Freigabe von Raten aus Kaufvertrag analog 850i ZPO?

  • Hallo,

    ein Schuldner war mit einer Bäckerei selbstständig tätig und hat die Selbstständikeit aufgegeben und das Inventar der Bäckerei verkauft, die Bäckerei wurde an den Käufer übergeben. Gleichzeitig wurde der Schuldner bei dem neuen Betreiber angestellt, das Arbeitsverhältnis ist jedoch zwischenzeitlich seitens des neuen Betreibers der Bäckerei gekündigt worden. Der Schuldner ist arbeitslos und bekommt kein Arbeitslosengeld, da nicht ein Jahr lang in die Arbeitslosengeldkasse eingezahlt worden ist. Die derzeitigen Einnahmen des Schuldners belaufen sich auf 1.000,00 EUR monatlich (Ratenzahlung des Käufers auf den Kaufpreis des Bäckereiinventars). Diese 1000,00 EUR monatlich sind gepfändet, weshalb der Schuldner nun komplett einkommenslos ist und die Freigabe der monatlichen 1000,00 EUR beantragt hat. Leistungen vom Jobcenter wurden abgelehnt mit der Begründung, dass ein monatliches Einkommen von 1.000,00 EUR vorhanden ist.

    Der Schuldner hat zwischenzeitlich einen neuen Mietvertrag für ein Kaffee abgeschlossen, welches voraussichtlich im März 2015 eröffnen wird.

    Kann ich für den Zeitraum bis Februar 2015 die monatlichen 1.000,00 EUR freigeben? Analog § 850i ZPO? Selbstständig tätig ist der Schuldner ja (jedenfalls momentan) nicht mehr. *hm

  • § 850 i Abs. 1 ZPO schützt nur sonstige Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit. Ob man jetzt den Verkauf des ehemaligen "Betriebsvermögens" dazuzählt ist Ansichtssache aber m. E. durchaus vertretbar, zumal das Geld für ihn ja z. Zt. eine Art "Sozialhilfeersatz" darstellt. Rechtsprechung habe ich dazu leider auch nicht gefunden.

  • Ein Kaufpreis bleibt ein Kaufpreis. Auch bei Ratenzahlung ist noch kein "durch persönliche Arbeitsleistung erlangtes monatliches Einkommen" vorhanden. Die Formulierung hab ich aus BFH VII R 54/90.

    Wenn ihm der Kaufpreis weggepfändet wird, dann muss er erneut zum Job-Center, denn faktisch hat er dann kein Einkommen mehr.

  • Habe eine Entscheidung des BGH gefunden, die sich mit dem Thema "sonstige Einkünfte" auseinandersetzt:

    "... Weiter spricht die Absicht des Gesetzgebers, mit der Neuregelung des § 850i Abs. 1 Satz 1 ZPO die Sozialhilfeträger dauerhaft zu entlasten, gegen eine einschränkende Anwendung der Vorschrift (vgl. BT-Drucks. 16/7615 S. 2, 12). Der Begriff der "sonstigen Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind", soll autonom und nicht nach den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes ausgelegt werden (BT-Drucks. 16/7615 S. 18). Ferner betonte die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates, vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Ziels der Sicherstellung des Lebensunterhalts des Schuldners und seiner Familie sowie der damit einhergehenden Entlastung der öffentlichen Haushalte von ansonsten notwendig werdenden Transferleistungen sei nicht zu rechtfertigen, nach der Art der dem Schuldner zufließenden Geldleistungen zu unterscheiden (BT-Drucks. 16/7615 S. 30)."

    http://www.rws-verlag.de/hauptnavigatio…IX-ZB-8813.html

    Dies spräche für eine Freigabe. Meinungen?

  • Die Entscheidung des BFH stellt im Hinblick auf die Anwendbarkeit von § 850 i ZPO darauf ab, dass die Einkünfte "...eine Vergütung für persönlich geleistete Dienste..." sein müssen. Das stimmt aber so nicht, wie sich schon aus der Überschrift der Vorschrift entnehmen lässt. § 850 i ZPO gewährt Pfändungsschutz für alle sonstigen Einkünfte aus der beruflichen Tätigkeit. Dass der Erlös aus dem Verkauf des ehem. Betriebsvermögens aus der wenn auch ehemaligen beruflichen Tätigkeit herrührt ist vielleicht kein zwingender Schluss, kann man aber drüber nachdenken.
    Da zu sagen ich pfände dir das weg, geh doch zum Sozialamt finde ich nicht den richtigen Ansatz. :)

  • Mieten sind auch kein Einkommen für persönlich geleistete Dienste und trotzdem ist hierfür § 850i ZPO anzuwenden.

    s. LG Bonn Beschluss vom 30.08.2012 - 6 T 140/12
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  • Ich zitiere nochmal einen Part aus der Entscheidung:

    "Um einen Pfändungsschutz zu erlangen, muss nicht die Arbeitskraft des Schuldners verwertet sein. Bezugsgröße ist nunmehr ein auf breite Basis gestellter Schutz des selbst erwirtschafteten Lebensunterhalts (Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, 6. Aufl., § 850i Rn. 19; Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2360; Meller-Hannich, WM 2011, 529). Die neue Regelung gibt die frühere Differenzierung nach dem Grund der Forderung auf. Ob Arbeiten oder Dienste persönlich erbracht werden oder nicht, spielt keine Rolle mehr. Pfändungsschutz erhalten nunmehr sämtliche Arten von Einkünften. Das gilt unabhängig davon, ob überhaupt eine Erwerbstätigkeit vorliegt und ob zur Entstehung einer Forderung verwertetes Kapital erarbeitet wurde, solange die Einkünfte nur selbst erzielt sind (Meller-Hannich, WM 2011, 529, 530)."

    Ich werde aufgrund dieser Ausführungen bis Februar 2015 die monatlichen 1.000,00 EUR freigeben und meinen Beschluss von der Rechtskraft abhängig machen. Sollte das Ganze in die Beschwerde gehen, werde ich hier über den weiteren Werdegang berichten.

    Danke Euch! :)

  • Ich zitiere nochmal einen Part aus der Entscheidung:

    "Um einen Pfändungsschutz zu erlangen, muss nicht die Arbeitskraft des Schuldners verwertet sein. Bezugsgröße ist nunmehr ein auf breite Basis gestellter Schutz des selbst erwirtschafteten Lebensunterhalts (Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, 6. Aufl., § 850i Rn. 19; Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2360; Meller-Hannich, WM 2011, 529). Die neue Regelung gibt die frühere Differenzierung nach dem Grund der Forderung auf. Ob Arbeiten oder Dienste persönlich erbracht werden oder nicht, spielt keine Rolle mehr. Pfändungsschutz erhalten nunmehr sämtliche Arten von Einkünften. Das gilt unabhängig davon, ob überhaupt eine Erwerbstätigkeit vorliegt und ob zur Entstehung einer Forderung verwertetes Kapital erarbeitet wurde, solange die Einkünfte nur selbst erzielt sind (Meller-Hannich, WM 2011, 529, 530)."

    Ich werde aufgrund dieser Ausführungen bis Februar 2015 die monatlichen 1.000,00 EUR freigeben und meinen Beschluss von der Rechtskraft abhängig machen. Sollte das Ganze in die Beschwerde gehen, werde ich hier über den weiteren Werdegang berichten.

    Danke Euch! :)

    :daumenrau

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