Vorrang Nachlasspflegschaft vor Fiskuserbrecht?

  • Hallo liebe Kollegen.

    Die Erbschaft wurde von der Ehefrau und von allen Erben der 1. und 2. Ordnung ausgeschlagen. Grundbesitz ist vorhanden.
    Schulden sind ebenfalls vorhanden, daher wurde ausgeschlagen.
    Meines Erachtens ist die Anordnung einer Nachlasspflegschaft jetzt nicht sinnvoll, da ja wahrscheinlich auch alle weiteren Erbberechtigten der 3. Ordnung das Erbe ausschlagen werden. Ich würde daher eine öffentliche aufforderung durchführen und sodann Fiskuserbrecht feststellen.

    Meine Frage lautet nun: Gibt es gesetzlich einen Vorrang der Nachlasspflegschaft vor Feststellung des Fiskuserbrechtes? Ich habe ausdrücklich keinen Vorrang gefunden.

  • Moin. Ist denn im Moment ein Sicherungsbedürfnis vorhanden? Muss irgendetwas mit dem Grundstück passieren? Kennst du die Erben der 3. Ordnung? Die musst du ja sowieso erstmal ermitteln, bevor du Fiskuserbrecht feststellen kannst (meines Wissens:gruebel:). Bin aber in diesem Thema (F.erbrecht) auch nicht so bewandert.
    Gruß

  • § 1964 BGB spricht davon, dass der Erbe innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist nicht zu ermitteln ist und dann erst das Fiskuserbrecht festgestellt werden kann.

    Daraus folgt der Rückschluss, dass zunächst einmal zu ermitteln ist, bevor man das FE feststellt.

    Wenn jedoch die bekannten näheren Verwandten (und damit Erben) die Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen haben, kann es untunlich sein, noch weitere Recherchen anzustellen, wenn anzunehmen ist, dass die so ermittelten Erben nur ebenso die Erbschaft ausschlagen werden.

    Insofern wäre es m.E. hier durchaus möglich, das Fiskuserbrecht (nach entsprechender Veröffentlchung) festzustellen ohne eine NLP anzuordnen. Die Feststellung des FE ist übrigens vom Wert des Nachlasses oder dessen Überschuldung bzw. Nichtüberschuldung unabhängig.

    Jedoch: Ich bin in mehreren Fällen die ähnlich gelagert waren zum NLP bestellt worden und konnte durch geschickte Verhandlungen mit Gläubigern (in Bezug auf die im NL vorhandene Immobilie und die dinglichen Sicherungsrechte) erreichen, dass eine für alle Beteiligten gute Lösung gefunden werden konnte und der Nachlass letztlich sogar keine Überschuldung mehr ausgewiesen hat. Erst vor wenigen Tagen haben in so einem Fall die Angehörigen dann die Ausschlagung angefochten und können demnächst wohl den Übererlös von mir bekommen.

    Es muss also nicht immer alles wirklich überschuldet sein, was zunächst danach aussieht und manchmal macht eine NLP vielleicht weniger Arbeit als die vermeintlich schnelle Lösung über das FE.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Und als Anfechtungsgrund wurde angeführt, dass nachträglich die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderung verzichtet haben? Hätte ich erstmal nicht für durchgreifend gehalten, aber man lernt ja nie aus...

  • Fall 1:
    Die Immobilie wurde unter Anrechnung auf die Forderung auf den Gläubiger übertragen und dieser erklärt sich damit für voll befriedigt. Das ist kein Forderungsverzicht und ändert die Summe der Aktiva und Passiva - bezogen auf den Erbfall - nicht.

    Fall 2:
    Es ist eine Lebensversicherung aufgetaucht, die die dinglichen Kreditschulden abdeckte und damit die Überschuldung beseitigte. Diese LV war den Erben unbekannt. Man ging von einem überschuldeten NL aus.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Nochmal zum Fiskuserbrecht:

    Fiskus beantragt Erbschein für Grundbuchberichtigung.
    Verstehe ich das richtig, dass man die Gefahr eines später unrichtigen Erbscheins bei Fiskuserbrecht stärker annehmen muss, also sonst, da mit Erlass der öffentlichen Aufforderung kein Erbausschluss erfolgt und wenn später jemand doch das Erbe annehmen möchte, dieser zu berücksichtigen ist?

    Vielen Dank.

  • Der Erbschein für den Fiskus ist immer falsch.

    Irgendwo wo lebt immer ein Erbe. Man kennt ihn nur nicht.

    Wird er bekannt, ist der Erbschein falsch und einzuziehen.

  • Mahlzeit!
    Ich habe ein ähnliches Problem:
    Ich habe einen gering überschuldeten Nachlass (kleine Verbraucherschulden eventuell auch Bestattungskosten sofern diese von den Söhnen nicht gezahlt wurden)
    Und ich habe ein Hochwassergeschädigtes unsaniertes Mehrfamilienhaus, dass durch den Hochwasserschaden unbewohnbar geworden ist und seit 2 Jahren leer steht. Erblasserin war anschließend in eine Wohnung umgezogen, wo sie vor kurzem erst verstarb.
    Die Erben der I. Ordnung haben allesamt ausgeschlagen mit der Begründung, dass es bares nicht zu erben gibt und man sich dieses Abrissbedürftige Haus nicht aufbürden möchte, zumal sie auch nicht in der Gegend wohnen um sich um die Immobilie zu kümmern.
    Die Ermittlung der Erben II. Ordnung läuft derzeit noch.

    Mein Plan:
    Nach Abschluss der Erbenermittlung der II. Ordnung und sofern auch hier alle ausschlagen gleich Feststellung Fiskuserbrecht.
    Keine Anordnung einer NLP, da ein Sicherungsbedürfnis nicht bekannt und verfügbares Geld aus dem Nachlass nicht vorhanden ist.
    Sollte natürlich Gefahr vom Grundstück ausgehen kann ich ja jederzeit einen NLP bestellen, aber so, sehe ich mich nicht veranlasst.

    Gut so?
    Müsste man für Fiskuserbrecht noch die 3. Ordnung ermitteln oder reicht so?

    Grüße
    Döner

  • Ironie:
    wieso hörst du bereits nach der 3. Erbfolgeordnung auf zu ermitteln und ermittelst nicht noch weitere (fernere) Erbfolgen, mit dem alleinigen Ziel, dass auch diese ermittelten Erben die Erbschaft ausschlagen.

    M.E. kannst Du schon jetzt feststellen, dass kein anderer Erbe als der Landesfiskus bekannt ist.

    Und ob Du eine Nachlasspflegschaft anordnest hat mit dem Verfahren zur Feststellung des Fiskalerbrechts ganz und gar nichts zu tun.

    Und auch nicht die Frage, ob Barnachlass für die Pflegervergütung vorhanden ist.

    Nach § 1960 BGB sind alleinige Gründe für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft

    a) Sicherungsbedürfnis und
    b) Unbekanntsein von Erben.

    b) liegt vor und
    a) musst Du selber prüfen.

    Aber bitte nicht eine Nachlasspflegschaft davon abhängig machen, ob Barnachlass für die Pflegervergütung vorhanden ist. Für diese Abhängigkeit habe ich bis heute noch keine Anknüpfung in den gesetzlichen Vorschriften gefunden. Bin aber nicht belehrungsresistent.


  • Aber bitte nicht eine Nachlasspflegschaft davon abhängig machen, ob Barnachlass für die Pflegervergütung vorhanden ist. Für diese Abhängigkeit habe ich bis heute noch keine Anknüpfung in den gesetzlichen Vorschriften gefunden. Bin aber nicht belehrungsresistent.

    Natürlich kann man die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft nicht davon abhängig machen, dass Barmittel vorhanden sind. Trotzdem kann ich nur abraten, in solchen Fällen eine NP einzurichten. Der NP kann nichts machen außer Nachlassinsolvenzantrag zu stellen. Daher komme ich in solchen Fällen schnell zum Fiskalerbrecht.

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