Erbschein bei Eheschließung in der Türkei

  • Ein Notariat -Nachlassgericht- in Baden-Württemberg.

    Die Ehegatten, beide deutsche Staatsangehörige türkischer Abstammung, haben in der Türkei die Ehe geschlossen. Der Ehemann ist verstorben. Außer der Witwe hinterlässt er zwei minderjährige Kinder (ebenfalls deutsche Staatsangehörige) die in Deutschland geboren sind.

    Bisher gehe ich davon aus, dass kein Vermögen im Ausland vorhanden ist und somit kein gegenständlich beschränkter Erbschein nach § 2369 Abs. 1 BGB benötigt wird.

    Außer den Geburtsurkunden der beiden Kinder liegt mir nichts vor. Das zuständige Standesamt teilt mit, dass keine weiteren Unterlagen vorhanden sind.

    Die Witwe möchte einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins stellen.

    Ergeben sich durch die Heirat in der Türkei irgendwelche Besonderheiten bei der Beantragung oder Erteilung des Erbscheins?

    Was muss die Witwe zum Nachweis Ihrer Eheschließung beibringen? Stammbuch aus der Türkei?

  • Ich denke, eine Heiratsurkunde sollte es schon sein. Die gibt es m.E. auch in der Türkei. Kann die Ehefrau keine beschaffen
    -was ich mir nicht vorstellen kann- wird es auch eine eV tun müssen.

    Welches Standesamt hat keine weiteren Unterlagen? Das Standesamt in der Türkei? Ein deutsches Standesamt hat -nicht unbedingt- Unterlagen in Bezug auf eine Eheschließung im Ausland, vor allem dann, wenn kein deutsches Familienbuch angelegt worden ist.

    Ansonsten zum Güterstand: http://www.notarakademie.de. Dort Länderliste Türkei. Schau ich in (fast) jedem Ausländerfall nach (soweit das Land gelistet ist).

  • Ansonsten zum Güterstand: http://www.notarakademie.de. Dort Länderliste Türkei. Schau ich in (fast) jedem Ausländerfall nach (soweit das Land gelistet ist).

    Auszug hieraus:
    ...b) Grundsatz der Nachlassspaltung:
    Das Erbstatut richtet sich im Verhältnis zur Türkei gemäß Art. 3Abs. 2 S. 1 EGBGB vorrangig
    nach den Bestimmungen in der Anlage zu Art. 20 des Deutsch-TürkischenKonsularvertrags
    vom 28.05.1929, das sog. Nachlassabkommen (NA), (RGBl. 1930 II, S. 747,BGBl. 1952 II
    608): Nach Art. 14 NA unterliegt die Erbfolge hinsichtlich des beweglichenVermögens dem
    Heimatrecht desErblassers im Zeitpunkt seines Todes und hinsichtlich des unbeweglichen
    Vermögens demBelegenheitsrecht (lex rei sitae). Es kommt daher zur Nachlassspaltung
    bei türkischen Staatsangehörigen mit Grundbesitz im Inland oder beideutschen Staatsangehörigen
    mitGrundbesitz in der Türkei.
    ...
    ...
    a) Gesetzliche Erbfolge:
    Fall 1:
    Der Ehegatte erbt neben Abkömmlingen 1/4 des Nachlasses (Art. 499 ZGB),die Kinder – wobei
    keine Unterscheidung zwischen ehelich und nichtehelich mehr erfolgt –erben die verbleibenden
    3/4 zu gleichen Teilen (Art. 495 ZGB). Adoptierte Kinder sind ebenfallsgleichgestellt
    und beerben nach Art. 500 Abs. 1 ZGB sowohl die Adoptiveltern als auchdie biologischen Eltern.
    Darüber hinaus kann der überlebende Ehegatte güterrechtlich die Hälftedes Wertzuwachses
    beanspruchen, sofern ihm per Saldo ein Ausgleich zusteht und sofern dieEhegatten
    im türkischen gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligunggelebt haben (siehe
    oben). Unter Anrechnung auf diesen Anspruch kann der überlebendeEhegatte nach Art. 240
    ZGB die Einräumung eines Nutzungs- oder Wohnrechts an der dem Erblassergehörenden
    Ehewohnung verlangen, sofern dieser Anspruch nicht durch Ehevertragausgeschlossen wurde.
    Diese güterrechtlichen Ansprüche sind vorAuseinandersetzung des Nachlasses
    vorab zu berücksichtigen.
    ...

    In meinem Fall kommt es demnach jedenfalls nicht zur Nachlassspaltung, da die Immobilie und das bewegliche Vermögen in Deutschland sind.

    Aber: welches Recht ist anwendbar? Bei Anwendbarkeit von türkischem Recht würde die Witwe 1/4, die beiden Kinder zusammen 3/4 erhalten. Nach deutschem Recht die Witwe 1/2 und die beiden Kinder zusammen 1/2.

    Ist tatsächlich türkisches Recht anwendbar, nur weil die Ehe in der Türkei geschlossen wurde?

    Wie muss die Anwendbarkeit von türkischem Recht in der Niederschrift und im Erbschein verlautbart werden?

  • Ist tatsächlich türkisches Recht anwendbar, nur weil die Ehe in der Türkei geschlossen wurde?


    Nein.

    Wenn bei Eheschließung beide Ehegatten türkische Staatsbürger sind -> türkisches Recht.
    Wenn bei Eheschließung beide Ehegatten deutsche Staatsbürger sind -> deutsches Recht.
    Wenn bei Eheschließung die Ehegatten keine gemeinsame Staatsangehörigkeit haben -> es kommt darauf an.

    Steht aber alles im EGBGB.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Ist tatsächlich türkisches Recht anwendbar, nur weil die Ehe in der Türkei geschlossen wurde?


    Nein.

    Wenn bei Eheschließung beide Ehegatten türkische Staatsbürger sind -> türkisches Recht.
    Wenn bei Eheschließung beide Ehegatten deutsche Staatsbürger sind -> deutsches Recht.
    Wenn bei Eheschließung die Ehegatten keine gemeinsame Staatsangehörigkeit haben -> es kommt darauf an.

    Steht aber alles im EGBGB.

    Leider weiß ich noch nicht, welche Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt der Eheschließung vorlag. Verschiedene Staatsangehörigkeit würde ich aber erst mal ausschließen.

    Wenn beide bei Eheschließung türkische Staatsbürger waren, verstehe ich es so, dass türkisches Güterrecht aber deutsches Erbrecht zur Anwendung kommt. Dann würde die Witwe 1/4 erben, 3/4 die Kinder. Ist das so richtig?

    Wenn beide deutsche Staatsbürger waren würde ich deutsches Güterrecht und deutsches Erbrecht anwenden. Die Witwe bekommt 1/2, die Kinder zusammen 1/2. Korrekt?

  • Lieber Greg, Fragen zum IPR bekommst Du im Ländle kompetent von der IPR-Stelle bei der Notarakademie beantwortet. Einfach Email mit kompletten Sachverhalt schicken.

  • Hallo,

    wie würde ein zusammengefasster Erbschein aussehen, bei dem Nachlassspaltung eingetreten ist und somit die Erbfolge betreffend den beweglichen Nachlass nach türkischen Erbrecht und die Erbfolge betreffend das unbewegliche Vermögen nach deutschem Erbrecht zu bestimmen ist?

    Bei meinem Fall sind die Anteile identisch, mein Entwurf sieht wie folgt aus:

    Der Erblasser ist in Anwendung deutschen Erbrechts in Bezug auf den inländischen unbeweglichen Nachlass von

    1. Der Ehefrau zu 1/4

    2. dem Sohn zu 3/8 und

    3. dem weiteren Sohn zu 3/8

    und in Anwendung türkischen Erbrechts in Bezug auf den beweglichen Nachlass von

    1. Der Ehefrau zu 1/4

    2. dem Sohn zu 3/8 und

    3. dem weiteren Sohn zu 3/8

    beerbt worden.

    _________________________________

    oder lieber Zusammengefasst:

    Der Erblasser ist in Anwendung deutschen Erbrechts in Bezug auf den inländischen unbeweglichen Nachlass und in Anwendung türkischen Erbrechts in Bezug auf den beweglichen Nachlass von

    1. Der Ehefrau zu 1/4

    2. dem Sohn zu 3/8 und

    3. dem weiteren Sohn zu 3/8

    beerbt worden.

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