Unterschiedliche Voraussetzungen öffentliche Zustellung?

  • Guten Abend zusammen;)

    Langsam verzweifele ich etwas und würde gerne die Meinung der Fachfrauen/-männer hier mal hören.

    Folgender Sachverhalt:

    Mandant erstattet selber Anzeige wegen Unterschlagung gegen einen Ex-Arbeitnehmer. Es kommt zur Anklage (auch wegen anderer Betrugsdelikte). Im Laufe des Verfahrens entzieht sich der Angeklagte immer wieder. Wir haben 4 Schreiben der StA erhalten, ob wir den Aufenthaltsort kennen. Später wurde der Angeklagte zur Fahndung ausgeschrieben und auch scheinbar gefunden, er ist sodann verurteilt worden.

    Jetzt haben wir Klage wegen Schadenersatz eingereicht (unterschlagene Beträge). Die Klage konnte nicht zugestellt werden.

    Jetzt zu meinem Problem:

    Ich habe natürlich zunächst eine EMA gemacht. Antwort war klar "Die von Ihnen angefragte Person wurde von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet."

    Schreiben an die alte Anschrift kamen alle mit "Empfänger unbekannt" zurück.

    Der Beklagte wohnte zuletzt c/o bei einem C, D oder E Promi, der angeschrieben wurde und um Hilfe gebeten wurde, keine Antwort.

    Also habe ich Antrag auf öffentliche Zustellung gestellt. Ich habe die rückläufigen Briefumschläge beigefügt, die Auskunft des Meldeamtes und die diversen Schreiben der StA, als Nachweis, daß ein Aufenthaltsort nicht zu ermitteln ist.

    Heute bekomme ich ein Schreiben des Gerichtes, daß das nicht reicht. Zitat: "Wenn der Gesuchte sich nach unbekannt abmeldet, heißt das noch nicht, daß er keinen Aufenthaltsort hat." Ja und jetzt? Was soll mir das denn sagen, mal abgesehen davon, daß er von AMTS wegen abgemeldet ist und sich wohl selber schlecht als nach unbekannt verzogen melden kann :gruebel:

    Weiter soll ich Angehörige und Nachbarn befragen und mich bei den Sozialbehörden erkundigen.

    Ok Nachbarn würde ich noch einsehen, wobei ich nicht weiß, wie das passieren soll, da es ca. 300 km von hier ist. Angehörige? Wie soll ich die denn ermmitteln? Und wie soll ich an Auskünfte der Sozialbehörden kommen, wenn ich keinen Titel habe? :gruebel:

    Weiter könnte eine Detektei helfen. Ja und wer trägt die Kosten? Klar irgendwann vielleicht evtl. der Schuldner.

    Wo ist da noch die Verhältnismäßigkeit?

    Warum reicht bei einem Gericht die Übersendung der Rückbriefumschläge nebst negativer EMA und bei anderen Gerichten wird so ein Aufstand, Entschuldigung, gemacht?

    Die "üblichen Ermittlungen" über das Internet wurden natürlich auch gemacht (Facebook pp.), hat aber auch nicht geholfen, der Schuldner ist untergetaucht.

    Über Meinungen, Tipps, Hilfe usw. würde ich mich freuen :aufgeb:

    Wer Schmetterlinge Lachen hört, der weiß wie Wolken schmecken.
    Carlo Karges

  • Die Anfroderungen an öffentliche Zustellungen sind schon hoch.
    Nachbarn befragen und SOzialbehörde sind Standart laut Kommentaren.
    Oder willst du das vollstreckbarer Titel einfach so gegen dich in Abwesenheit ergeht? :gruebel:
    henry

  • Dass die Voraussetzungen nicht nur von Gericht zu Gericht, sondern auch von Richter zu Richter unterschiedlich gehandhabt werden, ist natürlich misslich, lässt sich aber leider nicht verhindern, solange nicht der Gesetzgeber die Vorgaben macht. EMA-Anfrage alleine wird meist deswegen nicht akzeptiert, weil die Sicherungen beim EMA zu niedrig sind. Man kann sich zu leicht ab- oder anmelden. Als Ex-Arbeitgeber könntet Ihr es noch bei der Krankenkasse versuchen, weil Ihr ja wenigstens wisst, wohin Ihr die Beiträge bezahlt habt. Und da Ihr Geschädigte seid, würde ich auch erwarten, dass Ihr Einsicht in die Strafskten nehmt und die dortigen letzten Adressen überprüft. Wenn das dann allerdings auch zu nichts führt, dann wäre die Bewilligung allmählich in Reichweite.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Danke schon mal ;)

    Der Mandant hat bei der Krankenkasse schon angerufen, auch bei der Rentenversicherung, dort gibt man ihm keine Auskünfte mehr aus Datenschutzgründen.

    Die Ermittlungsakte habe ich und auch teilweise dem Antrag beigefügt, aber auch das scheint nicht zu reichen. Die StA hat ja auch ständig gesucht und dann eine Fahndung eingeleitet, das kann ich ja auch nicht und die bitten, für den Mandanten zu fahnden wird wohl auch nicht gehen.

    Wie soll ich denn ohne Titel eine Anfrage bei einer Sozialbehörde machen? Die berufen sich doch auf Datenschutz und Verschwiegenheit pp.

    Außer Nachbarn fragen, weiß ich echt nicht, was ich noch machen soll. Von daher finde ich gerade in dem Fall die Voraussetzungen schon mehr als hoch, um nicht zu sagen aussichtslos.

    Wer Schmetterlinge Lachen hört, der weiß wie Wolken schmecken.
    Carlo Karges

  • Du kannst ja mal den Versuch starten und bei den Sozialbehörden anfragen unter Beifügen einer Kopie der Verfügung des Gerichts, in der Euch das auferlegt wird. Wenn die Sozialbehörde dann wegen Datenschutz keine Auskunft erteilt, würde ich die Antwort ans Gericht weiterleiten. Wenn Ihr als Anwaltskanzlei eine solche Anfrage startet, hat das vielleicht mehr Aussicht auf Erfolg, als wenn Euer Mandant das selbst macht (ich kenne allerdings die Datenschutzvorschriften dazu nicht).

    Ich stelle z. T. auch strenge Anforderungen an die Bewilligung der öff. Zustellung (wenn sie nicht schon in der Hauptsache vom Richter bewilligt ist, denn dann hänge ich mich da dran).


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    Alles hat einmal ein Ende.

    Sogar der Montag! :S

  • In der Tat stellt die Rechtsprechung recht hohe Anforderungen an die Voraussetzungen einer ö.Z. Ich habe z.B. Entscheidungen des BGH und der OLG Karlsruhe und Frankfurt vorliegen, die schon einiges abverlangen. Insbesondere das OLG Frankfurt ist da recht gnadenlos: Der Beantragende muss alles nur irgendwie Mögliche versucht und und die Wege geleitet haben, was er auch tun würde, gäbe es die ö.Z. nicht. Ich halte das für überspannt, aber eine einheitliche Linie lässt sich - siehe auch AndreasH - leider nicht feststellen. Gerät man daher an ein "Hardliner"-Gericht, muss das wohl hingenommen werden. Unbestritten dürfte sein, dass die ö.Z. erst als wirklich allerletzte Möglichkeit in Betracht kommen darf und soll.

  • Zitat

    Der Beantragende muss alles nur irgendwie Mögliche versucht und und die Wege geleitet haben, was er auch tun würde, gäbe es die ö.Z. nicht.

    Das haben wir ja gemacht, finde ich jedenfalls. Es kann doch von einem Gläubiger oder zukünftigen Gläubiger nicht verlangt werden, daß er zu dem Geld, das er schon verloren hat, noch zig Tausend Euro investiert um z.B. eine Detektei zu beauftragen, um dann von denen sicher auch nichts anderes zu erfahren.

    Ich finde schon, daß da Abgrenzungen erfolgen müßten zwischen Fällen, bei denen schon einiges an Recherche dargelegt wurde oder auf andere Umstände hingewiesen wurde oder ob einer dreist den Antrag einfach mit lediglich einer EMA stellt.

    Ich versuche derzeit den ehemaligen Bewährungshelfer ausfindig zu machen, vielleicht ergibt sich da noch was. Ansonsten würde ich den von Online gemachten Vorschlag probieren, mit dem Schreiben des Gerichtes die Sozialbehörden anzuschreiben. Entweder die äußern sich, was ich nicht glaube oder sie verweisen auf Datenschutz pp. dann lege ich das dem Gericht vor.

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    Carlo Karges

  • Wieso eine Behörde Auskünfte erteilen sollte, weil der Anfragende ein Schreiben eines Gerichts vorlegt, dass er bei der Behörde anfragen soll, erschließt sich mir nicht.

    Sozialdatenschutz ist in §§ 67 ff SGB X geregelt. Nachforschungen eines Klägers zum Zwecke einer Zustellung kann ich dort nicht entdecken.

  • Mir auch nicht, wie ich in meinem ersten Beitrag schon ausgedrückt habe. Wenn das Gericht der Meinung ist, warum auch immer, mache ich diese sinnlose Anfrage eben. Mir ist schon klar, daß da nichts kommen kann bzw. nichts kommen darf.

    Das Gericht schreibt ja auch:

    "Wenn der Gesuchte sich nach unbekannt abmeldet, heißt das noch nicht, daß er keinen Aufenthaltsort hat."

    wie das geht, weiß sicher auch nur der Verfasser des Schreibens selber, ich jedenfalls nicht. Schon allein wegen dieser beiden Aussagen und Ermittlungsanregungen, empfinde ich es als reine Schikane, die öffentliche Zustellung nicht zuzulassen.

    Auch das Argument Angehörige zu befragen, sehe ich als Schikane an. Welche Behörde wird mir wohl mitteilen, wer z.B. Vater oder Mutter des Schuldners sind? Und wo fange ich an zu suchen?

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    Carlo Karges

  • Na, das wäre wohl auch zu viel verlangt. Vor allem, weil die Angehörigen Eurem Mandanten gegenüber ja auch nicht auskunftspflichtig sind. Wenn zufällig ein Angehöriger bei Eurem Mandanten arbeiten würde - aber dann hätte er den längst gefragt.
    Hört sich alles ziemlich nach formularmäßiger Auflage an, wo auch immer derjenige, der die Verfügung erlassen hat, das Formular auch herhaben mag.
    Ich habe früher (z. Zt. habe ich mit öff. ZU nichts zu tun) bei Räumungssachen (bzw der anschließenden Kostenfestsetzung) dem klagenden Vermieter auferlegt, sich beim Hausmeister oder evtl. bei Nachbarn zu erkundigen, ob ihnen etwas über den Verbleib des Beklagten bekannt ist.
    Das bei Dir scheint mir schon etwas hoch gegriffen, vielleicht hängt es auch mit der Summe zusammen, um die es im Rechtsstreit geht. Immerhin geht es ja um einen Angestellten, der sich der Unterschlagung schuldig gemacht hat, er ist deshalb ja auch verurteilt worden. Du schreibst von einem ehemaligen Bewährungshelfer, die Bewährungsfrist ist also schon rum? Also kein Grund mehr für die StA, ihn derzeit - zumindest wegen dieses Vergehens - zu suchen?


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  • Mir wurde gesagt, es würde einen "ehemaligen" Bewährungshelfer geben. Kann ja sein, daß er schon öfter auf Bewährung war, keine Ahnung. Ich soll morgen wieder anrufen, dann hat man wohl die Akte. Hausmeister fragen ginge ja auch nicht. Wie gesagt, war der Schuldner bei einem Promi "untergekrochen", von dessen Anschrift er aber dann von Amts wegen abgemeldet wurde, was immer da auch passiert ist. Ich gehe davon aus, daß die Verurteilung zu Streit geführt hat.

    Der Wert der Forderung dürfte doch eigentlich auch keine Rolle spielen, aber wir sind bei ca. 10.000 €, was einen kleine Firma schon an den Rand des Ruins bringen kann, vom Imageschaden mal abgesehen.

    Danke BREamter, wenn ich Antwort auf die sinnlosen Schreiben erhalten und dem Gericht vorgelegt habe und wenn der Antrag dann immer noch nicht durch geht, dann werde ich mich mit deinem Gedanken mal auseinandersetzen.

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    Carlo Karges

  • Das Beispiel mit dem Hausmeister bezog sich ja auch auf einen anderen Sachverhalt. Ich habe bei meinen Auflagen zur öffentlichen Zustellung immer versucht, mich daran zu orientieren, was dem jeweiligen Verfahrensgegner an Ermittlungen denn möglich ist. Deshalb meinte ich, dass der Vermieter problemlos den Hausmeister befragen kann. Bei Dir geht es ja aber um einen anderen Sachverhalt.


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  • Also wiegesagt die Voraussetzungen sind sehr stzreng (ultimo ratio des Zustellungsrechts).
    Hast du mal in den ZPO Kommentar geschaut?
    Da wird gefordert: Nachforschungen beim letzten bekannten Vermieter, bei Hausgenossen, Nachbarn und Arbeitgeber, Sozialamt und Amt für Obdachlosenwesen, bei Ausländern auch beim Bundesverwaltungsamt.
    Dein gericht hält sich also nur an die gängigen Standarts, Schikane ist da keine.

    Beamter:
    Das mit Befangenheitsantrag halte ich für übertrieben.
    Warum nicht gleich noch ne DAB hinterher und Beschwerde bei EMRK? :confused:
    henry

  • Der BGH hat 2012 festgestellt, dass im Erkenntnisverfahren in aller Regel eine EMA- und Postanfrage nicht reicht. Wenn dem Gericht jedoch mitgeteilt wurde, welche zusätzlichen Maßnahmen noch durchgeführt wurden, die alle erfolglos waren, dann sehe ich keinen Grund für eine Verweigerung der ö.Z.
    Im Zweifel daher eine rechtsmittelfähige Entscheidung fordern und dann ab in die Vollen. Man kann es gerichtlicherseits auch übertreiben. Die vom OLG Frankfurt geforderten Bedingungen sind wie auch einige Kommentarstellen eine Aufzählung möglicher Wege, die beileibe nicht alle neben- oder hintereinander durchzuführen sind. Als Standard kann man das daher gerade nicht bezeichnen.

  • Wenn du gelesen hättest, was ich geschrieben habe, Henry, wüßtest du, daß es keinen ehemaligen Vermieter gibt, wir den letzten Arbeitgeber vertreten, der Mandant bei KK und RV schon eine Anfrage gemacht hat, ich als noch eine Möglichkeit die Befragung von Nachbarn in Betracht gezogen habe (auch wenn der letzte Aufenthaltsort 300 km entfernt ist) und das Gericht in meinen Augen - man verzeihe mir den Ausdruck - mit dem Satz ""Wenn der Gesuchte sich nach unbekannt abmeldet, .... " Blödsinn geschrieben hat.

    Vielen Dank an alle zunächst, sobald ich weiter bin in der Sache, kann ich gerne berichten.

    Warum das Verfahren allerdings von Gericht zu Gericht unterschiedlich ist, verstehe ich immer noch nicht.

    Wer Schmetterlinge Lachen hört, der weiß wie Wolken schmecken.
    Carlo Karges

  • Das Verfahren wohl eher weniger, aber die Anforderungen werden unterschiedlich gewichtet. Da es keine einheitlichen Standards dafür gibt, bleibt nur zu hoffen, dass die Gerichte es nicht übertreiben oder durch die Obergerichte in die Schranken gewiesen werden.

  • Wenn du gelesen hättest, was ich geschrieben habe, Henry, wüßtest du, daß es keinen ehemaligen Vermieter gibt, wir den letzten Arbeitgeber vertreten, der Mandant bei KK und RV schon eine Anfrage gemacht hat, ich als noch eine Möglichkeit die Befragung von Nachbarn in Betracht gezogen habe (auch wenn der letzte Aufenthaltsort 300 km entfernt ist) und das Gericht in meinen Augen - man verzeihe mir den Ausdruck - mit dem Satz ""Wenn der Gesuchte sich nach unbekannt abmeldet, .... " Blödsinn geschrieben hat.

    Vielen Dank an alle zunächst, sobald ich weiter bin in der Sache, kann ich gerne berichten.

    Warum das Verfahren allerdings von Gericht zu Gericht unterschiedlich ist, verstehe ich immer noch nicht.

    Zum letzten Punkt nochmal: Weil unterschiedliche Gerichte unterschiedlicher Meinung sind, was zumutbare Nachforschungen sind. Der Gesetzgeber hat hier von der Festlegung bestimmter Anforderungen abgesehen, damit ist die "Spielwiese" (leider) eröffnet.

    Zur Auskunft des Gerichts über "unbekannt abmelden": Es ist in der Tat möglich, sich so abzumelden. Man kann dies durch entsprechende Angaben über einen noch nicht bestehenden neuen Wohnsitz so steuern. Wenn man trotzdem einen festen Wohnsitz (und damit einen zustellungsfähigen Aufenthaltsort) hat, dann könnte das eine OWi nach dem Meldegesetz sein. Aber das hilft eben nicht weiter. Weil die Manipulationsmöglichkeiten beim Meldewesen so groß sind, besteht bei aller Unterschiedlichkeit der Rechtsauffassungen in diesem Punkt eben Einigkeit darüber, dass eine bloße EMA-Anfrage nicht ausreicht.

    Und nun zum Hauptpunkt: Nach dem, was Ihr mittlerweile so alles abgeklappert habt, würde ich wohl zur Zulassung der öffentlichen Zustellung kommen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

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