Wirkungen einer Kontopfändung vor Insolvenzeröffnung

  • Ich mache mir schon seit längerem Gedanken um die Wirkungen einer ausgebrachten Kontopfändung, insbesondere bzgl. künftiger Beträge, vor Insolvenzeröffnung, die weder in die Rückschlagsperre noch in den anfechtungsrelevanten Zeitraum fällt.

    Diese Pfändung kann durch den Schuldner m.E. nicht mehr beseitigt werden.

    § 89 Abs. 1 InsO greift m.E. nicht, da die Vollstreckungsmaßnahme schon wirksam vollzogen wurde.

    Im laufenden Verfahren wird der Schuldner über § 91 Abs. 1 InsO geschützt, da der künftige Betrag (überschießender Betrag des P-Kontos) zur Insolvenzmasse gehört und somit ein Pfändungspfandrecht nicht erworben werden kann, folglich ist der Pfändungsgläubiger kein absonderungsberechtigter Gläubiger.

    In der Wohlverhaltensphase gilt § 294 Abs. 1 InsO. Dieser erklärt jedoch nur Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für unzulässig. Die o.g. Maßnahmen sind jedoch schon wirksam ausgebracht.

    Kann demnach ein Pfändungspfandrecht an dem überschießenden Betrag des P-Kontos entstehen?

  • Es kommt immer darauf an, wann die Guthaben auf dem Konto nach der Pfändung entstehen.

    Die Pfändungswirkung entsteht ja immer erst dann, wenn das (pfändbare) Guthaben entsteht - also gutgeschrieben wird (BGH, IX ZR 166/02).

    Es kann also vor Rückschlagsperrfrist entstehen, dann gehört´s dem Pfändungsgläubiger, es kann während des Rückschlagsperrzeitraums entstehen - dann Pfändungswirkung nicht eingetreten wegen Unzulässigkeit oder aber es wurde bereits ausgezahlt, dann anfechtbar (§ 131 InsO).

    Die Pfändung selbst dauert so lange an, bis entweder die RSB erteilt wurde oder aber - wenn das Ziel nicht erreicht wird - bleibt die Pfändung drauf und der Gläubiger darf sich weiterhin dran erfreuen (BGH, IX ZB 217/08).

    Ist das Ziel RSB erreicht, kann (muss) sich der Schuldner gegen die weitere Pfändung mit der Vollstreckungsabwehrklage wehren, wenn der Pfändungsgläubiger nicht freiwillig verzichtet.

    Während des Inso-Verfahrens kann nur zu Gunsten der Insolvenzmasse ein Pfandrecht an überschießenden Beträgen entstehen, in der WVP für niemanden - auch nicht für den Pfändungsgläubiger - wegen des ZV-Verbots und der Pfändungswirkung am ENTSTEHENDEN Guthaben. :)

  • Danke Jamie für Ihre Antwort.

    Nach BGH, IX ZR 166/02, Ziff. 14 gilt die Pfändung erst bewirkt mit Zahlungseingang und damit ist erst dann die Zwangsvollstreckung in die künftige Forderung ausgebracht.

    Ich dachte die Zwangsvollstreckung wäre schon wirksam und eine Verstrickung vorhanden, es fehle nur noch das Pfändungspfandrecht. Dieses schließt ja nur § 91 Abs. 1 InsO aus.


  • Ich dachte die Zwangsvollstreckung wäre schon wirksam und eine Verstrickung vorhanden, es fehle nur noch das Pfändungspfandrecht. Dieses schließt ja nur § 91 Abs. 1 InsO aus.

    Die öffentlich-rechtliche Pfandverstrickung kann man wohl nicht wegreden, jedenfalls glauben manche Banken ganz fest daran.

    Zumindest sollten Gläubiger, wenn sie rechtzeitig vor Antragstellung gepfändet haben, nicht leichtsinnig auf das Pfandrecht verzichten. Erst dann, wenn RSB erteilt wurde. Weil sich der Schuldner dann eh erfolgreich wehren kann. Da sollte der frühere Gläubiger dann doch besser nicht die Kostentragungspflicht riskieren. :)

  • im Falle des freigegebenen Kontos oder des P-Kontos hat der Schuldner ein Antragsrecht, für die Dauer des Insolvenzverfahrens und für die Dauer einer sich hieran etwaig anschließenden Laufzeit der Abtretungserklärung die Wirkungen des Überweisungsbeschlusses suspendieren zu lassen (der BGH hat irgendwann mal entschieden, dass sogar die Aufhebung der Pfändung erfolgen müsse, find die Entscheidung grad nicht - vermutlich gelöscht, weil falsch :D )

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • im Falle des freigegebenen Kontos oder des P-Kontos hat der Schuldner ein Antragsrecht, für die Dauer des Insolvenzverfahrens und für die Dauer einer sich hieran etwaig anschließenden Laufzeit der Abtretungserklärung die Wirkungen des Überweisungsbeschlusses suspendieren zu lassen (der BGH hat irgendwann mal entschieden, dass sogar die Aufhebung der Pfändung erfolgen müsse, find die Entscheidung grad nicht - vermutlich gelöscht, weil falsch :D )

    :gruebel:

    Das widerspräche der Entscheidung, die ich oben verlinkt hab. Die Pfändung "ruht" einfach bis entschieden ist, ob das Ziel des Insolvenzverfahrens/des Restschuldbefreiungsverfahrens erreicht wird oder nicht.

  • im Falle des freigegebenen Kontos oder des P-Kontos hat der Schuldner ein Antragsrecht, für die Dauer des Insolvenzverfahrens und für die Dauer einer sich hieran etwaig anschließenden Laufzeit der Abtretungserklärung die Wirkungen des Überweisungsbeschlusses suspendieren zu lassen (der BGH hat irgendwann mal entschieden, dass sogar die Aufhebung der Pfändung erfolgen müsse, find die Entscheidung grad nicht - vermutlich gelöscht, weil falsch :D )

    :gruebel:

    Das widerspräche der Entscheidung, die ich oben verlinkt hab. Die Pfändung "ruht" einfach bis entschieden ist, ob das Ziel des Insolvenzverfahrens/des Restschuldbefreiungsverfahrens erreicht wird oder nicht.

    Na da hat der BGH das mittlerweile ja doch richtig entschieden :D

    ergo: für die Dauer des Insolvenzverfahrens sind die Überweisungswirkungen zu suspendieren, dto für die Laufzeit der Abtretungserklärung (so wie ich es stets gesehen habe). M.a.W. die Vollstreckung ist einstweilen einzustellen mit der Maßgabe, dass die Kontoguthaben dem Schuldner gebühren.
    Es ist Sache des Gläubigers, dem Gericht anzuzeigen, dass die Voraussetzungen der Einstellung weggefallen sind. Wird dem Gericht dies angezeigt, ist der Beschluss aufzuheben.

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  • Ich buddle dieses Thema aus gegebenem Anlass noch mal aus:

    BGH, Urteil vom 21. September 2017 - IX ZR 40/17

    a) Eine durch Zwangsvollstreckung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag erlangte Sicherung führt zur öffentlich-rechtlichen Verstrickung des Vermögensgegenstandes. Verstrickung tritt auch ein bei einer während der Dauer des Insolvenzverfahrens durchgeführten Zwangsvollstreckung.

    b) Die Wirkungen der Verstrickung dauern im Insolvenzverfahren fort, bis sie auf einem dafür vorgesehenen Weg beseitigt worden sind.

    c) Der Drittschuldner kann sich gegenüber dem Auszahlungsverlangen des Insolvenzverwalters damit verteidigen, dass die Verstrickung der Vermögenswerte fortbesteht.

    Angesichts dessen, dass es ja auch wirksame Pfändungen gibt, die dann in die Sperrfristen des § 88 InsO und in das ZV-Verbot des § 89 InsO hineingreifen, die aber auch nur solange unwirksam sind, wie die Abtretungserklärung andauert: Wie muss denn dann ein Beschluss über die Aufhebung der Pfandverstrickung in solchen Fällen aussehen? Zeitlich beschränkt auf "§ 88, § 89 InsO bis Ablauf Abtretungserklärung wahlweise 3,5 oder 5 oder 6 Jahre oder bis Versagung der RSB"?

    Vollkommen aufheben geht ja nicht, weil die Pfändung ja wieder auflebt, wenn das Insolvenzverfahren samt WVP zu Ende ist. Gegen die Pfändung muss sich der Schuldner ja dann selbst wehren.

    Ausschlaggebend für meine Fragezeichen sind die Entscheidungen IX ZR 166/02 und IX ZB 217/08.

  • Wenn RSB versagt wird, wird das wohl der Pfändungsgläubiger tun, damit seine Pfändung wieder zum Zuge kommen kann.

    Wenn RSB erteilt wird, sollte das eigentlich auch der Pfändungsgläubiger tun, verbunden mit seinem Pfändungsverzicht, weil anderenfalls der Schuldner die Pfändung nur mittels 767-Klage beseitigen kann, deren Kostenlast den Pfändungsgläubiger treffen dürfte,

    wobei ich allerdings nicht sicher bin, wie und ob dabei auch die Widerrufsmöglichkeit, § 303 Abs. 2 Satz 1 InsO beurteilt würde, die die endgültige Beseitigungsmöglichkeit des Schuldners noch mal um ein Jahr nach RK der Erteilung verlängern könnte ...

  • Ich würde eine solche Pfändung wohl "aussetzen bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung".


    Klingt plausibel.

    Wer benachrichtigt dann eigentlich die Drittschuldner nach erfolgter Entscheidung über die Restschuldbefreiung? :gruebel:

    Das wird dann wohl freiwillig der Gläubiger machen. Der möchte ja gern weiter Geld haben. Der DS wäre dann verpflichtet, wieder zu zahlen, bis dem Schuldner einfällt, dass er hier ja ein Einrederecht hat, gegebenenfalls Vollstreckungsgegenklage zu erheben hat.

  • Ich würde eine solche Pfändung wohl "aussetzen bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung".


    Klingt plausibel.

    Wer benachrichtigt dann eigentlich die Drittschuldner nach erfolgter Entscheidung über die Restschuldbefreiung? :gruebel:

    Das wird dann wohl freiwillig der Gläubiger machen. Der möchte ja gern weiter Geld haben. Der DS wäre dann verpflichtet, wieder zu zahlen, bis dem Schuldner einfällt, dass er hier ja ein Einrederecht hat, gegebenenfalls Vollstreckungsgegenklage zu erheben hat.

    Hab ich noch nicht erlebt, dass ein Gläubiger nach erteilter RSB den Drittschuldner benachrichtigt hat, dass er auf die Rechte aus der Pfändung dem Schuldner gegenüber verzichtet hat.

  • Hab ich noch nicht erlebt, dass ein Gläubiger nach erteilter RSB den Drittschuldner benachrichtigt hat, dass er auf die Rechte aus der Pfändung dem Schuldner gegenüber verzichtet hat.

    Es geht gar nicht um den Verzicht, welcher Gläubiger sollte schon verzichten? Im Gegenteil, die Pfändung lebt ja wieder auf. Der Schuldner muss sich wehren durch Einrede der RSB bzw. durch Erhebung der Vollstreckungsgegenklage. Wenn die RSB nicht erteilt wurde, kann der Gläubiger ja sowieso auf seine Rechte aus seiner Pfändung bestehen.

    Das macht insoweit Sinn, wenn das Gericht tatsächlich den Beschluss über die Aufhebung der Pfandverstrickung bis zu einer Entscheidung über die RSB beschränkt.

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