Darlehensvertrag oder Insolvenz?

  • Hallo
    ich habe folgenden Fall vorliegen:
    Betroffener ist 23, und spielsüchtig. Er hat einen Einwilligungsvorbehalt in der Vermögenssorge. Laut dem Vermögensverzeichnish hat er ein monatliches Einkommen von 1300€, 3 unterhaltspflichtige Kinder und ca. 30.000€ Schulden bei diversen Gläubigern.
    Das Girokonto steht mit 1500€ im Soll. Der Betreuer fürchtet nun Kontopfändungen. Der Betreuer beantragt nun, das Konto durch einen Darlehensvertrag in Hlöhe von 1500€ (Zins 11,72 nom. und 17,26% eff.) ausgleichen zu dürfen, um dann das Konto in ein P-Konto umwandeln zu können.
    Der Verfahrenspfleger hat Bedenken: Er schlägt vor, bei einer anderen Bank ein P-Konto zu eröffnen und in Insolvenz zu gehen.

    Würdet ihr den Darlehensvertrag genehmigen?

  • Das Darlehen würde dem Schuldner die Insolvenz nicht ersparen. Fraglich ist nur, ob der Schuldner überhaupt eine Bank findet, die in Ansehung eines Insolvenzverfahrens ein Darlehen ausreicht und dann mit einem 0-Plan in die Inso geht. Denn bei 3 Unterhaltspflichten und 1.300 € Einkommen bleibt kein pfändbarer Anteil, der dem Treuhänder / Insoverwalter zur Gläubigerbefriedigung überlassen werden kann.

    Also ab zur Schuldnerberatung und einen Gläubigervergleich versuchen. Anschließend Inso-Verfahren.

    Ob das langfristig dem Betreuten helfen wird, wage ich zu bezweifeln. Der Betreute ist spielsüchtig, nach Aussage des Themenstarters. Er wird wieder Schulden machen, um seine Sucht zu finanzieren. Das Inso-Verfahren ist somit von Anfang an sinnlos. Die Frage nach § 1 S. 2 InsO stellt sich hier von Anfang an. Kann ein Suchtkranker ein redlicher Schuldner sein?

  • Bei einer anderen Bank wird der Betroffene aufgrund der vorhandenen Verbindlichkeiten kein Konto bekommen. Der entsprechende Vorschlag des Verfahrenspflegers erscheint mir praxisfern.

    Die Umwandlung in ein P-Konto ist auf jeden Fall geboten, wenn eine Zwangsvollstreckung in das Girokonto droht, also auch hier. Der Aufnahme eines Darlehens, um das Konto auf 0 zu bringen und die Umwandlung in ein P-Konto zu ermöglichen, würde ich mich daher nicht grundsätzlich verschließen.

    Eine Insolvenz sehe ich nicht als zwingend an. Wenn der Betroffene sich (krankheitsbedingt) nicht an die Obliegenheiten halten kann bzw. hält, kommt er letztlich doch zu keiner Restschuldfreiuung. Es wäre daher verständlich, wenn der Betreuer in diesem Fall kein Insolvenzverfahren anstrebt.

  • Wer soll denn das Darlehn geben? Eine Bank wird es nicht sein. Wenn es jemand aus der Familie oder dem Bekanntenkreis sein soll, würde ich aber mit offenen Karten spielen und sagen, dass eine Rückzahlung nicht garantiert ist. Das Darlehn könnte dann auch gleich verschenkt werden.
    Allerdings hätte ich Probleme mit einer Genehmigung. Der Betroffene würde "neue Schulden" machen ohne dass die Rückzahlung wirklich gesichert ist. Es gibt dann einen neuen Gläubiger.

  • Wenn der Betroffene sich (krankheitsbedingt) nicht an die Obliegenheiten halten kann bzw. hält, kommt er letztlich doch zu keiner Restschuldfreiuung. Es wäre daher verständlich, wenn der Betreuer in diesem Fall kein Insolvenzverfahren anstrebt.

    Wenn der Schuldner spielsüchtig ist, kann er keinen schuldhaften Verstoß gegen § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO begehen. Bei € 1.300 netto Monatseinkommen und drei unterhaltspflichtigen Kindern fehlt es mangels pfändbaren Einkommens ferner an einer Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen.

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    Wenn der Schuldner spielsüchtig ist, kann er keinen schuldhaften Verstoß gegen § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO begehen. ...

    Ich habe noch nie ein Gutachten eines seriösen Gutachters gesehen, das bei Spielsucht zur Schuldaufhebung gekommen ist (aber ich habe schon eine ganze Rehe von Gutachten zu diesem Thema gesehen), daher teile ich die o.g. Einschätzung nicht.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

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    Wenn der Schuldner spielsüchtig ist, kann er keinen schuldhaften Verstoß gegen § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO begehen. ...

    Ich habe noch nie ein Gutachten eines seriösen Gutachters gesehen, das bei Spielsucht zur Schuldaufhebung gekommen ist (aber ich habe schon eine ganze Rehe von Gutachten zu diesem Thema gesehen), daher teile ich die o.g. Einschätzung nicht.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Ich teile die Ansicht des Richters.

    Der Betreuer soll ein Pfändungsschutzkonto für den Schuldner einrichten; den Schuldner zur Therapie ermutigen und zeitgleich ihn durch des IK-Verfahren begleitet.

    "Der Kredit bzw. das Darlehen ist der Anfang jeder Insolvenz!"

  • Wenn der Schuldner spielsüchtig ist, kann er keinen schuldhaften Verstoß gegen § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO begehen. ...

    Ich habe noch nie ein Gutachten eines seriösen Gutachters gesehen, das bei Spielsucht zur Schuldaufhebung gekommen ist (aber ich habe schon eine ganze Rehe von Gutachten zu diesem Thema gesehen), daher teile ich die o.g. Einschätzung nicht.

    Wenn der Schuldner krankheitswertig Geld verschleudert, wie kann das dann jedenfalls grob fahrlässig sein? Ihm fehlt ja in dieser Situation die Erkenntnis norm-/sorgfaltsgerechten Verhaltens.

    Ich teile die Ansicht des Richters.

    Der Betreuer soll ein Pfändungsschutzkonto für den Schuldner einrichten; den Schuldner zur Therapie ermutigen und zeitgleich ihn durch des IK-Verfahren begleitet.

    Ähem, in dem Beitrag stand aber, dass ggf. ein Versagungsgrund vorliegt.

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    Wenn der Schuldner krankheitswertig Geld verschleudert, wie kann das dann jedenfalls grob fahrlässig sein? Ihm fehlt ja in dieser Situation die Erkenntnis norm-/sorgfaltsgerechten Verhaltens.

    Ich präzisiere mal: Ich habe noch nie ein (seriöses) Gutachten gesehen, das einem behauptet Spielsüchtigen die Geschäftsfähigkeit abgesprochen hätte oder das zum Ergebnis gekommen wäre, dass die behauptete Spielsucht vorsatzausschließend gewirkt hätte. Wenn ich mich recht erinnere, dann wurde in dem einen oder anderen Gutachten eine Enthemmung festgestellt, die im strafrechtlichen Sinne zu einer Schuldreduktion nach 21 StGB führen kann. Es wurde auch schon ein gewisser Krankheitswert attestiert. Aber nie so schwer, wie es bei z.B. Alkoholsucht, Medikamentensucht, Rauschgiftsucht etc. sein kann, d.h. nie soviel, dass der Betroffene nicht mehr die bewusste Entscheidung zum Unrecht, zum Spiel, zum bewussten Eingehen einer Gefahr (oder worum es auch gerade ging) hätte treffen können. Das Fehlen der Erkenntnis normgerechten Verhaltens habe ich daher bisher noch nie gutachtlich bestätigt bekommen bei "Spielsucht". Manchen Gutachter konnte man dabei durchaus so verstehen, dass es diese Stufe bei "Spielsucht" nicht gibt, wohl weil die Teilnahme am Spiel immer noch hinreichende Steuerung voraussetzt. Ob das zutreffend ist, dazu maße ich mir keine Entscheidung an. Während ich bei vielen anderen "Süchten" aber eben schon positive Gutachten zur Vorsatzlosigkeit etc., gesehen habe, war dies bei Spielsucht noch nicht der Fall.

    Und wo sogar vorsätzliches Handeln möglich bleibt, da ist grob fahrlässiges Verhalten sicher kein Problem.

    Mir freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Vielleicht ist Spielsucht gedanklich schwerer greifbar? :confused:

    Will sagen: wenn jemand Substanzmissbrauch betreibt, kann er sich bevorraten und daheim volldröhnen.

    Aber bei Spielsucht (Online-Glücksspiel einmal ausgeklammert)? Beispiel: Ich fahre ín der Woche auf dem Weg zur S-Bahn bzw. von dort an zwei Spielautomatenhallen vorbei. Würde ein Spielsüchtiger da dann ggf. anhalten und erstmal zocken? Wenn ja, wäre das dann schuldhaftes Verhalten im rechtlichen Sinne?

    Vielleicht können die hier vertretenen Betreuer etwas dazu sagen?

  • Selbst wenn die Spielsucht schwerer greifbar ist, für die renommierten Fachgutachter müsste sie doch zu bewerten sein. Deswegen sind sie doch Fachgutachter.

    Und ja, mir ist auch bekannt, wieviele psychiatrische Gutachten falsch sind/sein sollen. Deswegen spreche ich von rennomierten Fachgutachtern, den Koryphäen, die bundesweit bekannt und deren Ruf (bisher) unangetastet ist.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Vielleicht ist Spielsucht gedanklich schwerer greifbar? :confused:

    Will sagen: wenn jemand Substanzmissbrauch betreibt, kann er sich bevorraten und daheim volldröhnen.

    Aber bei Spielsucht (Online-Glücksspiel einmal ausgeklammert)? Beispiel: Ich fahre ín der Woche auf dem Weg zur S-Bahn bzw. von dort an zwei Spielautomatenhallen vorbei. Würde ein Spielsüchtiger da dann ggf. anhalten und erstmal zocken? Wenn ja, wäre das dann schuldhaftes Verhalten im rechtlichen Sinne?

    Vielleicht können die hier vertretenen Betreuer etwas dazu sagen?

    Nur mal ein paar neutrale Gedanken dazu:

    Schuldrechtlich zu vertreten hat der Spieler (wie jeder andere) Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Vorsatz kann man wohl ausschließen, da (in der Regel niemand absichtlich Geld verliert.

    Wenn ich also bewusst Schulden mache und das Geld anschließend in dem Bewusstsein in eine Spielbank trage, es da verlieren zu können, habe ich das zu vertreten.

    DESHALB komme auch ich zu der Kernfrage ob "Spielsucht" die Geschäftsfähigkeit, zumindest teilweise, ausschließt!

    Das sollte nun im Einzelfall ein Gutachter beurteilen!!!

    Würde aber doch voraussetzen, dass jemand sehr geistesabwesend wäre bzw. nicht wüsste, dass er Schulden zurück zahlen muss...

  • ich habe dem Betreuer geraten sich noch einmal mit der Schuldnerberatung in Verbindung zu setzen.

    Diese hat gesagt, dass die Darlehensaufnahme ggf in einem Insolvenzverfahren als Gläubigerbevorzugung angesehen werden könne und damit die Versagung der Restschuldbefreiuung einhergehen könne???!!!

    Der Betreuer ist daraufhin nochmal zu einer Bank gegangen und konnte tatsächlich für den Betroffenen P-Konto eröffnen.
    Nun möchte er aber trotzdem einen Beschluss bezüglich seines Antrages auf Genehmigung des Darlehensvertrages (das Darlehen soll bei der Bank aufgenommen werden, bei der das Girokonto so stark im Soll ist.) Nun hat der Betroffene aber doch bei einer anderen Bank ein P-Konto. Was für einen Sinn macht dann noch der Darlehensvertrag?

  • ich habe dem Betreuer geraten sich noch einmal mit der Schuldnerberatung in Verbindung zu setzen.

    Diese hat gesagt, dass die Darlehensaufnahme ggf in einem Insolvenzverfahren als Gläubigerbevorzugung angesehen werden könne und damit die Versagung der Restschuldbefreiuung einhergehen könne???!!!

    Der Betreuer ist daraufhin nochmal zu einer Bank gegangen und konnte tatsächlich für den Betroffenen P-Konto eröffnen.
    Nun möchte er aber trotzdem einen Beschluss bezüglich seines Antrages auf Genehmigung des Darlehensvertrages (das Darlehen soll bei der Bank aufgenommen werden, bei der das Girokonto so stark im Soll ist.) Nun hat der Betroffene aber doch bei einer anderen Bank ein P-Konto. Was für einen Sinn macht dann noch der Darlehensvertrag?


    Verringerung der Verbindlichkeiten, wenn der Zinssatz des Darlehens niedriger ist als der des überzogenen Girokontos

  • Der Zinssatz macht mich ein wenig wuschig.

    Ich kenne Falldurchführungen in der Art (mal ein Lob der alten Dame Sparkasse), dass das bestehende Konto in ein P-Konto umgewandelt wird und der Überzogene Schuldbetrag in ein Konsumentendarlehen umgewandelt, mit was weiß ich von 6 - 8%, langfristig angelegt und einer moderaten Rate (damit noch Luft für weitere Rückzahlungsvereinbarungen bleibt). Somit kann der Betreuer selber auf die Gläubiger zugehen, mit diesen einen Schuldenschnitt von 50 -70 % aushandeln unter Androhung Privatinsolvenz und es gibt gar nichts mehr.

    Hinderlich erscheint mir für diesen Weg am ehesten noch die Unterhaltsverpflichtungen.

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    Wie oft kommt das vor? "Öfter als niemals, seltener als immer." Jack Reacher - Der Bluthund
    "Aufs Beste hoffen, fürs Schlimmste planen" Jack Reacher

  • ich habe dem Betreuer geraten sich noch einmal mit der Schuldnerberatung in Verbindung zu setzen.

    Diese hat gesagt, dass die Darlehensaufnahme ggf in einem Insolvenzverfahren als Gläubigerbevorzugung angesehen werden könne und damit die Versagung der Restschuldbefreiuung einhergehen könne???!!!

    Hat die Schuldnerberatung dazu auch eine Subsumtion unter § 290 Abs. 1 InsO geliefert?

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