Auslegung gemeinschaftliches Testament für Erbscheinsantrag

  • Hallo liebe Nachlassspezies,
    kann folgendes gemeinschaftliches Testament noch ausgelegt werden oder gibt es schlicht eine Regelungslücke und es gilt gesetzliche Erbfolge? Eheleute haben ein formwirksames gemeinschaftliches Testament errichtet und der 1. Erbfall ist eingetreten, es heißt im Testament: Zum alleinigen Erben unserer gesamten Hinterlassenschaft benennen wir unsere Tochter... Es fehlt die Bestimmung, dass die Eheleute sich zunächst gegenseitig einsetzen. Wenn das so gewollt war (Termin ist morgen) und alle Beteiligten einverstanden sind, ist eine derartige Auslegung zulässig? Es fehlen für die Auslegung wohl Anhaltspunkte im Testament. Mehr steht dort nicht. Danke :(

  • Die vorliegende Frage wurde im Forum schon mehrfach diskutiert.

    Ich halte eine Auslegung im Sinne einer gegenseitigen Erbeinsetzung für möglich. "Unsere gesamte Hinterlassenschaft" kann bedeuten, dass sich das "Gesamte" erst in der Person des Überlebenden vereinigt, bevor es auf die Tochter - als Schlusserbin - übergeht.

  • Ich werfe mal das hier zusätzlich in die Runde und sehe es aber wie Cromwell, denn man kann durchaus so argumentieren, dass unter "gemeinsamer Nachlass" der Nachlass nach dem Tode des Zuletztversterbenden gemeint ist und damit dieser zuerst einmal alles erben soll:

    Ein gemeinschaftliches Testament, das keine Regelung für den Tod des zuerst versterbenden Ehegatten enthält, kann nicht dahin ausgelegt werden, dass einzelne gesetzlich erbberechtigte Personen von der Erbfolge nach dem Erstversterbenden ausgeschlossen sind.
    OLG München, Beschl. v. 19. 12. 2012 – 31 Wx 434/12

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Die Entscheidung passt hier nicht, denn im vorliegenden Fall ist ja zweifellos eine letztwillige Verfügung für den ersten Sterbefall vorhanden. Es fragt sich nur welche.

    Im Übrigen erscheint mit der Leitsatz etwas eigenartig. Denn wenn man nach dem ersten Halbsatz davon ausgeht, dass keine letztwillige Verfügung für den ersten Sterbefall vorliegt, dann kann schon deswegen keine negative Verfügung für diesen Sterbefall vorliegen, weil auch dies eine Verfügung für den ersten Sterbefall wäre.

  • Na ja, es ist ja eben die Frage, ob die Testierenden eine Regelung auf den Tod des Zuerstversterbenden treffen wollten oder nur festlegen wollten, dass der Zuletztversterbende seinen Nachlass an die Tochter vererbt.

    Das ist zwar unsinnig, würde aber auch gehen.

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  • Das ist zwar unsinnig


    ...und deshalb wohl kaum gewollt.
    Die Ehegatten gingen ersichtlich davon aus, dass der Überlebende Alleinerbe ist. Wenn man das Testament nicht schon so auslegt, dass der Überlebende dadurch zum Alleinerben bestimmt wird (was nahe liegt), ist mindestens die gesetzliche Erbfolge eingetreten. Eine Auslegung, die zur Einsetzung der Tochter als Alleinerbin des Erstversterbenden führt, ist m.E. abwegig.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Vielleicht nochmal zur Verortung der Frage:

    1. Zuerst ist auszulegen, was gewollt war. Dazu hörst Du die Beteiligten an.

    2. Dann ist zu fragen, ob das Auslegungsergebnis im Testament angedeutet ist. Und da sind die Worte "unserer gesamten Hinterlassenschaft" mehr als ausreichend.

  • Die vorliegende Frage wurde im Forum schon mehrfach diskutiert.

    Ich halte eine Auslegung im Sinne einer gegenseitigen Erbeinsetzung für möglich. "Unsere gesamte Hinterlassenschaft" kann bedeuten, dass sich das "Gesamte" erst in der Person des Überlebenden vereinigt, bevor es auf die Tochter - als Schlusserbin - übergeht.

    ...unter anderem auf einen Fall von mir genauso angewandt, der genau zu dem (gewünschten) Ergebnis geführt hat. "Die gesamte Hinterlassenschaft" kann es erst dann geben, wenn beide tot sind. Bis dahin ist der Überlebende Alleinerbe. Die Beteiligten haben das genauso (und nur so) verstanden und waren irritiert ob meiner (aus deren Sicht spitzfindigen) Auslegung des "klaren"(!) Willens der Erblasser...

    Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ihre Justizbehörde

  • Beim ersten Sterbefall bei einem verkorksten gemeinschaftlichen Testament kann man ja zumindestens noch einen Testator fragen, wie es denn gemeint war. Bei einem ähnlichen Fall war es bei mir mal so, dass tatsächlich das Kind auch schon beim ersten Sterbefall erben sollte. Da spielen bei manchen auch steuerliche Faktoren eine Rolle...
    Also einfach mal den Überlebenden fragen, wie es denn gemeint war und dann die anderen gesetzlichen Erben dazu anhören. Wenn sich alle einig sind, gibt es wohl keine Veranlassung, sich dieser Auslegung dann zu verweigern. Wenn nicht, naja, dann viel Glück...

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