Mündelsicherheit vs. Inflationsrate

  • Hallo liebe Kolleginnen und Kollegen,

    habe keinen konkreten Fall, aber dachte ich mache mal einen allgemeinen Thread zum im Betreff genannten Thema auf.

    Uns Allen dürfte bekannt sein, dass seit Jahren eine allgemeine Niedrigzinsphase an den Kapitalmärkten herrscht.
    Für festverzinsliche mündelsichere Anlagen gibt es momentan Zinsen zwischen 0,3 und 0,8 %. Wenn es gut läuft auch mal 1,0 %.

    Gleichzeitig ist die Prognose der Infaltionsrate in der BRD für das Jahr 2014 bei 1,0 %.

    Ich verstehe jeden Betreuer, der mit dem Argument kommt, dass bei einener mündelsicheren festverzinslichen Anlage mit so wenig Zinsen und der aktuellen Inflastionsrate, sogar Geld "kaputt gemacht" wird.

    Nun stehen wir aber vor dem Dilemma, dass der Grundsatz der mündelsicheren Anlage zunächt zu beachten ist.

    Sicherlich hat der Gesetzgeber durch § 1811 BGB die Möglichkeit einer andersartigen Anlage geschaffen.
    Dies sollte meiner Ansicht nach jedoch die Ausnahme und nicht die Regel sein.
    Um es konkret zu formulieren: Verzwickte Situation :gruebel:

    Nun also meine Frage bzw. der Aufruf zur Debatte:
    Wie handhabt Ihr das an euren Gerichten ? Wäre über Input diesbezüglich dankbar, da vermehrt die Fragen der Betreuer diesbezüglich auftauchen und gestellt werden.

    Grüße :)

  • Mündelsicherer geht vor Ertrag.

    nur wenn genügend mündelsicheres Vermögen vorhanden ist, mach ich mir Gedanken über die sog. "andersartigen Anlagen".

    der Betreuer muss genau darlegen, wieso und wieviel in diese Anlageformen fließen soll. Die Art der Anlage lasse ich auf ihre Sicherheit, ggf. durch einen Verfahrenspfleger mit entsprechenden Kenntnissen oder durch Gutachten abklären.

    Die meisten Betreuer ziehen nach Kenntnis des Verfahrensablaufs und der damit verbundenen Kosten von der andersartigen Anlage zurück.

    grundsätzlich ist zu Bedebken: nur Risiko bringt Zins, Siehe z.B. Prokon, Windreich, ...

  • Ab aufs Tagesgeldkonto mit dem ganzen Geld, die meisten Anlageformen sind im Zuge der anhaltenden Finanzmarktkrise zu risikoreich. Lieber einen geringen, kalkulierten Verlust (wobei ich behaupten würde, dass es kein Verlust ist..) und damit erspart man sich später ein Menge Ärger mit den ganzen Geldanlagen. Wenn der Betroffenen noch 1% bekommt, sieht das doch gar nicht mal schlecht aus :)

  • Mündelsicherer geht vor Ertrag.

    Soweit bin ich auch bei dir Polarlys.

    Wenn doch aber die Inflationsrate den Zins der mündelsicheren Anlage übersteigt, habe ich keinen Ertrag, keine Sicherheit sondern faktisch Verlust. Oder hab ich da nen Denkfehler ? Wenn ich da völlig aufm Holzweg bin, bitte ich um Hinweis

  • Wie Polarlys und Hi2u. :daumenrau

    Bereits bestehende Depots (also solche, die der Betreuer zu Beginn der Betreuung übernommen hat) dürfen bei mir aber bestehen bleiben - Stichwort Wille des Betroffenen.


    Edit zu #4: Wenn die Aktienkurse sinken hast Du auch faktisch einen Verlust...

    * Was schert´s die Eiche, wenn das Schwein sich an ihr reibt! *

  • §§ 1908i, 1806, 1807 BGB:

    "...ist verzinslich anzulegen..." (von rentabel ist da nicht die Rede!)
    "...soll nur..." (=ist)

    § 1811: "...kann auch..." = muss nicht, soll nicht, darf nicht, nur ganz ausnahmsweise!

    § 1811 hat aber auch noch den Satz 2:

    "soll nur verweigert werden, wenn..."

    Ist weder verzwickt noch ein Dilemma, sondern ist halt einfach so.

    Der Betreuer muss sich was überlegen! Er muss einen Antrag stellen, der dann konkret geprüft wird.

    Den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung zuwiderlaufen würde m.E. eine Anlage von mehr als 1/3 oder 1/4 des Gesamtvermögens (muss man im Einzelfall schauen) in Anlageformen, die grundsätzlich das Risiko eines Totalverlustes bergen.

  • Wie Polarlys und Hi2u. :daumenrau

    Bereits bestehende Depots (also solche, die der Betreuer zu Beginn der Betreuung übernommen hat) dürfen bei mir aber bestehen bleiben - Stichwort Wille des Betroffenen.

    Aber Achtung:

    Der Betreuer hat nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden, ob eine Umwandlung notwendig ist oder nicht. Die Schadensersatzpflicht bei pflichtwidrigen Handeln aus § 1833 BGB trifft den Betreuer auch hier, vgl. BGB-RGRK/Dickescheid § 1807 Rdnr. 3 (allg.)

  • hierzu ein interessanter Exkurs im Rpfleger 1997, 281 und Rpfleger 2002, 389 zu einer Zeit, in der die Fragen der Zinserträge bei mündelsicheren Anlagen sich ebenso auf dem Niveau unter der Inflationsrate befanden.


    Ohne die Aufsätze gelesen zu haben, ist mir unklar, mit welchen mündelsicheren Anlagen die damalige Inflation verglichen wurde.

    Nach den von mir gefundenen Daten lag die Inflation in D 1997 bei 1,5 % und 2002 bei 1,4 % (im Vergleich 2013 1,6 %).

    Im Gegensatz zur aktuellen Zeit waren meiner Erinnerung nach damals die gebotenen Zinssätze zumindest für Festanlagen (mindestens ein Jahr) wesentlich höher.

  • Wie Polarlys und Hi2u. :daumenrau

    Bereits bestehende Depots (also solche, die der Betreuer zu Beginn der Betreuung übernommen hat) dürfen bei mir aber bestehen bleiben - Stichwort Wille des Betroffenen.

    Aber Achtung:

    Der Betreuer hat nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden, ob eine Umwandlung notwendig ist oder nicht. Die Schadensersatzpflicht bei pflichtwidrigen Handeln aus § 1833 BGB trifft den Betreuer auch hier, vgl. BGB-RGRK/Dickescheid § 1807 Rdnr. 3 (allg.)

    Wie Du richtig sagst:

    Der Betreuer entscheidet, ob das Depot umgewandelt wird.

    Wenn er sich aber zu einem Umwandlung entscheidet, landet er grundsätzlich in der Mündelsicherheit. Eine andersartige Anlage muss genehmigt und daher entsprechend durch das Gericht geprüft werden.

    Manch ein Betreuer wird dann eher beim bestehenden Depot bleiben, wenn er kein Aussicht auf Genehmigung einer andersartigen Anlage hat.

    Tip:
    Hatte schon mehrfach solche "Geschichten". Habe mir dann stets mit einem (ich weiß: kostenpflichtigen) Gegenbetreuer helfen können. M.E. liegen die Voraussetzungen für eine Gegenbetreuung (Vermögensverwaltung mit Schwierigkeiten) und die Voraussetzungen für die Genehmigung einer andersartigen Anlage (gewisses Mindestvermögen erforderlich) fast auf gleicher Höhe. Mein Gegenbetreuer war dann mit Bankwissen gesegnet. War m.E. eine gute Lösung. Sowohl für den Betreuer (hatte "Kontrolleur" mit Fachwissen), den Betroffenen (Anlage war insgesamt ok) und für das Betreuungsgericht (:)).

  • Ja so kann man sich natürlich auch um eine Entscheidung drücken ;)

    Konsequenterweise, müsste die Gegenbetreuung dann aber der Regelfall (vom Gesetzgeber grdsl. ja auch als Regelfall vorgesehen) bei jeder Betreuung mit Vermögen sein.
    Ist mir aber nur vereinzelt bekannt, dass grdsl. Gegenbetreuung angeordnet wird.

  • Ja so kann man sich natürlich auch um eine Entscheidung drücken ;)

    Konsequenterweise, müsste die Gegenbetreuung dann aber der Regelfall (vom Gesetzgeber grdsl. ja auch als Regelfall vorgesehen) bei jeder Betreuung mit Vermögen sein.
    Ist mir aber nur vereinzelt bekannt, dass grdsl. Gegenbetreuung angeordnet wird.

    Hat mit 'drücken' nichts zu tun. Denn nicht injedem Fall ist die Genemigung des Gegenbetreuers die Regel und die Ersatzgenemigung durch das Gericht die Ausnahme.

    Ich hab aber schon mal ohne Gegenbetreuer versucht, regelmäßige Aktienumschichtingen - solche sind bei andersartigen Anlagen oft die regelmäßige Folge- mit betreuungsgerichtlichen Genehmigungen hinzukriegen. Zwei Wochen Beschwerdefrist machen wegen davonlaufenden Aktienkursen alles zu Nichte. Meine Unkenntnis über die vielen Aktien der Welt ganz zu schweigen. Folge: Gutachten.

    Jetzt mit Gegenbeteuung: Hakuna Matata.

    Deshalb mein Wohlwollen für die Gegenbetreuung.

  • Das Problem kurzfristiger Reaktion kann ich nachvollziehen. Ich frage mich allerdings, wie es zu "regelmäßigen Umschichtungen" kommt.

    Eigentlich soll man bei "Aktien als Anlage" gute Aktien kaufen und diese für mehrere Jahre im Depot liegen lassen, ohne lange hinzuschauen und so nicht in Gefahr zu geraten, zu schnelle Geschäfte zu machen. Nur bei mehrjähriger Haltezeit (genannt werden hier >5 Jahre) soll der langfristige Aktientrend durchschlagen, der eben von vielen kurzfristigen Schwankungen überlagert wird.

    Nur wenn man Aktien ganz bewusst zum Spekulieren anschafft, dann muss man ständig umschichten und versuchen, auch kurzfristige Gewinnentwicklungen mitzunehmen, weil man ja gegen die anderen Marktteilnehmer und gegen die Gebührenbelastung bei ständigen An- und Verkäufen spielt.

    Das Vermögen des Betreuten würde ich aber spontan der Kategorie "Aktien als Anlage" und nicht "Aktien als Spekulation" zuordnen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Das Problem kurzfristiger Reaktion kann ich nachvollziehen. Ich frage mich allerdings, wie es zu "regelmäßigen Umschichtungen" kommt.

    Eigentlich soll man bei "Aktien als Anlage" gute Aktien kaufen und diese für mehrere Jahre im Depot liegen lassen, ohne lange hinzuschauen und so nicht in Gefahr zu geraten, zu schnelle Geschäfte zu machen. Nur bei mehrjähriger Haltezeit (genannt werden hier >5 Jahre) soll der langfristige Aktientrend durchschlagen, der eben von vielen kurzfristigen Schwankungen überlagert wird.

    Nur wenn man Aktien ganz bewusst zum Spekulieren anschafft, dann muss man ständig umschichten und versuchen, auch kurzfristige Gewinnentwicklungen mitzunehmen, weil man ja gegen die anderen Marktteilnehmer und gegen die Gebührenbelastung bei ständigen An- und Verkäufen spielt.

    Das Vermögen des Betreuten würde ich aber spontan der Kategorie "Aktien als Anlage" und nicht "Aktien als Spekulation" zuordnen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Ab einer gewissen Vermögensgröße kommen manchmal die Vermögensbetreuungsabteilungen der Großbanken ins Boot, die man nicht immer verhindern kann. Auch nicht bei bestellten Betreuern. Die lassen dann die Sache im Zweifel so weiterlaufen, weil sie eine Auflösung der Depots wegen evtl. damit verbundener Haftungsrisiken scheuen. Und die Kommentierungen sind hier eindeutig. Habe ich damals abgeprüft. So kommt man zu Vermögensanlagen, bei denen Umschichtungen halt vorgesehen sind. Veräußerung von Titeln mit Genehmigung des Gegenbetreuers und allgemeiner Ermächtigung zum Erwerb von Titeln aus bestimmten Bereichen, z.B. DAX, EuroStoxx, ...

    Wenn der Betreuer entsprechende Anträge stellt (oft mit Hinweis, welche Gerichte bereits entsprechende Genehmigungen erteilt haben) kommt man auch nach Prüfung der Sach- und Rechtslage sehr schnell zum Ergebnis, dass eine Ablehnung der Genehmigung von der Obergerichten eher keine lange Halbwertszeit hat.

  • Rein interessehalber gefragt, ich war und bin damit nicht befasst:

    Was bringt denn ein Gegenbetreuer, Sachverständiger, Verfahrenspfleger etc., auch wenn er sich mit Geldanlagen auskennt? Seine Aussagen sind doch (für meine Begriffe) auch nur Ergebnisvorhersagen mit ungewisser Eintrittswahrscheinlichkeit. :gruebel:

  • Rein interessehalber gefragt, ich war und bin damit nicht befasst:

    Was bringt denn ein Gegenbetreuer, Sachverständiger, Verfahrenspfleger etc., auch wenn er sich mit Geldanlagen auskennt? Seine Aussagen sind doch (für meine Begriffe) auch nur Ergebnisvorhersagen mit ungewisser Eintrittswahrscheinlichkeit. :gruebel:

    Nu ; er bringt ers ma Arbeitserleichterung, da einige Genehmigungsvorschriften dann über den Gegenbetreuer laufen und nicht ( mehr ) übers Gericht.

  • Rein interessehalber gefragt, ich war und bin damit nicht befasst:

    Was bringt denn ein Gegenbetreuer, Sachverständiger, Verfahrenspfleger etc., auch wenn er sich mit Geldanlagen auskennt? Seine Aussagen sind doch (für meine Begriffe) auch nur Ergebnisvorhersagen mit ungewisser Eintrittswahrscheinlichkeit. :gruebel:

    Nu ; er bringt ers ma Arbeitserleichterung, da einige Genehmigungsvorschriften dann über den Gegenbetreuer laufen und nicht ( mehr ) übers Gericht.

    Schlußendlich hast aber über § 1837 BGB auch eine Aufsichtsfunktion. Wie handhabst du es denn, wenn du z.B bei der RL feststellst, dass gewisse Genehmigungsvorschriften falsch ausgelegt worden sind von Betreuer und Gegenbetreuer oder gar nicht beachtet worden sind ? Dann hast du doch auch wieder "Mehrarbeit".

  • Auch der Gegenbetreuer wird selbstverständlich verpflichtet.

    §§ 1908i, 1792 Abs. 2, 1. HS BGB macht die Gegenbetreuung erstmal zum gesetzlichen Regelfall.
    Praktisch sieht es allerdings so aus, dass mehr Ausnahmen als Regeln vorliegen.

    Die Hauptarbeitserleicherung bringt die Gegenbetreuung bei §§ 1812, 1810 BGB;

    § 1811 BGB ist immer Gerichtsentscheidung.


    Dann hat der Gegenvormund schon mal die Abrechnung gem. § 1842 BGB zu prüfen.

    Unabhängig von der Prüfungspflicht des Gerichts gem. § 1843 BGB, die einem trotz Gegenbetreuer bleibt.


    Natürlich kann man verhindern, dass sich die Banken oder Abteilungen von Banken einmischen, da nimmt man sich den Betreuer mal zur Brust und klärt die Bank mal über ihre Beteiligtenstellung im Betreuungsverfahren auf.
    Wenn die Leute allerdings seriös arbeiten und keine Probleme machen und der Betreuer vernünftig arbeitet, gibt es allerdings schon die Möglichkeit einen Vermögensverwaltungsvertrag über eine bestimmte Summe und mit bestimmter Laufzeit als andere Art der Anlegung zu genehmigen, das muss man den Leuten aber nicht von sich aus auf die Nase binden. ;)

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