Kosten auswärtiger Rechtsanwalt - Hausanwalt

  • Ich bräuchte bitte mal wieder Eure Hilfe. Ich habe mich jetzt durch Kommentare, Rechtsprechung und Suchfunktion gequält, aber meinen Fall nicht gefunden. Oder ich kapiers einfach nicht.

    Klägerin ist der große Stromkonzern in Bayern mit Sitz in Regensburg (keine Rechtsabteilung). Nehmen wir als Gerichtsort mal fiktiv München an. Vertreten wird die Klägerin von einer Kanzlei in Berlin. Die Klägerin gewinnt den Prozess, die Kosten werden dem Beklagten auferlegt.

    Der RA beantragt nun Unterbevollmächtigtenkosten. Ich bin davon ausgegangen, dass fiktive Reisekosten der RAe in Berlin nicht erstattungsfähig wären, sondern nur Reisekosten vom Sitz der Partei aus (RA am dritten Ort). Die geltend gemachten UBV-Kosten übersteigen die fiktiven Reisekosten eines RA in Regensburg um mehr als 10%. Ich habe die Mehrkosten des UBV daher nur in Höhe der fiktiven Reisekosten festgesetzt.
    Im Rahmen der Erinnerung verweist der RA nun darauf, dass die Kanzlei in Berlin sämtliche Forderungen der Holding bearbeitet und als Hausanwalt tätig ist. Zudem würde es sich um das Spezialgebiet Energierecht handeln, das nur wenige RAe beherrschen.

    Die meisten Entscheidungen, die ich gefunden habe, ergingen für Versicherungen. Wendet Ihr sie auch für andere Unternehmen an? Hätte sich das Unternehmen nicht auch einen Hausanwalt an ihrem Sitz suchen können? Oder ist sie dazu nicht verpflichtet?
    Würdet Ihr in diesem Fall die vollen Reisekosten und damit auch die vollen Unterbevollmächtigtenkosten geben? Vielleicht könnt Ihr ja meinen Knoten im Hirn lösen.

  • Zudem würde es sich um das Spezialgebiet Energierecht handeln, das nur wenige RAe beherrschen.

    Das ist meines Erachtens durchaus ein Punkt der zu berücksichtigen wäre, und ggfls dagegen spricht zu sagen sie sollen sich einen Hausanwalt an ihrem Sitz suchen (wenn da kein Spezialist für Energierecht ist)...

  • Zudem würde es sich um das Spezialgebiet Energierecht handeln, das nur wenige RAe beherrschen.

    Das ist meines Erachtens durchaus ein Punkt der zu berücksichtigen wäre, und ggfls dagegen spricht zu sagen sie sollen sich einen Hausanwalt an ihrem Sitz suchen (wenn da kein Spezialist für Energierecht ist)...


    Da wäre ich kleinlicher. Wenn das große Unternehmen ohne Rechtsabteilung den üblichen "Beauty Contest" (Schaulaufen der Kanzleien zur Bewerbung um Mandatsübernahme z.B. aller Mandate für die nächsten zwei Jahre) macht, dann findet sich sehr schnell eine Kanzlei am oder in der Nähe des Sitzes.

    Ich spekuliere mal: Hier hatte den Beauty Contest die Berliner Kanzlei gewonnen, weil sie am besten im Lobbying ist. Und die so erhöhten Kosten versucht man jetzt den Prozessgegnern reinzudrücken.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Ich geben RK bzw. Kosten des UBV grundsätzlich nur bis zur Höhe eines RA am Sitz der Partei. Nun kann ich natürlich gut reden, denn hier in Ffm gibt es eine sehr große Anzahl von Fachanwälten auf so ziemlich allen Rechtsgebieten, so dass die Aussage "Spezialanwalt" bei mir nicht greift. Zudem wird in den Entscheidungen - zumindest meines OLG - immer wieder betont, dass es zu den Aufgaben eines RA gehöre, sich auch in hochkomplexe Sachverhalte einzuarbeiten.
    Aber auch im vorliegenden Fall würde ich als Vergleichsberechnung die RK eines RA am Sitz der Partei nehmen. Denn es wird auch in etwas näherer Umgebung als Berlin einen RA geben, der in der Lage ist, sich zumindest soweit in den Fall einzuarbeiten, dass eine qualifizierte Vertretung möglich ist.

  • Ich mach zwar seit einiger Zeit keine Kostensachen mehr, aber ich habe hier den Beschluss des BGH vom 09.09.2004, I ZB 5/04, im Sinn.

    Demnach käme es in diesem Falle darauf an, wo die Bearbeitung stattfindet. Hat das Unternehmen keine Rechtsabteilung und solche Sachen werden ausschließlich beim Berliner RA bearbeitet, dann wäre es für mich so, als ob die Rechtsabteilung in Berlin wäre. Und da es immer auf die tatsächliche Unternehmensstruktur, und nicht die fiktive kostengünstigste, ankommt, wäre die Beauftragung des Berliner Anwaltes inkl. aller damit verbundenen Kosten für mich OK.

  • Geändert:
    Das sog. Outsourcing gilt laut BGH für eine Versicherung, die selbst Partei des Rechtsstreits sein muss. Hierzu auch: Onderka in RVG professionell 2011, 123.

  • großer Energiekonzern ohne Rechtsabteilung?
    Partei und PG in München, Anwalt Berlin?

    > Rechtsanwalt am dritten Ort, Thema erledigt

  • Hinsichtlich Posting Nr. 5 noch eine Anmerkung/Ergänzung:
    Abzustellen wäre aber auf den Umstand, dass es sich um eine Sache handelt, deren vorangegangene unternehmensinterne Bearbeitung an einem Ort erfolgt ist, an dem das Unternehmen weder seinen Hauptsitz noch eine Zweigniederlassung unterhält (z. B. BGH NJW-RR 2011, 1430). Es reicht also für sich alleine noch nicht aus, dass das Unternehmen (angeblich) immer den gleichen Anwalt beauftragt und das dann als Hausanwalt bezeichnet.

  • Hinsichtlich Posting Nr. 5 noch eine Anmerkung/Ergänzung:
    Abzustellen wäre aber auf den Umstand, dass es sich um eine Sache handelt, deren vorangegangene unternehmensinterne Bearbeitung an einem Ort erfolgt ist, an dem das Unternehmen weder seinen Hauptsitz noch eine Zweigniederlassung unterhält (z. B. BGH NJW-RR 2011, 1430). Es reicht also für sich alleine noch nicht aus, dass das Unternehmen (angeblich) immer den gleichen Anwalt beauftragt und das dann als Hausanwalt bezeichnet.

    Jepp, das wollte ich mit dem "ausschließlich" ausdrücken. Der Hausanwalt muss sozusagen als Rechtsabteilung fungieren. Sorry, wenn das nicht genau genug war.

  • :heul: Oh Mann, manchmal denke ich, ich hätte lieber Mathematik studieren sollen, da ist das Ergebnis entweder richtig oder falsch. :heul:

    @ Impi85:
    Unternehmensintern wurde die Sache gar nicht in Berlin bearbeitet. Lediglich der RA hat dort seine Kanzlei und hat die Sache nach Abgabe dort bearbeitet. Würde Dir das trotzdem reichen?

    @ alle, die nur die Kosten eines RA am Sitz geben:
    Wie begründet Ihr das bzw. warum wendet ihr nicht die Rechtsprechung zum Hausanwalt bzw. Outsourcing an?

    @ P:
    Mit der von Dir zitierten Entscheidung widerspricht der BGH doch eigentlich seiner eigenen Entscheidung vom 12.11.2009 (I ZB 101/08 Rn. 8), oder? Dort sagt er, dass die unternehmensinterne Bearbeitung auch durch den RA am dritten Ort erfolgen kann.

  • BGH vom 21.12.2011, Az I ZB 47/09 Rn 9: RK nur bis zur Höhe der RK eines RA am Sitz der Partei.

    :daumenrau

  • Mir ist jetzt nicht ganz klar, was Du unter Rechtsprechung zum "Hausanwalt" meinst. Das Kriterium "Hausanwalt" ist laut Rechtsprechung für eine Erstattungsfähigkeit von Kosten völlig irrelevant.

    Das sog. Outsourcing - insoweit habe ich meinen obigen Beitrag ändern müssen - betrifft nach BGH lediglich einen Versicherer, der selbst Partei des Prozesses sein muss.

    Ich empfehle zu den Reisekosten den oben genannten Aufsatz von Onderka.
    Wenn in Deinem Fall nur ein Berliner RA beauftragt wurde, dann gilt das von P. Gesagte: Ausschlaggebend ist die Strecke Sitz der Partei - Prozessgericht - retour.

  • Auch nach Überfliegen der BGH-Beschlüsse bleibe ich bei meiner Meinung.

    Hat der externe RA mit Sitz in Sonstwohausen die Aufgaben einer nicht vorhandenen internen Rechtsabteilung übernommen (Rechtsabteilung also outgesourct (watt´n Wort)), dann sind die Reisekosten erstattungsfähig.

    Hat der externe RA mit Sitz in Sonstwohausen lediglich das Gerichtsverfahren durchgeführt und eine Bearbeitung vorher unternehmensintern erfolgt ist, dann die Reisekosten bis zum Sitz der Partei (RA am 3.Ort).

    Warum Outsoucing lediglich für einen Versicherer, aber nicht für andere Unternehmen zutreffen soll, erschließt sich mir übrigens nicht.

  • Das erschließt sich mir im Grunde auch nicht, ist vom BGH jedoch lediglich auf Versicherer zugeschnitten worden (so auch Onderka). Eine anders lautende Entscheidung ist mir auch nicht bekannt, daher habe ich meinen obigen Beitrag auch ändern müssen. Ich bin mir jetzt allerdings nicht sicher, das Outsourcing auch schon mal bei Unternehmen wie den Telekomikern angewandt zu haben mit ihren ständigen Vertretern aus Heidelberg. Da müsste ich noch mal forschen.

  • zur weiteren Verunsicherung :teufel:
    OLG Frankfurt vom 17.7.2008, Az 18 W 234/08: "Es istauch unerheblich, wo die Beklagte die Entscheidung über die Aufnahme vonProzessen und über die Vergabe von Mandaten entscheidet. Zwar ist die Beklagtein der Gestaltung ihrer betrieblichen Organisation frei, hieraus resultierendeMehrkosten kann sie jedoch nicht auf den Prozessgegner abwälzen. Verklagt wurdedie Beklagte in Frankfurt. Die klagende Partei muss nicht davon ausgehen, imFall des Unterliegens mit Reisekosten eines vom Gegner bestellten auswärtigenBevollmächtigten belastet zu werden, wenn er die Beklagte an ihrem Sitzverklagt."

  • zur weiteren Verunsicherung :teufel: OLG Frankfurt vom 17.7.2008, Az 18 W 234/08: "Es istauch unerheblich, wo die Beklagte die Entscheidung über die Aufnahme vonProzessen und über die Vergabe von Mandaten entscheidet. Zwar ist die Beklagtein der Gestaltung ihrer betrieblichen Organisation frei, hieraus resultierendeMehrkosten kann sie jedoch nicht auf den Prozessgegner abwälzen. Verklagt wurdedie Beklagte in Frankfurt. Die klagende Partei muss nicht davon ausgehen, imFall des Unterliegens mit Reisekosten eines vom Gegner bestellten auswärtigenBevollmächtigten belastet zu werden, wenn er die Beklagte an ihrem Sitzverklagt."



    Un da muss ich dem OLG Frankfurt mal ganz uneingeschränkt zustimmen. Schon die Möglichkeit, über die Verlagerung von "Bearbeitungsstellen" die Kosten zu "gestalten" halte ich im Grundsatz für bedenklich. Immerhin setzt eine vernünftige Prozessführung auch eine Kalkulierbarkeit von Kosten - auch im Verhältnis zum mutmaßlichen Ertrag - voraus. Daher: Wehret den Anfängen, soweit noch möglich.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • zur weiteren Verunsicherung :teufel: OLG Frankfurt vom 17.7.2008, Az 18 W 234/08: "Es istauch unerheblich, wo die Beklagte die Entscheidung über die Aufnahme vonProzessen und über die Vergabe von Mandaten entscheidet. Zwar ist die Beklagtein der Gestaltung ihrer betrieblichen Organisation frei, hieraus resultierendeMehrkosten kann sie jedoch nicht auf den Prozessgegner abwälzen. Verklagt wurdedie Beklagte in Frankfurt. Die klagende Partei muss nicht davon ausgehen, imFall des Unterliegens mit Reisekosten eines vom Gegner bestellten auswärtigenBevollmächtigten belastet zu werden, wenn er die Beklagte an ihrem Sitzverklagt."



    Un da muss ich dem OLG Frankfurt mal ganz uneingeschränkt zustimmen. Schon die Möglichkeit, über die Verlagerung von "Bearbeitungsstellen" die Kosten zu "gestalten" halte ich im Grundsatz für bedenklich. Immerhin setzt eine vernünftige Prozessführung auch eine Kalkulierbarkeit von Kosten - auch im Verhältnis zum mutmaßlichen Ertrag - voraus. Daher: Wehret den Anfängen, soweit noch möglich.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    :daumenrau:daumenrau

  • Die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässig ist ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), sind zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung grundsätzlich nicht erforderlich.
    Es sind deshalb nur diejenigen Reisekosten zu erstatten, die aus dem Auseinanderfallen von Gerichtsort einerseits und Geschäfts- oder Wohnsitz der Partei andererseits entstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 22.02.2007, VII ZB 93/06 und BGH, Beschluss vom 22.04.2008, XI ZB 20/07).

  • Zu Posting Nr. 11: Also unter den von dir bisher geschilderten Umständen würde ich die Reisekosten nur vom Sitz der Partei zum Prozessgericht und zurück als notwendige Kosten i. S. d. § 91 II ZPO anerkennen und deshalb auch nur in dieser Höhe festsetzen, da keine Ausnahme aus der bestehenden BGH-Rspr. greifen dürfte.
    Neben dem bereits oben von mir angeführten Beschluss (der übrigens keine Versicherung betrifft) gibt es auch nochmal einen aus 2011 (13.09.2011, VI ZB 42/10), der ebenfalls bei vorliegen besonderer Umstände die Mehrkosten (also statt Parteisitz zum Gericht und zurück vom Sitz des Anwalts aus) als notwendige Kosten zuerkennt. Aber auch hier muss eben zwingend eine dem Rechtsstreit vorangegangene unternehmensinterne Bearbeitung der Sache (am Ort des später dort beauftragten Anwalts) erfolgt sein. So zumindest verstehe ich beide Beschlüsse und wende sie auch an. Kann jetzt leider nicht die bzw. alle entsprechenden Stellen zitieren, sonst streicht man das später sowieso wieder raus. Einfach selbst mal Zeit nehmen und nachlesen. ;)

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