Muss das Wohnsitzgericht das zuständige Nachlassgericht ermitteln?

  • Fall:
    Sohn erfährt über tausend Ecken (aber nicht durch das Nachlassgericht oder eine andere Behörde), dass sein Vater verstorben ist und möchte aus persönlichen Gründen die Erbschaft ausschlagen.

    Bekannt sind ihm nur der Name, Geburtstag und Sterbetag des Erblassers und ein (definitiv veralteter) ehemaliger Wohnort des Erblassers. Auch ist bekannt, dass der Erblasser zuletzt nicht im Bezirk des Wohnsitzgerichts des Sohnes wohnhaft war.

    Muss der Sohn vor der Ausschlagung den letzten Wohnsitz ermitteln oder macht dies das Wohnsitzgericht und leitet die Ausschlagung nach Ermittlung an das Nachlassgericht weiter?

    Meines Erachtens kann man den Sohn nicht zu einer weiteren Ermittlung oder Vorlage einer Sterbeurkunde zwingen, sondern muss als Wohnsitzgericht die Erklärung aufnehmen, oder?

    Denn wenn der Sohn nicht zum Gericht, sondern zum Notar geht, könnte der Notar auch ohne Probleme die vom ihm erfolgte Beglaubigung beim Wohnsitzgericht einreichen, oder?

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    3 Mal editiert, zuletzt von Ernst P. (24. März 2015 um 09:54)

  • Dass der Sohn die Erbschaft nicht annehmen möchte verstehe ich ja, aber warum will er dass schon vor Begin der Ausschlagungsfrist erklären? Gibt es dafür einen dir bekannt sachlichen Grund?

    § 344 Absatz 7 FamFG gibt m.E. keine "Ermittlungspflicht" her. Das erscheint mit logisch, weil der Sohn ja jetzt nicht mal weiß, ob er Erbe geworden ist, zumal er keinen Nachweis über den Tod seines Vaters hat.

    Ich würde aber prüfen, ob bei euch ein Testerment des mutmaßlich Verstobenen hinterlegt ist.

    Nachtrag: Ein Pflicht zu ermitteln kann ich mir nur vorstellen, wenn zumindest der Tod nachgewiesen wurde - dann ist aber ja meist auch der letzte Wohnort bekannt.

  • @ Ernst P.:

    Ja, die Erklärung ist aufzunehmen - auch ohne Vorlage der StU oder der Kenntnis des letzten Wohnsitzes.

    Die Pflicht zur Ermittlung des zuständigen NLG ergibt sich aus § 344 Abs. 7 Satz 2 FamFG, denn das "Wohnsitz-NLG" hat die EAS dorthin zu übersenden. Sollten die Ermittlungen nicht erfolgreich verlaufen, wäre die EAS des Sohnes aber gleichwohl wirksam.

    Es wäre m. E. ebenso möglich, eine notarielle EAS-Urkunde beim Wohnsitzgericht einzureichen (es gibt zu dieser Frage aber ablehnende Meinungen).


    @ BWL'er:

    Auch wenn es für die aufgeworfene Frage nicht von Belang ist: Nach der SV-Darstellung würde ich schon davon ausgehen, dass die EAS-Frist bereits läuft.

  • Dass die EAS schon vor dem Tod wirksam erklärt werden kann verstehe ich ja noch - aber ohne jeden Nachweis des Sterbefalls Erklärungen an möglicherweise nicht zuständige Gerichte schicken...

    Dann müsste man m.E. zumindest die Festellung, ob der Erblasser verstorben ist formal von der Ermittlung des zuständigen NG trennen. Sprich sich im Verfahren eine StU beschaffen.


  • Dass die EAS schon vor dem Tod wirksam erklärt werden kann verstehe ich ja noch ...


    wie passt das zu § 1946 BGB ?

    Gar nicht!:oops::oops::oops:

    Folglich nehme ich diesen Teil meiner ursprünglichen Aussage zurück!

    Somit bedarf es also eines Nachweise, dass der Erbfall eingetreten ist und der kann nur nach dem Tod eintreten!

    Dieser wäre somit "Ausschlagewilligen" nachzuweisen! Das kann nicht aufgabe des Gerichts sein!

    Fundstellen Palandt 2013 §§ 1922, 1946 BGB jeweils Rn. 1

    Einmal editiert, zuletzt von BWL'er (24. März 2015 um 12:17) aus folgendem Grund: Fundstellen ergänzt

  • Auch wenn es für die aufgeworfene Frage nicht von Belang ist: Nach der SV-Darstellung würde ich schon davon ausgehen, dass die EAS-Frist bereits läuft.

    "Kenntnis vom Anfall und dem Grunde der Berufung". Da haben wir den Fristbeginn. Beides hat er nicht, da er weder weiß ob er tatsächlich gesetzlicher oder testamentarischer Erbe wurde. Daher läuft bislang keinerlei Frist, § 1944 BGB.

  • Danke für die Antworten.

    Die meisten bestärken mich in der Ansicht, dass das Wohnsitzgericht das zuständige Nachlassgericht ermitteln muss. Das sieht m. E. auch die Kommentierung im Keidel so.

    Als Ansatzpunkt zur Klärung kann dem Wohnsitzgericht der ehemalig bekannte Wohnort des Erblassers dienen.

    Auch sehe ich es so, dass die Vorlage einer Sterbeurkunde bei Aufnahme der Ausschlagungserklärung durch das Nachlassgericht verlangt werden kann, da das Gesetz dies nicht vorsieht. Das kann auch gar nicht anders sein, denn wenn die Ausschlagung beim Notar anstatt beim Gericht erklärt wird, käme niemand auf die Idee, dass der Ausschlagende beim Notar eine Sterbeurkunde vorlegen muss. Aus den genannten Fundstellen im Palandt ergibt sich m. E. keine Pflicht zur Vorlag einer Sterbeurkunde.

    Da vorliegend sogar der Sterbetag bekannt, ist der Erbfall eingetreten und eine Ausschlagung möglich.

    Zu unterscheiden sind insoweit Eintritt des Erbfalls und Anfall der Erbschaft.

    Letztere ist hier m. E. aber auch eindeutig gegeben, denn der Sohn hat keine Kenntnis von einer letztwilligen Verfügung die ihn ausschließt und trägt das Vorliegen einer letztwilligen Verfügung auch nicht vor. Demnach ist gesetzliche Erbfolge maßgeblich. Und da ist es nach der Kommentierung bereits eindeutig, dass einem Sohn bei gesetzlicher Erbfolge grds. klar sein muss, dass er als Erbe in Frage kommt.

    Ferner ist ihm vorliegend der Tod des Erblassers auch bekannt und wird von ihm auch nicht bestritten. Da es für die Frist letztlich auch egal ist, von wem er seine Kenntnis erhält, kommt es hier auch nicht darauf an, dass er nicht "rechtsverbindlich" informiert wurde.

    Nur am Rande sei erwähnt, dass, wäre ich Nachlassgericht, ich ihn auch nicht "rechtsverbindlich" informieren würde, da es hierzu keine gesetzliche Pflicht gibt. Die Pflicht besteht seitens des Gerichts nur, wenn der Sohn durch Ausschlagung eines anderen als Erbe in Frage kommt, was hier nicht der Fall ist.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    Einmal editiert, zuletzt von Ernst P. (25. März 2015 um 06:46)

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