Erbscheinsverfahren bei einem privatschriftlichen Testament mit Minderjährigem

  • Hallo liebe Kollegen und Freunde des Erbrechts,

    ich hoffe ihr könnt mir helfen, mein Notar missbraucht mich mal wieder als seinen wissenschaftlichen Mitarbeiter, leider kann ich seine Fragen nicht ganz beantworten :gruebel:

    das Problem ist folgendes:

    Es liegt ein privatschriftliches Berliner Testament vor, in dem sich die Ehegatten gegenseitig als "alleinige Vorerben ", ihre 3 Abkömmlinge allerdings als "Schlusserben zu je einem Drittel", statt als Nacherben einsetzen.
    Nun ergibt die Auslegung, dass sie wohl Voll- und Schlusserbschaft, anstatt Vor- und Nacherbschaft gemeint haben.
    Die Ehefrau will jetzt einen Erbschein beantragen nach ihrem verstorbenen Mann, in dem sie als Alleinerbin und nicht als Vorerbin ausgewiesen wird.
    Eines der drei Abkömmlinge ist minderjährig ( 14 Jahre alt).
    Es sollen jetzt von allen drei "Schlusserben" Stellungnahmen eingeholt werden, dass sie damit einverstanden sind, dass ein Erbschein ohne die Beschränkung der Nacherbschaft erteilt wird, dass ihre Mutter also Vollerbin und sie Schlusserben sind.
    Nun soll ich herausfinden, ob das Kind persönlich anzuhören ist, ob das Kind einen Ergänzungspfleger oder "Verfahrenspfleger" braucht und wie der Interessenkonflikt zu lösen ist.

    Meine eigenen Ermittlungen und Fragen:

    Das mit der Stellungnahme von den drei Abkömmlingen steht nirgends im Gesetz, dass macht er wohl um sich selbst abzusichern.
    Es geht eigentlich jetzt darum, wie das Kind im Erbscheinsverfahren zu beteiligen ist.
    Dass es zu Beteiligen ist, ergibt sich doch aus § 345 I 2 Nr. 1, 4 und Nr. 5 FamFG?
    Der Notar spricht immer von Verfahrenspfleger, ich glaube er meint einen Verfahrensbeistand nach § 158 FamFG oder?
    Dazu muss es sich um eine Kindschaftssache handeln, nach §§ 151 Nr.1 FamFG, 1626 I 2 BGB ist ja die Vermögenssorge Teil der elterlichen Sorge und somit Kindschaftssache.
    Nach § 158 II Nr.1 FamFG braucht es ja einen Interessenkonflikt, der ist hier ja gegeben, da die Mutter das Kind allein vertritt, §§ 1629 I 3, 1680 I BGB.
    Muss das persönlich angehört werden? § 159 FamFG lässt es vermuten.
    Auch denkbar wäre ja nach § 1796 I BGB, die Entziehung der Vertretungsbefugnis und dann die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 BGB.
    Das Kind kann ja nicht einfach selbst die Stellungnahme abgeben, da es ja einen rechtlichen Nachteil darstellt oder? §§ 106 ff. BGB, dann wäre es ja schwebend unwirksam.

    Danke für eure Hilfe
    Schönes Wochenende schon einmal :)

  • Mutter ist rechtlich verhindert, Familiengericht bestellt auf Anregung des Nachlassgerichts (wenn dort schon der Erbscheinsantrag vorliegt) oder der Mutter einen Ergänzungspfleger.


  • Auch denkbar wäre ja nach § 1796 I BGB, die Entziehung der Vertretungsbefugnis und dann die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 BGB.
    Das Kind kann ja nicht einfach selbst die Stellungnahme abgeben, da es ja einen rechtlichen Nachteil darstellt oder? §§ 106 ff. BGB, dann wäre es ja schwebend unwirksam.


    Wieso nur auch und wieso nur denkbar ?:gruebel:
    Wie die Vorredner ist die Anregung einer Pflegerbestellung nach § 1909 BGB das Gebot der Stunde !

  • Vielen Dank für die tollen Antworten, damit sind meine Fragen beinah geklärt :) stimmt cromwell, es steht ja in § 158 FamFG eindeutig drin, dass es die Person betreffen muss und hier ist ja das Vermögen betroffen. :wall:
    Eine kleine Frage hab ich noch : Muss bzw. sollte das Kind persönlich angehört werden nach § 159 FamFG?

    2 Mal editiert, zuletzt von MW91 (12. April 2015 um 01:47)


  • Auch denkbar wäre ja nach § 1796 I BGB, die Entziehung der Vertretungsbefugnis und dann die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 BGB.
    Das Kind kann ja nicht einfach selbst die Stellungnahme abgeben, da es ja einen rechtlichen Nachteil darstellt oder? §§ 106 ff. BGB, dann wäre es ja schwebend unwirksam.


    Wieso nur auch und wieso nur denkbar ?:gruebel:
    Wie die Vorredner ist die Anregung einer Pflegerbestellung nach § 1909 BGB das Gebot der Stunde !

    Gilt die Ergänzungspflegerbestellung auch im Falle der gesetzlichen Erbfolge, wenn das mdj. Kind unmittelbarer Erbe wird? Immerhin wäre ja zu prüfen, ob das Kind die Erbschaft angenommen hat. Bei überschuldeten Nachlässen bzw. Nachlässen mit Schulden (fremdbelasteter Grundbesitz) wäre das ja nicht in jedem Falle vorteilhaft für das Kind. Und ob und in welcher Höhe valutierende Schulden vorhanden sind, prüft ja das Nachlassgericht auch nicht. Wir verlassen uns hier auf die Angaben der Leute und ob die immer Richtig sind, wage ich mal zu bezweifeln!

  • Hat dieses "Verlangen" = "Erforderlichkeit" nicht das Familiengericht zu prüfen?

    Wenn ich es nicht mitteile, erfährt das Fam.Gericht ja erst von der Sache, wenn sie bei mir abgeschlossen ist.


  • Eine kleine Frage hab ich noch : Muss bzw. sollte das Kind persönlich angehört werden nach § 159 FamFG?

    Vgl.§ 159 I S .2 FamFG.
    In Fällen der Vermögenssorge reicht eine schriftliche Anhörung des Kindes > 14 Jahre aus.

    Das mag in Kindschaftssachen - z. B. im familiengerichtlichen Genehmigungsverfahren - so sein.

    Aber: Das Erbscheinsverfahren ist keine Kindschaftssache! Und allgemein verfahrensfähig sind 14-jährige (und ältere) Minderjährige nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG nur, wenn es um ein Verfahren geht, das ihre Person betrifft. Hier geht es aber um die Vermögenssorge, so dass es bei der Vertretungsregel des § 9 Abs. 2 FamFG verbleibt (Elternvertretung). Da § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB für das Erbscheisverfahren nach hM nicht gilt, kommt man somit über § 1796 BGB zur Bestellung eines Ergänzungspflegers.

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