Abnahme VV nach § 284 AO durch den Gerichtsvollzieher

  • Hallo zusammen,

    hier mal ein Sachverhalt der sich bei einem Kollegen zugetragen hat. Er bat mich mal die Meinung des von mir immer so gelobten Forums einzuholen. :D

    Schuldner wird nach § 284 AO im Finanzamt vorgeladen und verweigert die Abgabe des VV. Kollege entscheidet eine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nicht vorzunehmen da hier noch Gespräche über Tilgungsmöglichkeiten laufen, aber das VV hätte er schon gerne. Haftbefehl wird beantragt und nach Erlass dem Gerichtsvollzieher zugeteilt.

    Gestern erfährt der Kollege, dass a) der GV das VV selbst abgenommen hat, obwohl Finanzamt, Schuldner und GV im selben Bezirk sitzen und b) dass der GV die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis veranlasst hat.

    Zu a) ist es wohl eindeutig so, dass der GV das nicht ohne weiteres darf. Zu b) stehe ich vollkommen auf dem Schlauch. Nach § 284 Abs. 9 AO ist die Eintragung eine Ermessensentscheidung der Vollstreckungsbehörde. Gibt es abseits davon Regelungen, die diese Entscheidung dem GV übertragen?

    Abseits aller Theorie, wie wird das - vor allem a) - bei anderen Gerichten so gehandhabt?

    Gruß
    Ash

  • Der GV kann die VAK abnehmen, wenn ihm weitere Aufträge zur Abnahme der VAK vorliegen, oder wenn beim Finanzamt noch niemand, oder niemand mehr zu erreichen ist.
    Die EAO bzgl. Ihres Auftrages hätte durch den GV nicht erfolgen dürfen.

  • Nun, der GV kennt es halt nicht anders, da er im Unterschied zu § 284 AO nach § 882c ZPO gerade kein Ermessen hat, ob er im Schuldnerverzeichnis einträgt oder nicht. Er hat das Amtshilfeersuchen an den GV als weisungsgebundenen Justizbeamten zu unrecht wie einen Vollstreckungsauftrag an das selbstständige Vollstreckungsorgan GV behandelt.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Der GV kennt es schon anders. Doch solange wir den genauen Sachverhalt nicht kennen, wissen wir nicht, ob der Kollegen sich falsch verhalten hat oder nicht.

  • Erst mal Danke für das Feedback bisher.

    Nach Rücksprache mit dem Kollegen hat sich der GV vorher nicht bei ihm gemeldet. Weitere Gläubiger "sollten" auch keine vorhanden sein. Der Schuldner ist eigentlich grundsolide, hier liegt lediglich ein Streit zwischen dem (ehemaligen) Arbeitgeber und dem Schuldner hinsichtlich der Lohnvereinbarung vor.

    Laut Aussage des GV wird das immer so gehandhabt und sei auch richtig so :eek:

    Da wird der Schuldner wohl beim Gericht Rechtsmittel gegen die Eintragung in das SV einlegen müssen. Wir sollten aus der Nummer raus sein.

  • Sehe ich genauso. Bei der Sachlage hätte der GV die Eintragung nicht machen dürfen. Rechtsbehelf und Amtshaftung trifft den GV, nicht euch.

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  • ... ich bin da noch ein wenig am schwanken.

    Wenn also nicht die Vollstreckungsbehörde sondern der GV die VA abnimmt (warum auch immer, zumindest theoretisch ja auch bei § 284 AO möglich) -> wie kann man dann rechtlich begründen das für den GV der § 882c ZPO dann nicht mehr gelten soll? :gruebel:

    Der GV selbst ist ja (auch in diesem Fall?) nicht Vollstreckungsbehörde, für ihn gilt ja nicht die AO sondern die ZPO, oder? :gruebel:


  • Wenn also nicht die Vollstreckungsbehörde sondern der GV die VA abnimmt (warum auch immer, zumindest theoretisch ja auch bei § 284 AO möglich) -> wie kann man dann rechtlich begründen das für den GV der § 882c ZPO dann nicht mehr gelten soll?

    Der GV selbst ist ja (auch in diesem Fall?) nicht Vollstreckungsbehörde, für ihn gilt ja nicht die AO sondern die ZPO, oder? :gruebel:

    Weil wir im Verfahren nach § 284 Abs. 8 AO sind. Danach wird der GV als Bediensteter der Justizverwaltung nur um Verhaftung des Schuldners im Wege der Amtshilfe ersucht. Wie Gentle in #2 schon schrieb, darf er in diesem Zusammenhang gem. § 284 Abs. 8 AO u. U. auch die VA selbst abnehmen. Auf § 882c ZPO wird in § 284 Abs. 8 AO nicht verwiesen. Er darf die Eintragung in das SchuV aufgrund des Amtshilfeersuchens des Finanzamts nicht anordnen. Das wäre allein Aufgabe der Vollstreckungsbehörde = Finanzamt.

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    Einmal editiert, zuletzt von Exec (13. November 2014 um 15:57)


  • Weil wir im Verfahren nach § 284 Abs. 8 AO sind. Danach wird der GV als Bediensteter der Justizverwaltung nur um Verhaftung des Schuldners im Wege der Amtshilfe ersucht.

    Naja, genau das ist ja der Punkt wo zumindest ich mir nicht so ganz sicher wäre.

    Aus einer Entscheidung des LG Limburg, Beschluß vom 29.06.1987 - 7 T 17/87:
    (zugegeben nicht mehr ganz taufrisch, aber vom allgemeinen Grundsatz hat sich da nicht so viel geändert)

    Zitat

    Nachdem der Vollstreckungsschuldner die eidesstattliche Versicherung vor dem zuständigen FinA nicht abgegeben hat, ist der Gläubiger gem. § AO § 284 AO § 284 Absatz VII AO verfahren und hat beim zuständigen AG um Haftanordnung ersucht. Damit war das Offenbarungsverfahren nach der Abgabenordnung in das allgemeine Offenbarungsverfahren nach der Zivilprozeßordnung übergeleitet und von diesem Zeitpunkt an mußten die damit befaßten ordentlichen Gerichte und das Vollstreckungsorgan nach den Vorschriften der ZPO prozedieren. Das verkennt der Gläubiger, wenn er meint, die Verweisung auf einzelne Bestimmungen des Offenbarungsverfahrens der ZPO in § ZPO § 284 ZPO § 284 Absatz VII 2 ZPOsei abschließend, die Organe der ordentlichen Justiz müßten deshalb im übrigen gemäß den Bestimmungen der Abgabenordnung vorgehen. Richtigerweise liegt es so, daß die Finanzbehörden mit dem oben erwähnten Übergang in das zivilprozessuale Verfahren genauso wie die sonstigen Vollstreckungsgläubiger gestellt sind, soweit ihnen das Gesetz nicht ausdrücklich eine Sonderstellung - etwa in Bezug auf das Vorliegen eines Vollstreckungstitels und einer vollstreckbaren Ausfertigung - gewährt. Damit aber gelten in dem hier in Betracht kommenden Verfahren vor allem auch die allgemeinen Vorschriften im ersten Abschnitt des achten Buches der Zivilprozeßordnung über die Zwangsvollstreckung, zu denen § ZPO § 754 ZPO gehört, auf den sich der Gerichtsvollzieher für seine Weigerung gerade beruft.

    aus dem könnte man durchaus entnehmen das sich der GV als Vollstreckungsorgan an die ZPO, und damit § 882c ZPO, halten muss.

  • Der damalige § 284 AO hatte noch nicht mal eine Regelung, die die Verhaftung durch den Gerichtsvollzieher vorsah. Durch die Verweise in § 284 Abs. 8 AO ist heute geklärt, inwieweit die ZPO hier gilt. Im Übrigen ist heute der gesetzliche Regelfall, dass der GV den Schuldner der Vollstreckungsbehörde vorführt und diese die VA abnimmt. Daher ist klargestellt, dass das Verwaltungsvollstreckungsverfahren mit der Anordnung des Haftbefehl nicht ins zivilrechtliche Vollstreckungsverfahren übergeleitet wird.

    In der Kommentarliteratur wird hingegen heute auf AG Hannover vom 09.05.1996, 759 M 44408/95 verwiesen.

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  • Schon weiter oben wurde ja auf die GVGA verwiesen. (Die Beachtung der dort niedergelegten Vorschriften gehört zu den Dienstpflichten des Gerichtsvollziehers.)
    In § 145 Abs. 3 gibt es den eindeutigen S. 6. Dieser lautet - für alle, die die GVGA gerade nicht zur Hand haben -: Über die Anordnung der Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis entscheidet die Vollstreckungsbehörde.

    Werbung ist der Versuch, das Denkvermögen des Menschen so lange außer Takt zu setzen, bis er genügend Geld ausgegeben hat. (Ambrose Bierce)

  • In der letzten Fachbesprechung kam das Thema auch auf. Die Rechtslage sei aber eindeutig.

    Die Ladung erfolgt durch das Finanzamt. Wenn der Schuldner nicht erscheint oder nicht abgibt oder oder oder kann das Finanzamt einen Haftbefehl erwirken.

    Aufgabe des Gerichtsvollziehers ist es dann den Haftbefehl zu vollziehen oder den Schuldner beim Finanzamt vorzuführen. Zur selbständigen Abnahme ist er nur dann befugt, wenn er beim Finanzamt niemanden erreicht, dem er den Schuldner vorführen kann (oder natürlich wenn das Finanzamt nicht im Zuständigkeitsbereich des Gerichtsvollziehers sitzt).

    Hat der Gerichtsvollzieher aber selbst noch Aufträge zur Abnahme der Vermögensauskunft, so darf er diese erledigen und dann von einer Verhaftung absehen, da ja bereits eine Vermögensauskunft vorliegt.


    Kurze Klugscheißerei noch. Es handelt sich hierbei um keine Amtshilfe. Amtshilfe hat als Voraussetzung, dass die ersuchende Behörde eine Aufgabe selbst ausführen dürfte. Das Finanzamt hat aber keine Befugnisse zur Verhaftung von Schuldnern, denn die Aufgabe ist in § 284 AO ausdrücklich dem Gerichtsvollzieher zu gewiesen. Der Gerichtsvollzieher handelt bei der Verhaftung also nicht in Amtshilfe sondern auf Grund eines eigenen Auftrages.


  • Kurze Klugscheißerei noch. Es handelt sich hierbei um keine Amtshilfe. Amtshilfe hat als Voraussetzung, dass die ersuchende Behörde eine Aufgabe selbst ausführen dürfte. Das Finanzamt hat aber keine Befugnisse zur Verhaftung von Schuldnern, denn die Aufgabe ist in § 284 AO ausdrücklich dem Gerichtsvollzieher zu gewiesen. Der Gerichtsvollzieher handelt bei der Verhaftung also nicht in Amtshilfe sondern auf Grund eines eigenen Auftrages.

    Ne ne ne... Mal § 112 Abs. 1 Nr. 1 AO lesen. :strecker

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Um die Auslegung von § 112 Abs. 1 Nr. 1 AO können wir herzlich diskutieren.

    Ich bin der Meinung, dass wir in § 112 AO nur reinkommen, wenn die Zuständigkeit des Finanzbehörde vorhanden ist, aber die Ausübung der Amtshandlung (aus rechtlichen Gründen) nicht vorgenommen werden kann.

    Für die Verhaftung liegt aber gar keine Zuständigkeit der Finanzbehörde vor, denn diese Aufgabe ist eindeutig dem Gerichtsvollzieher zugewiesen (§ 284 Abs. 8 Satz 4 AO).

    Edit: Ich schmeiße daher den § 111 Abs. 2 Nr. 2 AO in den Raum, und behaupte, dass die Verhaftung dem Gerichtsvollzieher als eigene Aufgabe obliegt.

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