Nichtberücksichtigung der Tochter gem. § 850c IV ZPO

  • Hallo,

    ich habe meine M-Abteilung hier vor kurzem übernommen und nun folgendes Problem:

    Gepfändet ist das Arbeitseinkommen. Im März 2014 wurde vom Gläubiger ein Antrag gestellt, dass die minderj. Tochter ab März 2014 nicht zu berücksichtigen sei, da diese eigenes Einkommen in Form einer Ausbildungsvergütung erhält.

    Über den Antrag wurde bis heute nicht entschieden.Mittlerweile hat die Tochter die Ausbildung abgebrochen, dh derzeit kein Einkommen mehr.

    Ich stehe jetzt leicht auf dem Schlauch, wie ich entscheiden soll... gänzlich unberücksichtigt lassen geht nicht, da die Tochter ja nur ca. 300 Euro Azubivergütung hatte.

    Mache ich dann jetzt einen Beschluss mit teilweiser Nichtberücksichtigung ab 03/2014? Wobei der DS schon an den Schuldner geleistet haben dürfte, demnach wären ohnehin keine Gelder mehr vorhanden.

    Wäre toll, wenn sich jemand meiner anfängerischen Unwissenheit erbarmen würde.

  • Wenn keine Einstellung im Sinne des § 732 Abs. 2 ZPO erfolgte, sind die Beträge bereits ausgekehrt und weg.
    Sollte eingestellt sein, kannst Du ja anteilig entscheiden.
    Ob der Abbruch der Aussbildung automatisch einen Schuldnerantrag (wieder) auf Erhöhung darstellt, lass ich mal dahingestellt.

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Die Mitteilung des Schuldners über den Abbruch der Berufsausbildung der Tochter würde ich dem Gläuberger zunächst einmal zur Stellungnahme schicken mit dem Vorschlag den Antrag zurück zu nehmen (zur Vermeidung der Zurückweisung).
    Sofern das Verfahren nicht vorl. eingestellt worden ist, musst nach dem heutigen Stand der Dinge entscheiden, kein Einkommen des Unterhaltsberechtigten, kein § 850c IV ZPO.

  • Mein Problem ist ein bisschen, dass nicht nur die Parteien verfeindet sind sondern auch die dahinterstehenden RAinnen... dh in der Akte geht's ordentlich ab und keiner rückt von seinem Standpunkt ab, beschimpft die Gegenseite und droht mit Strafanträgen etc.... also mit Antragsrücknahme wird das nichts :( Gleichzeitig schießt die eine RAin auch noch auf recht unverschämte Art gegen die Rpfls am Gericht, dass ich die Akte auch schon der Verwaltung vorgelegt habe, die nun überlegt, ob man sich an die Kammer wendet.

    Woher nehme ich denn, dass ich mit Stand heute entscheiden muss? Ich hab ja auch keine Nachweise, dass die Tochter nicht mehr arbeitet, schließlich tut sie gar nichts, was die SchuldnerRAin ja auch schlecht nachweisen kann. Ich hab gute Lust einfach zu entscheiden, Hauptsache halbwegs richtig und vertretbar, und dann sollen sie RM einlegen, dann geht's halt hoch :(

  • Entscheidung nach letztem Aktenstand.

    Und da die Tochter lt. Aktenlage nicht mehr in Ausbildung ist, wird der Antrag auf Nichtberücksichtigung zurückgewiesen.
    Mag die Gläubigerseite neue Argumente bringen, wenn Sie hat.
    Mach es Dir doch nicht so schwer...

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Oje, da erbst Du als Dezernatsneuling so eine Kampfakte, wo sich die Beteiligten und schlimmer noch die Anwälte hin und her zoffen.

    Die Sache selbst dürfte aber einfach sein:

    Für den Antrag nach $ 850 c IV ZPO ist der Gläubiger darlegungspflichtig.

    Sollte die Tochter inzwischen keine Eigeneinkünfte mehr haben, ist der Antrag nun unbegründet. Es wird immer nach aktueller Aktenlage entschieden, da sich der Beschluss ja auf das künftige Einkommen richtet.
    Etwas anderes würde dann gelten, wenn zwischenzeitlich einstweilen eingestellt worden wäre; hierzu hat der Themenstarter bislang nichts gesagt.

    Möge der unzufriedene Gläubiger Rechtsmittel einlegen oder bei einem neuen Antrag bei geänderter Sachlage neu vortragen und glaubhaft machen.

    Was ist daraus zu lernen: Lieber eine einstweilige Einstellung mehr als weniger.

  • Entscheidung nach letztem Aktenstand.

    Und da die Tochter lt. Aktenlage nicht mehr in Ausbildung ist, wird der Antrag auf Nichtberücksichtigung zurückgewiesen.
    Mag die Gläubigerseite neue Argumente bringen, wenn Sie hat.
    Mach es Dir doch nicht so schwer...

    Genau so ist es. Rückwirkend geht ohnehin nicht mehr, weil die pfändbaren Beträge ab Antragsdatum sicherlich schon an den Schuldner ausgezahlt wurden, es also für diesen Zeitraum nichts mehr zu pfänden gibt.

  • Wie verhält es sich, wenn das Kind schon älter (29 Jahre alt) ist?

    Es wurde Antrag auf Nichtberücksichtigung gem. § 850c IV ZPO gestellt. Das erwachsene Kind wohnt bei der Mutter und erhält 200 - 300 Euro monatlich.

    Wie errechne ich den Bedarf, um zu ermitteln, ob überhaupt eine komplette oder aber nur teilweise Nichtberücksichtigung möglich ist? Evtl. 399 Euro?

    Einmal editiert, zuletzt von Küstenkind (31. März 2015 um 13:49) aus folgendem Grund: Rechtschreibfehler

  • Wie verhält es sich, wenn das Kind schon älter (29 Jahre alt) ist?

    Es wurde Antrag auf Nichtberücksichtigung gem. § 850c IV ZPO gestellt. Das erwachsene Kinder wohnt bei der Mutter und erhält 200 - 300 Euro monatlich.

    Wie errechne ich den Bedarf, um zu ermitteln, ob überhaupt eine komplette oder aber nur teilweise Nichtberücksichtigung möglich ist? Evtl. 399 Euro?

    Ist die Mutter Schuldnerin?

    Vorausgesetzt, dass noch eine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht, kannst Du den sozialhilferechtlichen Bedarf ermitteln und das "Einkommen" davon abziehen. Mit der Differenz ist das "Kind" bei der Ermittlung des unpfändbaren Betrages zu berücksichtigen (also Betrag genau festsetzen). Zudem musst Du aber darauf hinweisen, dass der Schuldnerin nicht mehr verbleiben dürfen, als ihr verbleiben würden, wenn das Kind voll berücksichtigt würde.

  • Ja, die Mutter ist Schuldnerin. :)

    Da sie zusammen wohnen wären das nach § 20 SGB II 360 Euro. Abzüglich der ca. 250 Euro verblieben 110,- Euro die berücksichtigt werden müssten. Richtig gedacht? Und muss ich den Gläubiger vorher nochmal anhören, da diese eine komplette Nichtberücksichtigung beantragt hat?

    Und vielen Dank für den Hinweis, dass ich den Hinweis mit aufnehmen muss. Toller Satz.

  • Ja, die Mutter ist Schuldnerin. :)

    Da sie zusammen wohnen wären das nach § 20 SGB II 360 Euro. Abzüglich der ca. 250 Euro verblieben 110,- Euro die berücksichtigt werden müssten. Richtig gedacht? Und muss ich den Gläubiger vorher nochmal anhören, da diese eine komplette Nichtberücksichtigung beantragt hat?

    Und vielen Dank für den Hinweis, dass ich den Hinweis mit aufnehmen muss. Toller Satz.

    Was hat der Sohn denn für ein Einkommen? 250,00 € sind sehr wenig und deswegen eine auch nur teilweise Nichtberücksichtigung zu beantragen wäre meiner Meinung nach überzogen.

  • Ja das ist das Einkommen vom Sohn. Man weiß halt nicht, ob er Miete oder so zahlt. Die Schuldnerin erhält laut Vermögensauskunft 1.080,- Euro EU-Rente. Der Sohn hat einen Nebenverdienst von ca. 200,- Euro bis 300,- Euro. Ein Grundstück ist nicht im Eigentum der Schuldnerin.

    Beantragt, wie gesagt, volle Nichtberücksichtigung.

  • Ja das ist das Einkommen vom Sohn. Man weiß halt nicht, ob er Miete oder so zahlt. Die Schuldnerin erhält laut Vermögensauskunft 1.080,- Euro EU-Rente. Der Sohn hat einen Nebenverdienst von ca. 200,- Euro bis 300,- Euro. Ein Grundstück ist nicht im Eigentum der Schuldnerin.

    Beantragt, wie gesagt, volle Nichtberücksichtigung.

    Und was macht der Sohn, dass er mit 29 noch unterhaltsberechtigt sein soll? Ein Nebenverdienst von 200,00 € bis 300,00 € ist natürlich nicht viel.

  • Ist mir nicht bekannt. Was mach ich jetzt am Besten?

    Eine Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO setzt voraus, dass die Person, der der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte hat.

    Du müsstest grundsätzlich wie folgt vorgehen:

    Zuerst wäre mal zu prüfen, ob die Person tatsächlich gesetzlich unterhaltsberechtigt ist und dann muss geklärt werden, welches eigene Einkommen dieser Person für die Deckung des eigenen Unterhaltsbedarfs zur Verfügung steht. s. Stöber, Rdn. 1063

    Aber wenn Du jetzt mal das Einkommen der Mutter siehst, das nur ein paar Euro über dem unpfändbaren Grundbetrag liegt, somit also bei völliger Nichtberücksichtigung nur 24,47 € pfändbar wären, bedeutet dies, dass sie durch die Berücksichtigung nur diese 24,47 € mehr hätte (ab Juli vermutlich nur 4,28 €), also Einkommen Sohnemann und 24,47 € erreichen bei weitem nicht den Sozialhilfebetrag des Sohnes. Wie gesagt, wenn der überhaupt als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen wäre.

    Weil der Gläubiger also den Antrag nach § 850c Abs. 4 ZPO gestellt hat, ist davon auszugehen, dass er selbst annimmt, dass der Sohn unterhaltsberechtigt ist. Somit brauchtest Du das eigentlich gar nicht zu prüfen.

    Wenn Du im zweiten Schritt (nur) von dem Regelbetrag von 360,00 € Bedarf ausgehen würdest, dann noch die Entscheidung des BGH mit einem Aufschlag von 30 - 50 % berücksichtigst, dann bist Du schon bei mindestens 480,00 €. Dem stellst Du dann das Einkommen des Sohnes von angenommen 250,00 € (ohne Abzug für berufsbedingte Aufwendungen) gegenüber, ziehst es also ab und dann bleiben noch 230,00 € Unterhaltsbedarf des Sohnes, der durch die Mutter zu decken wäre. Der unpfändbare Betrag für die Mutter (ohne Unterhaltspflichten) wäre also um 230,00 € zu erhöhen. Das mit dem Begrenzen kannst Du in diesem Fall vergessen, weil der unpfändbare Grundbetrag für die erste unterhaltsberechtigte Person schon 393,30 € beträgt, also die Begrenzung bei 230,00 € Erhöhung sich nie auswirken kann.

    Ich würde den Antrag ablehnen und darauf hinweisen, dass sich bei einem Einkommen von 1.080,00 € ohne Unterhaltspflichten nur ein pfändbarer Betrag von 24,47 € ergeben würde und der (wie oben errechnete Bedarf) schon bei 230,00 € liegt. Somit wäre das Einkommen der Mutter ohnehin nicht ausreichend, den Unterhaltsbedarf des Sohnes zu decken.

  • Vielen Dank für diese hilfreiche Antwort. Ich habe allerdings eine Erklärung der Drittschuldnerin unterschlagen.

    Die Schuldnerin erhält nunmehr: 1.150,- EUR EU-Rente
    Der restliche Unterhaltsbedarf des Sohnemanns beträgt: 480 EUR - 250 EUR = 230,00 EUR.
    Verbleibt bei Nichtberücksichtigung ein pfändbarer Betrag i.H.v. 73,47 EUR.

    Dann ist man schon bei ca. 1/3 angelangt. Dies führt aber zu keinem anderen Ergebnis.

  • Vielen Dank für diese hilfreiche Antwort. Ich habe allerdings eine Erklärung der Drittschuldnerin unterschlagen.

    Die Schuldnerin erhält nunmehr: 1.150,- EUR EU-Rente
    Der restliche Unterhaltsbedarf des Sohnemanns beträgt: 480 EUR - 250 EUR = 230,00 EUR.
    Verbleibt bei Nichtberücksichtigung ein pfändbarer Betrag i.H.v. 73,47 EUR. (und ab 01.07. 20,00 € weniger)

    Dann ist man schon bei ca. 1/3 angelangt. Dies führt aber zu keinem anderen Ergebnis.

    Also Antrag ablehnen. :daumenrau

    Mach bitte nicht den Fehler den Fehlbedarf ins Verhältnis zu den unpfändbaren Beträgen zu setzen und die Nichtberücksichtigung zu diesem Verhältnis anzuordnen (also Sohnmann ist nur zu einem Drittel als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen). Bei richtiger Berechnung des Drittschuldners wäre auch hier nichts pfändbar, aber es gibt auch die (falsche) Berechnung dass der Drittschuldner 1/3 der Differenz zwischen Spalte 1 und 2 nehmen könnte.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!