Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments

  • Hallo liebe Forengemeinde,

    ich stehe mal wieder auf dem Schlauch und möchte mal Eure Meinungen zu einem total doofen Fall von mir hören. Für den nachfolgenden Sachverhalt habe ich einige Lösungsmöglichkeiten und mich innerlich auch schon für eine entschieden, möchte Sie hier aber nicht darstellen, damit Ihr ganz unvoreingenommen Eure Ansichten posten könnt.

    Wer mich kennt, weiß dass ich mir bereits entsprechende Gedanken gemacht habe :)

    Und los geht's:

    Es gibt nur ein gemeinschaftliches Testament aus dem Jahr 1975. Die beiden Ehegatten bestimmen:

    "Wir, die Eheleute Herr xxx und Frau yyy bestimmen hiermit, dass im Falle unseres Todes unsere Tochter Frau zzz Alleinerbin unseres Vermögens sein soll."

    Weiter enthält das Testament eine Ersatzerbenbestimmung der Enkeltochter für den Fall, dass die Tochter vorzeitig ablebt.


    Verstorben ist der Ehemann xxx. Die Ehefrau yyy und die Tochter zzz leben noch. Außerdem hat der Erblasser eine nichteheliche Tochter, die vor dem 01.07.1949 geboren wurde, die Vaterschaft ist aber nicht festgestellt.

    Auf das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder vom 12.04.2011 (BGBl. I, S. 615) darf ich hinweisen.

    Und meine Frage: Wie hat der Erbschein nach dem Ehemann xxx auszusehen? Insbesondere soll bei einer eventuellen Auslegung des Testaments § 2084 beachtet werden.


    Vielen Dank für Eure Meinungen.

  • Da die Ehefrau noch lebt,würde ich bei ihr nachfragen ,wie das Testament auszulegen ist und was für den 1. Todefall gewollt war.
    Dumm nur,wenn sie sich wegen Demenz o.ä. nicht mehr dazu äussern kann.

  • Kurze Antwort:
    Gegenseitige (Schluss-) Erbeinsetzung der Tochter auf den Tod des Überlebenden bedeutet gegenseitige Alleinerbeinsetzung der Testierer auf den Tod des Erstversterbenden.

  • Es gibt keine Anhaltspunkte im Testament für eine gegenseitige Alleinerbeneinsetzung. Die Ehefrau kann ich nicht anhören, da sie dement ist und unter Betreuung steht.
    Und das Testament ist vollinhaltlich wiedergegeben.

    Warum die Schlusserbenbestimmung der Tochter zwangsläufig eine konkludente gegenseitige Alleinerbeneinsetzung der Ehegatten für den ersten Sterbefall bedeutet, erschließt sich mir nicht. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Und die ergänzende Testamentsauslegung kann nur ungewollte Lücken schließen, nicht aber eine fehlende Verfügung gänzlich ersetzen.

    Dies stützt nicht zuletzt das OLG München mit Beschluss vom 19.12.2012 - 31 Wx 434/12, FGPrax 2013, 72 (gefunden bei beck-online).

    Ich tendiere daher derzeit zu einer fehlenden Bestimmung für den ersten Sterbefall, es müsste gesetzliche Erbfolge gelten.
    Bleibt die Frage, wie man zu einem Ergebnis kommt, dass den Übergang des gesamten Vermögens an die Tochter nach dem Tod des Längstlebenden noch ermöglicht. :)

    Ich lasse mir auch gerne darlegen, wie ich zu einer gegenseitigen Alleinerbeneinsetzung kommen kann. Habe bisher nichts gefunden, was dies in irgendeiner Weise untermauert.

  • Hatte ich nicht gefunden. Bei mir liegt der Sachverhalt ja aber so, dass ich die Witwe wegen ihrer Demenz nicht anhören kann. Es dürfte also sehr schwer sein herauszufinden, was tatsächlich gewollt war.

    Ich kann natürlich versuchen bei der ehelichen Tochter etwas in Erfahrung zu bringen und dann weitersehen.

    Als Notfalllösung für den Fall, dass ich nichts ermitteln kann, hatte ich an eine Vor- und Nacherbfolge für den ersten Sterbefall gedacht. Vorerben sind die gesetzlichen Erben (nicht befreit) und Nacherbin ist die gemeinsame Tochter. Der Nacherbfall würde mit dem Tod des überlebenden Elternteils eintreten.

    Aber wie gesagt, Notfalllösung.


    Vielleicht mag Cromwell sich kurz äußern :)

  • Bin zwar nicht Cromwell, aber vielleicht darf ich mich trotzdem äußern...:D

    Wenn man davon ausgeht, dass das Testament nicht nur für den Fall des gleichzeitigen Ablebens gilt, gibt es m.E. drei Möglichkeiten:

    1. Gegenseitige Erbeinsetzung für den ersten Sterbefall wurde vergessen. Kann man m.E. aber ohne weitere Anhaltspunkte nicht so ohne weiteres annehmen. Wäre m.E. nur möglich, wenn alle Beteiligten behaupten, dass das wirklich so gemeint war - das dürfte aber schon wegen der Demenz der Ehefrau schwierig werden.

    2. Keine Verfügung für den ersten Sterbefall, also gesetzliche Erbfolge und Tochter nur für den zweiten Sterbefall Erbin. Kann man wohl nicht davon ausgehen, dass das so gewollt war.

    3. Die Tochter ist Erbin für den ersten und den zweiten Sterbefall. Dagegen könnte zwar die Formulierung "unseres" Todes sprechen, aber wenn man das problematisiert, dann müsste man sich m.E. auch verschärft Gedanken machen, ob hier nicht doch nur für gemeinsames Ableben verfügt war.
    Bei dieser Variante kommt zum Schluss aber das wohl gewünschte Ergebnis heraus.

    Eine Vor- und Nacherbfolge zu konstruieren, wenn so gar nichts davon im Testament steht und kein Vorerbe bezeichnet ist, halte ich für gewagt. Da würde ich eher zu Nr. 1 oder 3 tendieren.

    Die noch nicht dementen Beteiligten (da gehört dann auch das n.e. Kind dazu) wuürde ich auf jeden Fall vorher anhören. Vielleicht sind sie sich ja einig, wie das gemeint war...

  • Ist es nicht lebensnah daran zu denken, dass der überlebende Ehegatte zunächst Alleinerbe sein soll? Warum sollte bei einem Zuerstversterben eines Ehegatten das vorhandene Vermögen aufgeteilt werden zwischen den Erben? Dies wäre zum Nachteil des überlebenden Ehegatten und kann m. E. so nicht gewollt sein.
    Der Wortlaut "im Falle unseres Todes" muss auch nicht dahin ausgelegt werden, dass unbedingt ein gemeinsamer Tod gemeint ist, wie es in vielen gemeinschaftlichen Testamenten der Fall ist. Das Urteil des OLG München (auch bei Juris veröffentlicht) behandelt dagegen einen Fall eines gemeinsamen Versterbens.

  • Bin zwar nicht Cromwell, aber vielleicht darf ich mich trotzdem äußern...:D

    Der war gut *grins*

    Eine Vor- und Nacherbfolge zu konstruieren, wenn so gar nichts davon im Testament steht und kein Vorerbe bezeichnet ist, halte ich für gewagt. Da würde ich eher zu Nr. 1 oder 3 tendieren.

    Naja, so gewagt nun auch wieder nicht. Denn das Testament gibt schon einen Anhaltspunkt für die Auslegung, dass die Tochter zu einem bestimmten Ereignis erst das gesamte Vermögen erhalten soll. Und der Wille wäre dann nur mit einer Nacherbenstellung (unabhängig davon, wer nun letztlich in irgendeiner Art und Weise eine Erbenstellung nach dem ersten Sterbefall hat) erreichbar.

    siehe oben

  • Ist es nicht lebensnah daran zu denken, dass der überlebende Ehegatte zunächst Alleinerbe sein soll? Warum sollte bei einem Zuerstversterben eines Ehegatten das vorhandene Vermögen aufgeteilt werden zwischen den Erben? Dies wäre zum Nachteil des überlebenden Ehegatten und kann m. E. so nicht gewollt sein.
    Der Wortlaut "im Falle unseres Todes" muss auch nicht dahin ausgelegt werden, dass unbedingt ein gemeinsamer Tod gemeint ist, wie es in vielen gemeinschaftlichen Testamenten der Fall ist. Das Urteil des OLG München (auch bei Juris veröffentlicht) behandelt dagegen einen Fall eines gemeinsamen Versterbens.


    Das mag ja alles sein und der Wille des Erblassers (sofern das auch der Wille der Ehefrau war) soll ja auch ermittelt werden. Dies erfolgt durch Anhörungen. Wenn dann das Ergebnis im Testament angedeutet ist, kommt man mit der ergänzenden Testamentsauslegung auch gut weiter. Aber ich sehe keine Andeutung im Testament. Allein die Lebensnähe genügt nicht. Und eine gegenseitige Alleinerbeneinsetzung in das Testament zu lesen? Wo ist dort die Andeutung bzw. der Anhaltspunkt?

    Ich sehe es nicht. Vielmehr sehe ich nur, dass das gesamte elterliche Vermögen ("unser Vermögen") nach dem Tode beider Elternteile ("nach unserem Tod") auf die eheliche Tochter ("unsere Tochter") übergehen soll. Eine nicht vorhandene Verfügung für den ersten Sterbefall kann ich nicht ersetzen. Mag sein dass die Ehegatten davon ausgingen, sie würden sich damit gleichzeitig zu gegenseitigen Alleinerben einsetzen. Aber dieser Gedanke ergibt sich nicht aus dem Testament.

  • Ich habe immer wieder gemeinschaftliche Testamente, wo sich die Ehegatten bewusst nicht bedenken, weil sie selber genug haben und bei nur einem Kind (das nichtehel. Kind des Mannes spielte 1975 noch keine Rolle) nicht in die Erbschaftsteuerfalle geraten wollen.
    Also wenn viel Vermögen bei Testamentserrichtung da war, kann man durch aus für beide Erbfälle zur Alleinerbeinsetzung der Tochter kommen (Freibetrag war damals "nur" 90.000DM, allerdings wurde Grundeigentum auch nur mit 140 % des Einheitswerts bewertet). Das "unser" Vermögen würde mich nicht stören, da jeder testiert, kann man das durchaus zusammenfassend so bezeichnen.

    Wenn steuerliche Gründe (1975) keine Rolle spielten, dann käme durchaus gegenseitige Alleinerbeinsetzung und Schlusserbeinsetzung der Tochter infrage.

    Zu Vor- und Nacherbfolge finde ich keinen Hinweis im Testament.

  • Auch ich halte eine gegenseitige Alleinerbeneinsetzung der Ehegatten für möglich. Die erforderliche Andeutung ist in der Formulierung "unser Vermögen" für den Fall "unseres Todes" enthalten. Dies kann man (auch) so deuten, dass auf den Tod des Zuletztversterbenden abgestellt ist und sich die Intention, dass dann "unser" Vermögen übergehen soll, nur verwirklichen kann, wenn zunächst der Ehegatte das gesamte Vermögen in seiner Person vereinigt. In der Regel klären sich solche Dinge aber im Rahmen der gebotenen Anhörung der Beteiligten.

    Auch das 2. ErbGleichG nützt natürlich nichts, wenn die Vaterschaft nicht festgestellt ist und auch nicht nach § 3 NEhelG als festgestellt gilt.

  • In der Tat. Auf die fehlende Feststellung der Vaterschaft habe ich den antragstellenden Notar aufmerksam gemacht. Derzeit wäre die nichteheliche Tochter in keinem zu erteilenden Erbschein auszuweisen. Aber beteiligen werde ich sie auf jeden Fall, vielleicht zückt sie ja noch die Feststellungsurkunde aus der Hosentasche. :)

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