Überlegung nicht ganz falsch zu sein; sonst müsste man es in der AO ja nicht extra erwähnen.

  • Gut, statt dem Steuerbescheid hab ich nur die Steuerberechnung, aber die stellt immerhin die Höhe der Steuer fest und ist somit ein Verwaltungsakt.

    Die Steuerberechnung ist m.E. ein bedrucktes Blatt Papier aus dem man ersehen kann welche Gedanken wir uns zur Höhe der anzumeldenden Steuern gemacht haben. Aber sicherlich kein Verwaltungsakt nach § 118 AO. Es fehlen ja schon der Regelungscharakter und die unmittelbare Rechtswirkung nach außen.

    M.E. kommen wir an dem vollstreckbaren Tabellenauszug - zumindest in der Theorie - nicht vorbei.

    Ash

  • Hab gerade durch die AEAO geblättert. Erst der Feststellungsbescheid ergibt den Verwaltungsakt. Die Anmeldung ist wirklich reines Verwaltungshandeln. Für Forderungen nach Insolvenzeröffnung müssen wir also wirklich aus dem Tabellenauszug vollstrecken.Bleibt noch die (theoretische) Frage, verlieren mit der Inso Eröffnung die Steuerbescheide Ihre Wirkung als vollstreckbare Verwaltungsakte oder nicht?

  • Bleibt noch die (theoretische) Frage, verlieren mit der Inso Eröffnung die Steuerbescheide Ihre Wirkung als vollstreckbare Verwaltungsakte oder nicht?

    Meine Kommentierung zur InsO (Harald Hess) drückt sich da etwas schwammig aus. "Neben der Feststellung einer Steuerforderung zur Insolvenztabelle bedarf es keines Steuerbescheids mehr..."

    Gelernt habe ich mal, der Tabellenauszug ersetzt den Steuerbescheid. Und das entspricht auch meinem "Rechtsempfinden" nicht mehrere Titel in der gleichen Sache gegen den gleichen Schuldner zu haben.

    Ash

  • Tja, das würde ich ganz anders sehen. Der Tabellenauszug ist ein zivilrechtlicher Titel und somit nur mit Klausel vollstreckbar. Und dieser ersetzt auch alle vorhergehenden Titel (in der festgestellten Höhe), somit auch die Steuerbescheide. Damit habt Ihr einen zivilrechtlichen Titel und werdet wohl nach diesen Vorschriften vollstrecken (müssen). Aber Ihr könnt es natürlich auch mal so versuchen ;)...

    Sorry, hab Deinen Post irgendwie überlesen.Woraus ergibt sich, dass der Tabellenauszug alle vorherigen Titel ersetzt. Die Formulierung hab ich irgendwo schon mal gelesen...Da in der AO extra steht, dass wird den Tabellenauszug nach der AO vollstrecken darf, scheint die Überlegung nicht ganz falsch zu sein; sonst müsste man es in der AO ja nicht extra erwähnen.


    § 201 II InsO.

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  • Mein Pape/Uhländer, NWB Kommentar zum Insolvenzrecht, sagt zu § 155 InsO I Rdn. 64:

    "Titel für die Verwaltungsvollstreckung ist – auch nachinsolvenzlich – ausschließlich der Auszug aus der Insolvenztabelle, weil die Eintragung für alle Insolvenzgläubiger wie ein rechtskräftiges Urteil gegen den Insolvenzschuldner wirkt (§ 251 Abs. 2 Satz 2 AO, § 178 Abs. 3, § 201 Abs. 2 InsO). Der spätere Erlass eines Steuerbescheides ist damit überflüssig."

    Zu meiner Kernfrage, ob eine zivilrechtliche Klausel erforderlich ist, sagt er leider nix. :(

    Unstreitig vollstrecken die Finanzämter aus der Insolvenztabelle im Wege Verwaltungsvollstreckung und nicht zivilrechtlich, § 251 Abs. 2 Satz 2 AO.

    Die Klausel ist m. E. aber nur nach § 750 ZPO Vollstreckungsvoraussetzung. Die Verwaltungsvollstreckung sieht eine Vollstreckungsklausel als Vollstreckungsvoraussetzung nicht vor. Scheinbar richtet sich die Frage, Klausel oder nicht, nach dem anzuwendenen Vollstreckungsrecht, sonst gäbe es die Klausel ja nicht in § 66 Abs. 4 SGB X.

    Die Klausel hat zudem den Zweck, dass das Prozessgericht zentral die Vollstreckungsvoraussetzungen prüft, damit der Gläubiger dann mit der vollstreckbaren Ausfertigung in der Hand die unterschiedlichen Vollstreckungsorgane behelligen kann, die ihrerseits auf die Klausel vertrauen dürfen. Sie dient dem Gläubiger als Nachweis gegenüber dem Vollstreckungsorgan, dass die Forderungen formell vollstreckbar sind. Dies sind alles Gründe, die in der Verwaltungsvollstreckung Quatsch sind, da wir selbst ja "Vollstreckungsorgan" sind und uns in Personalunion von Gläubiger und Vollstreckungsorgan nicht selbst etwas darlegen müssen...

    Einwendungen, die der Schuldner gegen die Klauselerteilung per Erinnerung o. Klauselgegenklage geltend machen könnte, kann er ja ohnehin per Einspruch im Verwaltungsvollstreckungsverfahren anbringen.

    Da sich m. E. aus dem Gesetz selbst nicht zwingend ergibt, dass die Finanzämter für die Verwaltungsvollstreckung aus einer Insolvenztabelle eine Vollstreckungsklausel brauchen, gehe ich nach Sinn und Zweck davon aus, dass diese nicht erforderlich ist.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Das hört sich allerdings alles schlüssig an. Und wenn's weiter bei der Verwaltungsvollstreckung bleibt (was mir nicht klar war), dann dürfte es tatsächlich so sein.

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  • Vielen Dank! :) und das von einem der Insolvenzrechtskorryphäen hier aus dem Forum. :daumenrau

    Ist jetzt auch echt mein halber Arbeitstag bei draufgegangen...

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Wieso schaue ich eigentlich nicht gleich in meine VO-Kartei? :confused:

    Will das Finanzamt nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung betreiben (z.B. weil die Restschuldbefreiung versagt wurde), bedarf es einer Vollstreckungsklausel, wie sie ansonsten für eine Vollstreckung nach § 201 Abs. 2 InsO erforderlich wäre, für die Vollstreckung eines Verwaltungsaktes im Verwaltungswege nicht (Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, (HHSp.), Abgabenordnung,§ 251 AO Rz. 449). Die Art und Weise der Vollstreckung richtet sich nach den §§ 259 ff. AO (Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzenund Steuern, 7. Auflage 2007, Rz. 519 S.3). Daraus folgt, dass in derartigen Fällen die Vollstreckungsvoraussetzungen i.S.d. § 254 AO als gegeben angesehen werden und u.a. ein besonderes Leistungsgebot auch nach Aufhebung eines Insolvenzverfahrens nicht erforderlich ist.
    (Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 01.09.2012, FMNR0c6400013)


    VO-Kartei NW Insolvenzordnung Karte 14.1

    Ash

  • Vielen Dank! :) und das von einem der Insolvenzrechtskorryphäen hier aus dem Forum. :daumenrau

    Ist jetzt auch echt mein halber Arbeitstag bei draufgegangen...

    Ich finde ja, Du hast das herausragend hergeleitet. Dafür kann man ruhig mal einen halben Arbeitstag draufgeben und sich dann auf die Schulter klopfen;).

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  • Wieso schaue ich eigentlich nicht gleich in meine VO-Kartei? :confused:Will das Finanzamt nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung betreiben (z.B. weil die Restschuldbefreiung versagt wurde), bedarf es einer Vollstreckungsklausel, wie sie ansonsten für eine Vollstreckung nach § 201 Abs. 2 InsO erforderlich wäre, für die Vollstreckung eines Verwaltungsaktes im Verwaltungswege nicht (Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, (HHSp.), Abgabenordnung,§ 251 AO Rz. 449). Die Art und Weise der Vollstreckung richtet sich nach den §§ 259 ff. AO (Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzenund Steuern, 7. Auflage 2007, Rz. 519 S.3). Daraus folgt, dass in derartigen Fällen die Vollstreckungsvoraussetzungen i.S.d. § 254 AO als gegeben angesehen werden und u.a. ein besonderes Leistungsgebot auch nach Aufhebung eines Insolvenzverfahrens nicht erforderlich ist.(Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 01.09.2012, FMNR0c6400013)VO-Kartei NW Insolvenzordnung Karte 14.1Ash

    Ich mag die VO-Kartei von NW. Früher haben die von BW abgeschrieben, jetzt schreibt BW bei denen ab, aber...erhält der Schuldner nach Aufhebung des Inso-Verfahrens einen Tabellenauszug mit der Aufforderung zu bezahlen?Wenn Nein, dann würde ich auf jeden Fall ein Leistungsgebot erlassen. Ich hatte bisher nie Probleme mit der Finanzgerichtsbarkeit, aber da bin ich etwas skeptisch, wie die entscheiden würden, wenn gegen den Schuldner vollstreckt wird, ohne vorherige Aufforderung, Ankündigung oder ähnliches...

  • Ash: Danke! Blöd nur, dass in den dort zitierten Kommentarstellen zwischenzeitlich das glatte Gegenteil drinsteht (natürlich ohne jede Begründung).

    Mosser: Danke für die Blumen. :blumen:

    @Meandor: Ashs Karteikarte verneint auch die Notwendigkeit eines Leistungsgebots. Erscheint mir auch folgerichtig. Hier wird ja gerade aus der Tabelle als Zahlungstitel, der wie ein rechtskräftiges Urteil wirken soll, vollstreckt. Dieser Titel ersetzt alle vorangegangenen Verwaltungstitel. Warum sollte man diesen klar bezifferten Vollstreckungstitel jetzt wieder durch ein (erneut anfechtbares) Leistungsgebot ersetzen? § 251 Abs. 2 Satz 2 AO ordnet m. E. doch bereits die Vollstreckbarkeit der Insolvenztabelle an. Aber du hast recht: Ne Mahnung sollte der Schuldner schon bekommen, bevor man loslegt.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Ash hat die gleichen Karteikarten wie ich. Die Richter am FG schauen sich die Kartei meist auch an, eventuell auch den entsprechenden Kommentar (sofern der in juris eingestellt ist), aber ob sie dann zur gleichen Erkenntnis kommen, ist eine andere Frage.


    Voraussetzung für eine Verwaltungsvollstreckung nach der AO sind vollstreckbarer Verwaltungsakt, Fälligkeit, Leistungsgebot und Vergehen einer Woche nach Leistungsgebot. Durch den Tabellenauszug mögen Verwaltungsakt und Fälligkeit ersetzt werden, aber sofern der Schuldner nicht explizit zur Zahlung aufgefordert wird, würde ich ein Leistungsgebot verschicken und eine Woche warten.


    Ob das Leistungsgebot dann angefochten wird, ist letztlich egal, denn durch die Anfechtung wird die Vollstreckung ja nicht gehemmt.

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