Zurückweisung Löschungsantrag wegen begründeter Zweifel?

  • Schönen guten Morgen!

    Ich darf Euch mal kurz meinen Sachverhalt schildern:

    Am 13.08.2013 verkauft eine 44 jährige Frau Ihr Grundeigentum (Haus selbst bewohnt) an einen ortsbekannten Immobilienmakler.

    Im notariellen Kaufvertrag wird u.a. die Einräumung eines auf 20 Jahre befristeten Wohnrechtes bewilligt, welches mit Eigentumsumschreibung eingetragen wird. Umschreibung erfolgte am 13.11.2013.


    Mit Löschungsantrag betr. das Wohnrecht vom 28.07.2014 wird die Löschungsbewilligung der Berechtigten vom 24.01.2014, unterschriftsbeglaubigt vom Ortsgericht, zur Akte eingereicht.

    Soweit hört sich das ja alles normal an.
    Am 25.03.2014 wurde für die 44jährige Verkäuferin eine vorläufige Betreuung eingerichtet, u.a. mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge, Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten, Postvollmacht.
    Grundlage der Anordnung ist das ärztliche Zeugnis vom 04.02.2014.

    Nach Rücksprache mit dem Betreuer teilt dieser mit, dass sich die Verkäuferin nicht bewußt war, dass sie in die Löschung ihres Wohnrechtes eingewilligt habe. Sie dachte bzw. ihr wurde gesagt, es ginge um die Löschung eines Wohnrechtes, welches ihre Großmutter betreffe.
    Ein Wertersatz wird/wurde nicht gezahlt. Das Wohnrecht wurde mit 120.000 EUR bewertet.

    Da ich den Eindruck habe, dass die Verkäuferin gar nicht weiß, was sie da getan hat - kann ich den Löschungsantrag zurückweisen? Denn wenn`s erstmal gelöscht ist, ist das Recht pfutsch und die Frau verliert ihren Wohnraum.

    Der Betreuer bedient sich jetzt eines Anwaltes - evtl. Anfechtung der Löschungsbewilligung. Ich hoffe, die lassen sich was einfallen. Nur mir sitzt der Notar im Nacken.

    Bin für ein paar Gedanken zu diesem Thema dankbar.

  • Was ist bitte das Ortsgericht?

    Eine Spezialität des Landes Hessen. Nach § 13 Ortsgerichtsgesetz kann der Vorsteher Unterschriften öffentlich beglaubigen.
    Das verstößt nicht gegen das Grundgesetz, BVerfG, 1 BvR 580/53

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

    2 Mal editiert, zuletzt von tom (10. November 2014 um 12:57) aus folgendem Grund: BVerfG Entscheidung eingefügt

  • Das Ortsgericht darf in Hessen, neben den Notaren, Unterschriften öffentlich beglaubigen. Kostet pro Unterschrift nur 6 EUR.
    In unserem Ort ist der Ortsgerichtsvorsteher ein angesehener alteingesessener Bauer.
    Er macht Unterschriftsbeglaubigungen und füllt die Sterbefallsanzeigen aus.

  • ...
    Am 25.03.2014 wurde für die 44jährige Verkäuferin eine vorläufige Betreuung eingerichtet, u.a. mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge, Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten, Postvollmacht.
    Grundlage der Anordnung ist das ärztliche Zeugnis vom 04.02.2014.
    ...
    Da ich den Eindruck habe, dass die Verkäuferin gar nicht weiß, was sie da getan hat - kann ich den Löschungsantrag zurückweisen? Denn wenn`s erstmal gelöscht ist, ist das Recht pfutsch und die Frau verliert ihren Wohnraum...

    Da Du die Überschrift mit dem Zusatz "wegen begründeter Zweifel" versehen hast, vermute ich mal, dass es sich dabei um Deine (ernsthaften) Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Bewilligenden zum Zeitpunkt der Abgabe der GB-erklärung handelt. Wird denn zur Geschäftsfähigkeit etwas vorgetragen oder ergeben diese Zweifel aus dem ärztlichen Gutachten vom 04.02.2014 ?

    Dann kannst Du dem von Amts wegen nachgehen, s. hier:

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post552040

    oder z. B. OLG München 34. Zivilsenat, Beschluss vom 07.11.2011, 34 Wx 400/11.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Vielen Dank für Deine Antwort!
    Das hilft mir sehr!

    Seitens des Betreuers wurde vorgetragen, dass die Betroffenene/Berechtigte des Wohnrechts die Tragweite nicht überblickt hat. Auch deutet die Löschung ohne Wertersatz darauf hin (denn wer läßt schon 120.000 EUR links liegen, zumal wenn man das Geld dringend braucht) - vorallem da die Betroffene nicht die Absicht hatte, aus ihrem Haus auszuziehen.

    Der Notar trägt vor, dass sich das Ortsgericht von der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen/Berechtigten überzeugt hätte. Das ist aber so nicht richtig! Das Ortsgericht beglaubigt nur die Richtigkeit der Unterschrift.

    Ich werde ein Gutachten anfordern!

  • Der Notar trägt vor, dass sich das Ortsgericht von der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen/Berechtigten überzeugt hätte. Das ist aber so nicht richtig! Das Ortsgericht beglaubigt nur die Richtigkeit der Unterschrift.


    Da das BeurkG anwendbar ist (§ 1 Abs. 2 BeurkG), hätte das Ortsgericht bei Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit diese vermerken müssen, auch bei Unterschriftsbeglaubigungen.

    Seitens des Betreuers wurde vorgetragen, dass die Betroffenene/Berechtigte des Wohnrechts die Tragweite nicht überblickt hat. Auch deutet die Löschung ohne Wertersatz darauf hin (denn wer läßt schon 120.000 EUR links liegen, zumal wenn man das Geld dringend braucht) - vorallem da die Betroffene nicht die Absicht hatte, aus ihrem Haus auszuziehen.


    Die unentgeltliche Verfügung mag der Betreuer anfechten...

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  • ..
    Da das BeurkG anwendbar ist (§ 1 Abs. 2 BeurkG), hätte das Ortsgericht bei Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit diese vermerken müssen, auch bei Unterschriftsbeglaubigungen.....

    Das scheint mir so nicht richtig zu sein. Für die Beglaubigung einer Unterschrift durch den hierzu befugten Vorsteher eines (hessischen) Ortsgerichts gilt gemäß BeurkG § 1 Abs 2 die Vorschrift des BeurkG § 40 entsprechend (OLG Frankfurt 20. Zivilsenat, Beschluss vom 05.07.1995, 20 W 263/95).

    In § 40 BeurkG ist jedoch nicht auf § 11 BeurkG verwiesen. Nach § 11 Absatz 1 Satz 2 soll der Notar Zweifel an der erforderlichen Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten in der Niederschrift feststellen. Das setzt also eine Beurkundung voraus. Hertel führt im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 129 RN 80 aus:

    „c) Keine Prüfung der Geschäftsfähigkeit

    80Anders als bei der Beurkundung durch Niederschrift (§ 11 BeurkG) muss sich der Notar bei der Unterschriftsbeglaubigung nicht von der erforderlichen Geschäftsfähigkeit der Beteiligten überzeugen (§ 40 Abs 2 BeurkG). Stellt der Notar aber positiv fest, dass einem Beteiligten die erforderliche Geschäftsfähigkeit fehlt, so hat er die Unterschriftsbeglaubigung nach § 40 Abs 2 BeurkG abzulehnen.“

    Eine Verpflichtung für den Ortsgerichtsvorsteher, sich von der Geschäftsfähigkeit desjenigen, dessen Unterschrift er beglaubigt, überzeugen zu müssen, und Zweifel hierüber in dem Beglaubigungsvermerk festzuhalten, kann ich daher nicht erkennen.

    Zum Ortsgerichtsvorsteher führt das OLG Ffm, aaO, aus: „Die Bestimmung des § 25 BeurkG ist hier entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 1) und 2) nicht einschlägig, weil sie nur auf Beurkundungen anwendbar ist.“

    Das Gleiche muss dann auch für § 11 BeurkG gelten.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Stellt der Notar aber positiv fest, dass einem Beteiligten die erforderliche Geschäftsfähigkeit fehlt, so hat er die Unterschriftsbeglaubigung nach § 40 Abs 2 BeurkG abzulehnen.“


    Na da steht's doch. Und wenn er die Beglaubigung nicht ablehnt, dann stand für ihn die Geschäftsunfähigkeit eben nicht positiv fest.

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  • Sorry, aber aus der zitierten Kommentarstelle ergibt sich mE für Deine Argumentation überhaupt nichts.

    Die positive Feststellung der Geschäftsunfähigkeit ist etwas anderes, als Zweifel an der Geschäftsfähigkeit zu haben. Stellt der Notar die Geschäftsunfähigkeit fest hat er nach § 40 II BeurkG seine Amtstätigkeit zu versagen. Das gilt auch dann, wenn seine Amtstätigkeit mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre, insbesondere wenn seine Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden (§ 14 II BNotO). In solchen Fällen gelangen die Urkunden mithin erst gar nicht zur Vorlage an das Grundbuchamt, d. h. das GBA hat auch keinen Anlass, Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit nachzugehen. Hat der Notar hingegen lediglich Zweifel an der Geschäftsfähigkeit, sind bei einer Beurkundung diese Zweifel in der Niederschrift zu vermerken (OLG Frankfurt 2. Senat für Notarsachen, Urteil vom 24.06.2014, 2 Not 1/13). Dass der Notar derartige Zweifel bei einer Unterschriftsbeglaubigung vermerkt, ist zwar wünschenswert, aber nicht vorgegeben. Deshalb kann aus dem Fehlen eines solchen Vermerks auch nicht der Rückschluss auf die (volle) Geschäftsfähigkeit desjenigen, dessen Unterschrift beglaubigt wurde, geschlossen werden.

    Vorliegend bietet allerdings der Sachvortrag dem GBA keinen Anlass, dem Antragsteller die Beibringung eines nervenfachärztlichen Gutachtens zur Frage der Geschäftsfähigkeit aufzugeben. Aus dem Sachverhalt ergibt sich nicht, dass die Betreute zum Zeitpunkt der Abgabe der GB-erklärung geschäftsunfähig gewesen sein könnte. Vorgetragen wurde lediglich ein Irrtum, der zur Anfechtung berechtigen mag. Ob nicht doch Ausgleichszahlungen für die Aufgabe des Rechts erfolgt sind, kann das GBA mangels Beweiserhebungsmöglichkeit nicht prüfen. Bloße Behauptungen der Beteiligten reichen dazu nicht aus. Erfolgt die Löschung, müsste ggf. im Wege der einstweiligen Verfügung ein Widerspruch erwirkt werden.

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    2 Mal editiert, zuletzt von Prinz (12. November 2014 um 18:10) aus folgendem Grund: Schreibfehler korr.

  • Vorliegend bietet allerdings der Sachvortrag dem GBA keinen Anlass, dem Antragsteller die Beibringung eines nervenfachärztlichen Gutachtens zur Frage der Geschäftsfähigkeit aufzugeben. Aus dem Sachverhalt ergibt sich nicht, dass die Betreute zum Zeitpunkt der Abgabe der GB-erklärung geschäftsunfähig gewesen sein könnte. Vorgetragen wurde lediglich ein Irrtum, der zur Anfechtung berechtigen mag. Ob nicht doch Ausgleichszahlungen für die Aufgabe des Rechts erfolgt sind, kann das GBA mangels Beweiserhebungsmöglichkeit nicht prüfen. Bloße Behauptungen der Beteiligten reichen dazu nicht aus. Erfolgt die Löschung, müsste ggf. im Wege der einstweiligen Verfügung ein Widerspruch erwirkt werden.


    Das meinte ich. Aus der Tatsache, dass die Unterschrift beglaubigt wurde, die Urkundsperson also nicht von einer Geschäftsunfähigkeit ausging, und dem hier vorgetragenen Sachverhalt kann man gerade nicht den Schluss ziehen, dass die Geschäftsfähigkeit nicht gegeben war. Es ist eine formwirksame Bewilligung eingereicht worden, und eine Anfechtung ist nicht erklärt.

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  • Kurze Rückmeldung:

    Ich hatte die Löschung des Wohnrechtes wegen Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Berechtigten abgelehnt und zur Ausräumung der Zweifel ein neurologisches Gutachten zur Untermauerung des Vortrags des Notars angefordert.

    Das OLG Frankfurt hat im Beschwerdeverfahren die Auffassung geteilt und die Beschwerde zurückgewiesen.

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