Recherche MDR: Überlastung Betreuungsgerichte?

  • Sehr geehrte RechtspflegerInnen,

    Ich bin Journalist und produziere eine halbstündige Fernsehreportage für das Format „Exakt – Die Story“ im Auftrag des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) zum Thema Betreuungsrecht. Wir wollen für die halbstündige Reportage einen kritischen Blick auf das aktuelle System werfen und fragen uns hierbei unter anderem:

    Sind die Betreuungsgerichte wirklich überlastet? Ich habe mit Experten wie Claus Fussek, Prof. Gisela Zenz sowie Prof. Rolf Dieter Hirsch gesprochen. Deren allgemeiner Tenor lautet, dass die Zahl der Betreuungen in den letzten Jahren steil nach oben gegangen ist, das Personal an den Betreuungsgerichten aber nicht erhöht, sondern stellenweise gekürzt worden sei, womit eine Überlastung der Betreuungsgerichte einher ginge.
    Wenn zum Beispiel ein Bestand von rund 1550 Betreuungen, davon 150 neue Fälle, von 1,85 Rechtspflegerstellen und 1,22 Richterstellen bearbeitet werden - deutet das bereits eine Überlastung an? Wenn ja, warum?

    Ab wann fühlt Ihr euch als Rechtspfleger überlastet? Sind teilweise 35 Akten pro Tag noch zu schaffen?
    Wie sieht das Arbeitspensum der Betreuungsrichter aus?

    Einige Experten wie Claus Fussek und Prof. Gisela Zenz haben mir gegenüber erwähnt, dass viele Betreuungen auch durch Verfahrenshelfer abgedeckt werden könnten? Stimmt Ihr dem zu? Wenn ja, warum werden dann keine Verfahrenshelfer eingesetzt?

    Und noch eine Frage zu den Berufsbetreuern: Wenn ein Berufsbetreuer, wie bei einem Betreuungsgericht aus meiner Region, alleine an diesem Gericht 88 Betreuungen verantwortet - ist das schon zu viel, um eine gute Betreuung zu gewährleisten?

    Ich würde mich über euer ehrliches Feedback freuen, gerne auch per PM. Anonym ist man vielleicht eher bereit, etwas zum Sachverhalt zu schreiben. Besten Gruß Oliver Matthes Mitteldeutscher Rundfunk

    2 Mal editiert, zuletzt von Journalist (15. September 2014 um 22:38)

  • Ich meine, die Person, die Du anspricht, ist ein Verfahrenspfleger. Diese dient grundsätzlich nicht dazu, dem Betreuungsgericht die Arbeit abzunehmen, sondern die Rechte des Betreuten (wenn dieser zum Beispiel aufgrund seines gesundheitlichen Zustands hierzu nicht in der Lage ist) zu wahren.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Ich glaube nicht, dass man das so auf die Zahlen verallgemeinern kann. Wenn die 35 Akten nur Vergütungsfestsetzungen sind, schafft man das problemlos. Sind dann aber noch 2 Rechnungslegungen dabei und vielleicht eine oder zwei Genehmigungen, dazu noch Telefon und Publikum sieht es wieder anders aus. Weiter muss man beachten, ob gerade alle Kollegen da sind oder ob man Vertretung machen muss. Bei Personaleinsparung steigt dann natürlich die Vertretungszeit an. In der Praxis kommen dann noch Stellungnahmen, Meetings, Anhörungen und sonswas dazu, so dass man gar nicht jeden Tag "nur" seine Akten machen kann.

    Ich glaube jeder Rechtspfleger hätte die eine oder andere Akte (vor allem Rechnungslegungen welche über mehrere Jahre gehen oder von einem etwas unsortierten ehrenamtlichen Betreuer), welche er gerne jemand anderem zum Prüfen geben würde. Nur wer soll den bezahlen? Der Betreute? Der Staat? Wohl eher nicht. Vor allem weil die Akten ja zum Referat gehören und man dafür ja sein Gehalt bekommt.

    Ich kenne auch Betreuer, welche eine sehr hohe Zahl an Betreuungen führen. Ich denke es kommt drauf an, ob der Betreuer alleine arbeitet oder aber viele Beschäftigte hat, auf welche er den "Papierkram" verteilen kann.

  • s.o.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

    Einmal editiert, zuletzt von FED (16. September 2014 um 08:32) aus folgendem Grund: Tippfehler gefunden

  • ... Einige Experten wie Claus Fussek und Prof. Gisela Zenz haben mir gegenüber erwähnt, dass viele Betreuungen auch durch Verfahrenshelfer abgedeckt werden könnten? Stimmt Ihr dem zu? Wenn ja, warum werden dann keine Verfahrenshelfer eingesetzt? ...

    Wenn ich das lese, weiß ich jetzt schon, wie der Bericht aussehen wird. Sorry, aber 9/10 Berichten, die ich so zum Thema Gericht/Betreuung etc. gelesen habe, waren falsch, reißerisch, irreführend und der Rpfl. ist nie gut dabei weggekommen.

    Ich habe starke Bedenken, dass es mit Erläuterungen hier grundlegend anders wird. (Irgendwie schwirrt mir im Kopf rum: "Alles was sie sagen, kann und wird... ")

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • 1. Gute Idee sich hier im Forum noch einmal hinsichtlich der offenen Fragen zu vergewissern.

    2. Eine pauschale Aussage dazu, ob die Betreuungsgerichte überlastet sind, kann es nicht geben. Denn in der Regel ist das Betreuungsgericht ungefähr genauso belastet wie alle anderen Abteilungen eines Amtsgerichts auch. Insofern müsste man den Bogen also größer spannen und die Belastung in der Justiz hinterfragen. Auch die örtlichen Gegebenheiten bei jedem Amtsgericht (Größe des Gerichts, Altersstruktur der Mitarbeiter, Krankheitsausfälle etc.) können zu äußerst unterschiedlichen Wahrnehmungen führen was die Belastung angeht. Klar ist eigentlich nur, dass es aufgrund der Haushaltslage der Länder eine üppige Personalausstattung nicht mehr geben wird.

    3. Ich will nicht die Luft aus dem Thema heraus lassen, aber in der Regel wird im Bereich Betreuung vieles heißer gekocht als gegessen. In der Regel hängt man sich gern an Einzelfällen (wie dem Betreuer mit den 88 Betreuungen, was wiederum nichts mit der Belastung der Betreuungsgerichte zu tun hat) auf.

    4. Gerade im Bereich der Betreuung sollte man sich als Journalist sowohl den rechtlichen Sinn der Betreuung als auch den Verfahrensablauf hinreichend erklären lassen, damit unzureichende oder falsche Aussagen (z. B. Abdeckung der Betreuungen durch Verfahrenshelfer) in dem Bericht nicht auftauchen.

    5. Zur allgemeinen Belastung könnte das Justizministerium Auskunft geben. Dort müsste erfasst sein, wie viele Verfahren auf eine Richter-/Rechtspflegerstelle entfallen und wie viel Personal in diesem Bereich erforderlich ist/verwendet wird.

    6. Das Gespräch mit "Experten" zu suchen, ist zwar in der Regel wichtig um einen Einblick zu bekommen, aber vielen Experten fehlt der Einblick in die tägliche Praxis. Die sitzen dann ganz oft auch nur am Schreibtisch und ziehen aus irgendwelchen Zahlen Rückschlüsse.

  • Herr Fussek ist ein engagierter "Pflegekritiker". Ob er aber auch über ausreichend Hintergrundwissen im Betreuungsrecht, insbesondere im Verfahrensrecht hat, weiß ich nicht. Ich nehme ihn eher im Pflegebereich (ist m. W. n. examinierter Alten- oder Krankenpfleger) wahr.

  • Vielen Dank schon einmal für das erste Feedback.
    Ihr habt Recht, ich meinte Verfahrenspfleger, nicht Verfahrenshelfer. Da ist mir die Begrifflichkeit gestern Abend durcheinandergeraten. Ich kam auf die Problematik durch einen Deutschlandfunk-Beitrag, in dem ein Richter des Oberlandesgericht Schleswig meinte:

    Zitat

    "Ich will nicht verhehlen, dass man manchmal in der Praxis den Eindruck hat, dass Betreuungen dann zumindest initiiert werden, wenn andere Menschen mit den Betroffenen ein Problem haben. Wenn die ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen, wenn also bestimmte Dinge im normalen Leben nicht mehr so funktionieren. Betreuung sollte nur angeordnet werden, wenn sie erforderlich ist, und sie sollte nicht angeordnet werden, um andere Menschen zu einem normgemäßen Leben bringen zu wollen."

    Gisela Zenz meinte hier wie gesagt, dass Betreuungen oft für Menschen eingerichtet werden, wo ein Verfahrenspfleger ausreichen würde und dadurch das Arbeitspensum für Rechtspfleger steige. Gisela Zenz war an der Ausarbeitung des heutigen Betreuungsgesetzes beteiligt, findet aber heute, dass die Umsetzung zu wünschen übrig lasse.

    Zur Belastung am Betreuungsgericht: Hier stellt sich mir schon die Frage, ob 1,22 Richterstellen zum Beispiel wirklich ausreichend sind, da kaum ein Polster vorhanden ist. Ich habe mehrere Betreuungsgerichte angeschrieben und nach Zahlen gefragt. FED hatte bereits geschrieben, wonach sich diese Stellenzahl berechnet. Und so wird auch an allen Betreuungsgerichten die Betreuungsquote exakt bis fast auf die Kommastelle eingehalten. Aber ein Richter ist schnell einmal krank und wenn dann nur 1,22 Richterstellen vorgesehen sind, staut sich die Arbeit schnell an. Ich frage mich, ob es unter Umständen nicht sinnvoll wäre, sehr kleine Betreuungsgerichte eventuell zusammenzulegen um mehr Kapazitäten zu haben, zum Beispiel um Krankheitsfälle zu bewältigen?

  • Von den genannten Experten habe ich auch noch nie gehört und musste mich im Internet erst mal auf die Suche machen. Ich habe mich größtenteils gefragt, wo der fachliche Bezug der Personen zur rechtlichen Betreuung, insbesondere zur Praxis, sein soll und was die so als Experten qualifiziert über die Arbeit der Betreuungsgerichte eine Stellungnahme abzugeben. Ich würde gerne den Themenstarter fragen, wie man denn dazu kommt als Experte für die Frage benannt zu werden?

    Was ich von der Stellungnahme der Frau Zenz halten soll weis ich nicht so recht. Vielleicht wurde doch eher was missverstanden?

  • Die Meinung von Gisela Zenz solltest Du aus Deiner Berichterstattung vielleicht rauslassen, es handelt sich - wie Du sagtest - um eine Meinung, und zwar die einer Einzelperson.

    Meine Meinung: Wenn jemand seine Stromrechnung nicht zahlt, hat er bald ein Problem - der Strom wird abgestellt. Das kann schon ein Hinweis darauf sein, dass eine Person im Leben nicht zurechtkommt. Vielleicht wird ja bald die Miete nicht mehr gezahlt, und was dann?

    Bitte informiere Dich nochmal über den Ablauf eines Betreuungsverfahrens:
    Es bedarf einer Anregung an das Gericht. Eine solche Anregung erfolgt natürlich nur, wenn irgendjemand auf einen Mißstand aufmerksam wird. Dann prüft das Gericht, ob die Person "auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen" kann. Für diese Zwecke wird ein medizinisches Gutachten erfordert. Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, und wenn keine anderen Hilfemöglichkeiten bestehen, kann eine Betreuung eingerichtet werden. Bitte lies Dir § 1896 BGB durch.

    Und mit Verlaub, Du kennst Dich mit der Belastung des Personales doch gar nicht aus. Ich muss doch etwas grinsen, wenn Du mit Zahlen (1,22 Richterstellen!) oder Reformvorschlägen (Gerichte zusammenlegen!) kommst - ich glaube nicht, dass Du Dich da hinreichend auskennst, um das beurteilen zu können. Sorry.

    * Was schert´s die Eiche, wenn das Schwein sich an ihr reibt! *

  • Ich glaube nicht, dass man pauschal sagen kann, ob konkret Betreuungsgerichte überlastet sind oder nicht. Man kann das auch nicht nur theoretisch an den Zahlen messen. Das eine sind die theoretisch einer Abteilung zustehenden Arbeitskraftanteile, das andere sind aber doch die die ihr tatsächlich durch die Geschäftsverteilung zugewiesen werden. Wenn ein Geschäftsleitung sieht, dass eine Abteilung (egal welche) überlastet ist, dann sollte sie, wenn möglich, händisch dagegenwirken und gerichtsintern umverteilen. Das geht dann halt zu Lasten der anderen Abteilungen des Gerichts. Die Frage müsste daher eher sein, ob die Justiz als solche unterbesetzt ist. Wenn man sich da die Entwicklung ansieht und die Summe die der Justiz in den Landeshaushalten zugewiesen werden, ist die Antwort eigentlich naheliegend.

  • Ich frage mich, ob es unter Umständen nicht sinnvoll wäre, sehr kleine Betreuungsgerichte eventuell zusammenzulegen um mehr Kapazitäten zu haben, zum Beispiel um Krankheitsfälle zu bewältigen?


    Damit wird niemandem geholfen sein. Die Gerichte sind örtlich meist ziemlich weit auseinander (in verschiedenen Städten). Wenn man da was zusammen legt, erhöhen sich die Wege erheblich. Der Richter macht ja vor Einrichtung einer Betreuung in der Regel eine persönliche Anhörung. Auch bei Genehmigungen ist in der Regel eine persönliche Anhörung nötig. Das bedeutet, das Richter und Rechtspfleger dann oft auf Reisen sind und ihre Arbeit am Gericht liegen bleibt. Sofern die Betroffenen noch in der Lage dazu sind, müssen sie reisen, was aber auch nicht wirklich besser ist. Manche Betroffenen kommen gerne mal bei Gericht vorbei mit ihren Sorgen, da wollen sie auch keine Weltreise machen. Auch die Betreuer haben immer mal im Betreuungsgericht zu tun. Lange Wege gehen dann zu Lasten der Betroffen. Zusammenlegung von Gerichten ist - egal in welchem Bereich - nicht wirklich bürgerfreundlich und auch nicht unbedingt vorteilhaft für die Mitarbeiter.

  • Zur Belastung am Betreuungsgericht: Hier stellt sich mir schon die Frage, ob 1,22 Richterstellen zum Beispiel wirklich ausreichend sind, da kaum ein Polster vorhanden ist. Ich habe mehrere Betreuungsgerichte angeschrieben und nach Zahlen gefragt. FED hatte bereits geschrieben, wonach sich diese Stellenzahl berechnet. Und so wird auch an allen Betreuungsgerichten die Betreuungsquote exakt bis fast auf die Kommastelle eingehalten. Aber ein Richter ist schnell einmal krank und wenn dann nur 1,22 Richterstellen vorgesehen sind, staut sich die Arbeit schnell an. Ich frage mich, ob es unter Umständen nicht sinnvoll wäre, sehr kleine Betreuungsgerichte eventuell zusammenzulegen um mehr Kapazitäten zu haben, zum Beispiel um Krankheitsfälle zu bewältigen?

    1,22 Richterstellen kann nur das vorgesehene Pensum an einem von dir gewählten Amtsgericht sein. Die Zahl ist nicht auf andere Gerichte übertragbar. Hinzu kommt, dass derartig kleine Pensen auf mehrere Richter verteilt werden um die Vertretung im Krankheits- oder Urlaubsfall gewährleisten zu können.

    Dass dann solche Zahlen fast bis auf die Kommastelle eingehalten werden und keine "Puffer" eingeplant werden, dürfte aufgrund der Sparzwänge der öffentlichen Haushalte keine größere Überraschung darstellen.

    Ob es Sinn macht auch die Betreuungsgerichte zu zentralisieren darf bezweifelt werden, da die jeweiligen Betreuungsbehörden bei den Landkreisen angesiedelt sind und die Richter und Rechtspfleger vor Ort die örtlichen Gegebenheiten viel besser einschätzen können.

  • Die tatsächliche Be- oder auch Überlastung der Betreuungsgerichte lässt sich nicht allein anhand von Zahlen ermitteln!

    Es gibt daneben viele andere Faktoren, die eine Rolle spielen. Dazu gehören z.B. die Zusammenarbeit von Richter und Rechtspfleger, die "Eigenständigkeit" der Serviceeinheit, das Funktionieren der EDV und ob überwiegend Berufsbetreuer eingesetzt werden, die erfahrungsgemäß eher eigenständig die Betreuungen "abarbeiten" oder ob überwiegend ehrenamtliche Betreuer (also meist Familienangehörige der Betreuten) tätig sind, die deutlich öfter den Kontakt (persönlich, telefonisch) zum Gericht suchen, um sich Rat zu holen oder weil sie Hilfe beim Erstellen der Berichte oder Vermögensübersichten benötigen oder auch einfach nur, um mal über die problematische Situation zu sprechen.

    Auch die Größe, der Zuschnitt und die Infrastruktur des Gerichtsbezirks spielen eine Rolle, da gerade in Betreuungen Richter und Rechtspfleger häufig Anhörungen am Wohnort des Betreuten vorzunehmen haben.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Zitat von knoppers;97651[...

    Ich glaube jeder Rechtspfleger hätte die eine oder andere Akte (vor allem Rechnungslegungen welche über mehrere Jahre gehen oder von einem etwas unsortierten ehrenamtlichen Betreuer), welche er gerne jemand anderem zum Prüfen geben würde. Nur wer soll den bezahlen? Der Betreute? Der Staat? Wohl eher nicht. Vor allem weil die Akten ja zum Referat gehören und man dafür ja sein Gehalt bekommt. [...]

    Man kann sich ja schon fragen, ob Rechtspfleger ob seiner rechtlichen Kenntnisse und Befähigungen gerade im Fall erheblicher Vermögenswerte im Betreutenvermögen (z. B. bei vorhandenem Betriebsvermögen, Konzernbeteiligungen, etc.) denn tatsächlich kompetent genug sind, Fragen von betriebswirtschaftlicher Relevanz sachgerecht überhaupt zu stellen, geschweige denn zu beantworten.

    Nicht ohne Grund wird zu Lasten des betroffenen Bürgers zum Beispiel in Insolvenzverfahren auf externe Sachverständigengutachten zurückgegriffen, um Fragen der Rechnungslegung zu klären.

  • Natürlich kann man die Belastung eines Betreuungsgerichtes nicht allein an den nackten Zahlen bemessen und kommen hierbei noch andere Faktoren zum Tragen, wie einige von euch bereits ausgeführt haben: Anteil der ehrenamtlichen vs. beruflichen Betreuer, Größe des Einzugsgebietes des Gerichtes etc. Aber irgendwo muss man bei der Recherche als Journalist erst einmal anfangen, und das beginnt mit Zahlen wie der Betreuten im Verhältnis zu Rechtspflegern und Richtern. Und da kommt man nun einmal zu dem Schluss, dass hier hart auf Kante genäht ist. Ich habe Kontakt zu einer ehemaligen Rechtspflegerin, die aufgrund des hohen Arbeitspensums einen Burnout gehabt hat und ihren Job niedergelegt hat. Ja, das ist ein individueller Fall an einem einzelnen Gericht. Deshalb möchte ich hier ein breiteres Stimmungsbild von euch bekommen. Und so wie es aussieht, scheint ihr im Großen und Ganzen nicht überlastet zu sein, was schön ist zu hören und dann auch Niederschlag finden wird in meiner Reportage.

    Zu Franziska:

    Zitat

    Wenn jemand seine Stromrechnung nicht zahlt, hat er bald ein Problem - der Strom wird abgestellt. Das kann schon ein Hinweis darauf sein, dass eine Person im Leben nicht zurechtkommt. Vielleicht wird ja bald die Miete nicht mehr gezahlt, und was dann?

    Man sollte hier sehr vorsichtig sein. Draußen laufen sehr viele Menschen herum, die gewisse Sachen zeitweise nicht geregelt bekommen, sei es, weil die Ehe in die Brüche gegangen ist oder man den Job verloren hat. Aber eine Betreuung sollte nur eingerichtet werden, wie du selbst bereits geschrieben hast, wenn jemand seine Angelegenheiten

    Zitat

    auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung

    nicht mehr erfüllen kann. Diese Schranke darf nicht zu tief fallen. Meine Meinung.

    Übrigens: Zuständig für die Einrichtung einer Betreuung in der Schweiz ist die Erwachsenenschutzbehörde, die eine professionelle Fachbehörde ist, wo Pflegefachkräfte entscheiden, ob eine Betreuung eingerichtet wird. In Deutschland entscheiden dies immer noch Richter bei den Gerichten, die keine pflegerische Erfahrung haben. Natürlich gibt es Gutachten vor jeder Bestellung. Nur sind Gutachter, das weiß ich mittlerweile aus langjähriger Erfahrung, mit Vorsicht zu genießen.

    Ps.: Von einigen wurden die Experten kritisiert, die ich zitiert habe. Ich bin offen für Vorschläge! Noch stecke ich mitten in der Recherchephase. Wie sieht es mit Horst Deinert aus? Er ist Mitautor der 2. Auflage des Handbuches Betreuungsrecht und hat selbst als Rechtspfleger und Betreuer gearbeitet.

  • Ich frage mich, ob es unter Umständen nicht sinnvoll wäre, sehr kleine Betreuungsgerichte eventuell zusammenzulegen um mehr Kapazitäten zu haben, zum Beispiel um Krankheitsfälle zu bewältigen?

    Damit wird niemandem geholfen sein. Die Gerichte sind örtlich meist ziemlich weit auseinander (in verschiedenen Städten). Wenn man da was zusammen legt, erhöhen sich die Wege erheblich. Der Richter macht ja vor Einrichtung einer Betreuung in der Regel eine persönliche Anhörung. Auch bei Genehmigungen ist in der Regel eine persönliche Anhörung nötig. Das bedeutet, das Richter und Rechtspfleger dann oft auf Reisen sind und ihre Arbeit am Gericht liegen bleibt. Sofern die Betroffenen noch in der Lage dazu sind, müssen sie reisen, was aber auch nicht wirklich besser ist. Manche Betroffenen kommen gerne mal bei Gericht vorbei mit ihren Sorgen, da wollen sie auch keine Weltreise machen. Auch die Betreuer haben immer mal im Betreuungsgericht zu tun. Lange Wege gehen dann zu Lasten der Betroffen. Zusammenlegung von Gerichten ist - egal in welchem Bereich - nicht wirklich bürgerfreundlich und auch nicht unbedingt vorteilhaft für die Mitarbeiter.

    ... und die Anhörungen würde nicht nur zeitintensiver, sondern auch teurer. Schließlich will der Dienstwagen auch getankt werden oder der Richter oder Rechtspfleger möchte seine Fahrtkosten, die er mit dem privaten PKW hatte, gerne ersetzt bekommen. Das ginge finanziell zu Lasten der Betreuten, wenn sie ausreichend Vermögen habe, und sonst zu Lasten der Staatskasse.

  • Gisela Zenz meinte hier wie gesagt, dass Betreuungen oft für Menschen eingerichtet werden, wo ein Verfahrenspfleger ausreichen würde

    Ganz richtig ist das wieder nicht. Die Betreuung ist notwendig, wenn jemand nicht mehr selbst handlungsfähig ist. Also wenn also bestenfalls aufgrund einer Erkrankung nicht mehr aus dem Haus kann. Wegen der gesetzlichen Vorgaben kann der Betreuer (innerhalb seines Wirkungskreises) dann für ihn jegliche Handlung vornehmen, ohne dass es dabei gesonderter Vollmachten etc. bedarf. Er tritt also an die Stelle des Betroffenen. Ein Verfahrenspfleger hat keinerlei solche Befugnisse. Er wäre also gar nicht handlungsfähig. Er dienst ausschließlich dazu, das Recht auf rechtl. Gehör des Betroffenen, so dieser es nicht selbst ausüben kann, zu wahren.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • ... Und so wie es aussieht, scheint ihr im Großen und Ganzen nicht überlastet zu sein, was schön ist zu hören und dann auch Niederschlag finden wird in meiner Reportage.

    ....

    Ich kann das nicht rauslesen ! weder nach Anzahl noch Inhalt der posts und genau das meinte ich.

    ...Ich kam auf die Problematik durch einen Deutschlandfunk-Beitrag,...

    Und ich kam auf meinen Beitrag, durch eben solche! Berichte, wie den von dir zitierten. Ich habe in der Mitte aufgehört zu lesen, exemplarisch: "Das heißt, das Betreuungsrecht sieht nicht vor, dass Ehegatten, Eltern oder Kinder über die medizinische Behandlung des Partners, des Vaters, der Mutter oder des Kindes mitentscheiden können. Anna Berger und ihr Mann hatten Glück. Die Angehörigen konnten die Betreuung übernehmen. Doch nicht alle Fälle gehen so glimpflich aus - ..."


    Da nimmt man einen Fall, wo sich allein nicht am tatsächlichen Geschehen Beteiligte äußern, nimmt das für bare Münze, stellt das Regelfall dar und kommt zu so einer Schlussfolgerung.

    Tatsache ist, von Gesetz und auch meiner Erfahrung nach, grundsätzlich Angehörige eingesetzt werden, wenn bereit und in der Lage. Wenn es mal scheitert, dann, weil die nicht wollen! und ein Berufsbetr. bestellt wird.


    Und schon geht es weiter:
    "Ob eine Betreuung eingerichtet wird, hängt vom Verfahren und von der Person des Richters ab, der darüber entscheidet. Und vom psychologischen Gutachten eines Sachverständigen. Kommt der Richter in einem Verfahren zu dem Schluss, dass ein Betreuer eingesetzt werden muss, dann hat er die Wahl. Er kann sich für einen Angehörigen entscheiden. Oder aber für einen ehrenamtlichen oder einen sogenannten Berufsbetreuer. "

    Unfug, er hat keine (freie) Wahl. Angehörige haben Vorrang vor dem BB, § 1897 Abs. 6 BGB.


    Es erstaunt mich, von was das angebl. abhängt. Ich hätte mehr an Wünsche, Wohl, Interessen etc. des Betroffenen gedacht (btw.das Gesetz denkt auch so), welche durch Gutachten, Anhörungen etc. lediglich ermittelt ! werden. Aber nein, am Gericht herrscht ja Willkür.

    Auch interessant, der Ri. kann sich zwischen einem Angehörigen oder aber ehrenamtlichen B. entscheiden.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • zu #16 am Ende: Bitte nicht die Pflege mit der Betreuung (=rechtlichen Vertretung) durcheinanderbringen! Ich sage den Betreuern beim Verpflichtungsgespräch gern, daß es eben nicht Aufgabe des Betreuers ist, Pflegeleistungen zu erbringen. Es ist "nur" seine Pflicht, im Rahmen seiner rechtlichen Vertretung dafür zu sorgen, daß sie falls erforderlich erbracht werden.

    Und nebenbei: auf die sehr subjektiven Aspekte bei der Betrachtung der Belastung hatte ich vielleicht nicht deutlich genug hingewiesen. Ich komme mir schon öfter mal überlastet vor...

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

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