Gericht beachtet Verweisungsantrag nicht - Deutsche Sprache...

  • Hallo,

    ich habe eine Klage (nach Widerspruch gegen Mahnbescheid) begründet, allerdings ganz oben als erstes die Verweisung beantragt, da unser hiesiges Gericht wegen § 29 ZPO nicht zuständig ist.

    Jetzt hat unser Gericht aber die Gegenseite, eine natürliche Person (die in einem anderen Bundesland lebt, ergo es für diese auch nicht zuständig wäre), aufgefordert, sowohl die Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen als auch zu erwidern.

    Da ich zu einem seiner Meinung nach strittigen Punkt etwas ausführen darf, überlege ich nun, ob ich auf den Verweisungsantrag hinweise.
    Nur: Wie mache ich das am Besten?
    Ich leide diesbezüglich unter akuten Wortfindungsstörungen :oops: Außer "Du brauchst doch gar nicht!" fällt mir partout nichts ein...

    Mir wurde im Referendariat so eingeimpft, dass Richter zu allererst nachschauen, ob sie überhaupt zuständig sind, dass mir nicht in den Kopf geht, dass ein Verweisungsantrag übersehen wird. Das überfordert mich gerade ziemlich.

    In der Hoffnung auf eure Formulierungshilfe wünsche euch einen schönen Feierabend!

  • "... weise ich nochmals auf meinen Antrag vom ..., den Rechtstreit an das zuständige Amtsgericht ... zu verweisen, hin."

    Vielleicht liegt es daran, dass ein Gericht in der Regel so lange zuständig, bis die Gegenseite die Zuständigkeit rügt. Aus diesem Grund hat der Richter Deinen Antrag vielleicht nicht für voll genommen. Ich kann mir auch vorstellen, dass so mancher Richter die Klage erst liest, wenn schon die Stellungnahme der Gegenseite da ist. Vielleicht kann AndreasH dazu etwas sagen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Die Lösung des Rätsels ergibt sich einfach aus der Bindungswirkung des § 281 ZPO: Die Verweisung ist für das Zielgericht nur bindend, wenn vorher der Beklagte rechtliches Gehör hatte (d.h. die Klage zugestellt wurde). Sonst handelt es sich nur um eine Abgabe.

    Der Unterschied: Bei der wirksamen Verweisung bekommt man die Akte - selbst wenn die Verweisung falsch war - nur dann wieder auf den Tisch, wenn die Verweisung willkürlich war. Bei der Abgabe kann das Abgabegericht sie einfach zurückgeben. Wer einmal so einen Zirkus hatte, der achtet künftig auch in den Fällen, in denen es das eigentlich nicht bräuchte, darauf, dass die Bindungswirkung auch eintritt.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Gewusst wie... :wechlach:

  • Vielleicht sollte ich noch nachtragen:

    Wenn ein Termin anberaumt wird, ohne dass vorher über den Verweisungsantrag entschieden wurde, dann liegt es entgegen meinem obigen Post doch am "Nicht-Lesen". ;)
    Dann sollte man die Terminsmitteilung mit einer Erinnerung an den Verweisungsantrag quittieren.


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Oh je...

    AndreasH, vielen Dank für die Erhellung!

    Ich verstehe das jetzt so, dass ich erst einmal etwas zu dem strittigen Punkt ausführe, ohne auf den Antrag hinzuweisen und abwarte, was nach der Zwei-Wochen-Frist der Verteidigungsanzeige passiert.

    Mal theoretisch: Was passiert eigentlich, wenn unser Gericht nicht nur die Zustellung bei der Gegenseite abwartet und dann die Akte ans zuständige Gericht weiterreicht, sondern die 2+2-Wochen-Frist und die Gegenseite rührt sich nicht bzw. erwidert nach der Verteidigungsanzeige nicht? Erläßt dann unser Gericht das VU?

  • ...

    Ich verstehe das jetzt so, dass ich erst einmal etwas zu dem strittigen Punkt ausführe, ohne auf den Antrag hinzuweisen und abwarte, was nach der Zwei-Wochen-Frist der Verteidigungsanzeige passiert.

    Mal theoretisch: Was passiert eigentlich, wenn unser Gericht nicht nur die Zustellung bei der Gegenseite abwartet und dann die Akte ans zuständige Gericht weiterreicht, sondern die 2+2-Wochen-Frist und die Gegenseite rührt sich nicht bzw. erwidert nach der Verteidigungsanzeige nicht? Erläßt dann unser Gericht das VU?

    Mal theoretisch geantwortet:
    Das lässt sich gar nicht mehr vorhersagen. Spätestens der Versuch, ein VU zu erlassen, muss (müsste) zur Lektüre der Akte führen, da ja eine Schlüssigkeitsprüfung durchzuführen ist. Spätestens dann sollte also die Verweisung des "VU-fähigen" Rechtsstreits an das richtige Gericht erfolgen. Wer allerdings die Akte auch dann noch nicht gelesen hat, kann schon auch ein VU erlassen, das wäre dann die logische Konsequenz.

    Hier spricht aber, wenn ich Deine Sachdarstellung richtig verstanden habe, schon einiges dafür, dass der/die zuständige Richter/in die Akte bereits gelesen hat, denn er/sie hat anscheinend bereits mit der Klagezustellung verfügt, dass Du weitere Ausführungen machen musst. Das setzt Lektüre voraus.

    (und auch die bereits durchgeführte Schlüssigkeitsprüfung: Nach richterlicher "best practice" sind Hinweise an die Klageseite (!) zugleich mit der Zustellung der Anspruchsbegründung/Klage an den Beklagten (nur) dann erforderlich, wenn die Klage nicht schlüssig ist und daher alleine durch die Zustellung plus Schweigen keine VU-Lage entstehen kann)

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Das klingt nachvollziehbar.
    Allerdings hätte ich wirklich nicht gedacht, dass ein nach allen Möglichkeiten unzuständiges Gericht dem zuständigen so viele Vorarbeiten abnimmt.

    (bei unserem strittigen Punkt geht es um die Frage des Zinsbeginns bei Rechnungen im Rahmen eines Vertragsverhältnisses mit einem kalendermäßig bestimmten Fälligkeitsdatum - wäre also nur ein kleineres Teilchen des Klagepuzzles)

  • Das klingt nachvollziehbar.
    Allerdings hätte ich wirklich nicht gedacht, dass ein nach allen Möglichkeiten unzuständiges Gericht dem zuständigen so viele Vorarbeiten abnimmt.

    (bei unserem strittigen Punkt geht es um die Frage des Zinsbeginns bei Rechnungen im Rahmen eines Vertragsverhältnisses mit einem kalendermäßig bestimmten Fälligkeitsdatum - wäre also nur ein kleineres Teilchen des Klagepuzzles)


    Es gibt Kollegen/Kolleginnen, die während der Zeit ihrer Zuständigkeit bis zum Verweisungsbeschluss alles das erledigen, was sie auch erledigen würden, wenn sie wüssten, es bleibt ihr Verfahren. Das entspricht, um in der o.g. Terminologie zu bleiben, der "very best practice" oder dem sog. "Goldstandard". Ein paar solcher Kollegen/Kolleginnen kenne ich.

    Natürlich kann ich nicht ausschließen, dass schlicht der Verweisungsantrag überlesen worden ist, aber wenn ich mir anschaue, bis in welche Detailtiefe nach Deinen Angaben die richterliche Schlüssigkeitsprüfung bereits durchgeführt worden ist, halte ich dies für eher unwahrscheinlich.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Wieder was gelernt!
    Vielen Dank!
    (auch dafür, dass mein Glaube an das Gute im Menschen - hier Richter - wenigstens ab und zu bestätigt wird)

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