BerH trotz bereits eingelegtem Widerspruch gegen ALG II-Bescheid

  • Hallo zusammen,
    ich habe hier einen nicht alltäglichen Fall (jedenfalls nicht für mich).

    Der Antragsteller hat einen Antrag beim Jobcenter gestellt auf Übernahme eines Darlehens für eine Brille.
    Der Antrag ist abgelehnt, gegen die Ablehnung hat der Ast selbst fristgerecht Widerspruch eingelegt und diesen auch mit ca. 1 A4-Seite begründet.

    Die Ablehnung des Antrages und auch die Einlegung des Widerspruchs ist schon mehr als 3 Monate her, ohne dass eine Entscheidung gefallen wäre. Das Jobcenter rührt sich seiner Aussage nach gar nicht.
    Ich verstehe ja, dass das für den Ast eine sch... Situation ist, aber ich sagte ihm dann, dass es für die bloße Beschleunigung der Bearbeitung seines Widerspruchs keine BerH geben kann (ähnlich wie bei einer bloßen Antragsbeschleunigung).

    Aus dem persönlichen Gespräch war zu entnehmen, dass es ihm ausschließlich um eine Beschleunigung der Entscheidung der Widerspruchsstelle geht, um dadurch - wie er sagte - die Kosten einer evtl. Untätigkeitsklage zu vermeiden.

    Grundsätzlich gibt es doch (jedenfalls in meiner Welt ;)) zur Beschleunigung der Arbeit einer Behörde keine Beratungshilfe, dass kann man und muss man dann doch vergleichen, oder?
    Würde dafür jemand von Euch BerH geben?:gruebel:

    Gibt es Rechtsprechung, die meine Ansicht bekräftigt oder muss ich mich von der Gegenmeinung überzeugen lassen?

  • Hast du schon einmal gesucht? Wir haben hier einige Threads zum Thema Jobcenter.

    Inhaltlich gehen die Meinungen schon auseinander:
    Grundsätzlich ist das Verfahren mit dem Jobcenter auch für die Parteien selbst möglich.
    --> Aber oft "hilft" leider - in der Realität - nur ein Anwalt.
    --> Aber innerhalb des Verfahrens, also während es gerade keine Entscheidung gibt, gibt es eigentlich keinen Grund, jetzt plötzlich Rechtsrat im Sinne des BerHG in Anspruch zu nehmen
    --> Aber einen Anspruch auf tatsächliche Bearbeitung des Widerspruchs gibt es natürlich, und dieser kann auch durchgesetzt werden (Fristen beachten!)
    --> Aber das Mittel der Wahl wäre dann die Untätigkeitsklage, und Klagen fallen grundsätzlich nicht in die BerH
    --> Aber es soll zunächst mal nur auf die Möglichkeit der Klage hingewiesen werden ("übrigens, wenn ihr nicht arbeitet, dann...")
    --> Aber einerseits ist reines Drohverhalten durch Anwälte eindeutig nicht von der BerH erfasst und andererseits wäre auch die Vorbereitung einer Klage schon nicht mehr von der BerH erfasst


    Du siehst, es gibt da viele Aspekte, und je nachdem wie du die gewichtest, kannst du zu mehreren Ergebnissen kommen.
    Meiner Ansicht nach ist die "Drohung durch Briefkopf" mutwillig. Wenn er seinen Anspruch auf Bearbeitung durchsetzen will, soll er das bitte mit Hilfe der Untätigkeitsklage machen, damit ist BerH raus.

    Andere Ansichten sagen aber das Gegenteil, nämlich "wenn einerseits Leute sich auf Staatskosten den Widerspruch direkt vom Anwalt schreiben lassen, dürfte doch jemand der einen Teil der Arbeit schon selbst erledigt hat nicht benachteiligt werden". Mag auch vertretbar sein.

    Rechtsprechung hab ich dazu momentan leider nicht im Kopf.

  • Gemäß § 88 II SGG kann Verpflichtungsklage erhoben werden, wenn über einen Widerspruch nach drei Monaten noch immer nicht entschieden wurde. Der Betroffene soll in diesem Fall nochmals schriftlich die Bescheidung seines Widerspruchs binnen z.B. zwei Wochen anmahnen und darauf hinweisen, dass anderenfalls er Verpflichtungsklage erheben wird. Das funktioniert meistens. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass der Betroffene diese Vorschrift kennt. Da dass zumeist nicht der Fall ist, würde ich Beratungshilfe bewilligen, damit ein RA ihn insoweit berät. Das entsprechende Mahnschreiben an das Jobcenter kann der Betroffene dann allerdings selbst fertigen. Der RA würde daher nur die Beratungsgebühr erhalten.

  • Danke zunächst für die Ausführungen.

    Ich stimme da eher "malhiermalda" zu.
    Ich habe jetzt den Antragsteller angeschrieben und ihn auf die Vorschrift des § 88 SGG hingewiesen. Ich habe auch schon meine Meinung kundgetan. Mal sehen, was als Antwort kommt. :gruebel:

  • Wie würdet ihr denn die Beratungshilfefähigkeit sehen, wenn seit Einlegung des Widerspruch drei Monate noch nicht verstrichen sind (und eine besondere Eilbdürftigkeit nicht ersichtlich ist)?
    Konkret sind es in meinem Fall gut zwei Wochen weniger.
    Meine Tendez geht (ganz allgemein) dahin, dass grundsätzlich zunächst die Entscheidung vom Antragsteller selbst angemahnt werden muss, bevor der RA aufgesucht wird, dies aber umso mehr, je kürzer die Behörde schon über dem Widerspruch brütet.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Gemäß § 88 II SGG kann Verpflichtungsklage erhoben werden, wenn über einen Widerspruch nach drei Monaten noch immer nicht entschieden wurde. Der Betroffene soll in diesem Fall nochmals schriftlich die Bescheidung seines Widerspruchs binnen z.B. zwei Wochen anmahnen und darauf hinweisen, dass anderenfalls er Verpflichtungsklage erheben wird. Das funktioniert meistens. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass der Betroffene diese Vorschrift kennt. Da dass zumeist nicht der Fall ist, würde ich Beratungshilfe bewilligen, damit ein RA ihn insoweit berät. Das entsprechende Mahnschreiben an das Jobcenter kann der Betroffene dann allerdings selbst fertigen. Der RA würde daher nur die Beratungsgebühr erhalten.


    :daumenrau Danke. Das kannte ich auch noch nicht.

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Wie würdet ihr denn die Beratungshilfefähigkeit sehen, wenn seit Einlegung des Widerspruch drei Monate noch nicht verstrichen sind (und eine besondere Eilbdürftigkeit nicht ersichtlich ist)?
    Konkret sind es in meinem Fall gut zwei Wochen weniger.
    Meine Tendez geht (ganz allgemein) dahin, dass grundsätzlich zunächst die Entscheidung vom Antragsteller selbst angemahnt werden muss, bevor der RA aufgesucht wird, dies aber umso mehr, je kürzer die Behörde schon über dem Widerspruch brütet.

    Da bin ich voll und ganz bei dir.


    Am Rande eine Frage zum § 88 II SGG: Aus der Vorschrift selbst ergibt sich nicht, dass man vorher die Bearbeitung "anmahnen soll". Sehe ich es richtig, dass eine vorherige Anmahnung keine Zulässigkeitsvoraussetzung ist?

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Richtig. Manche JC wollen keine Kosten für die Untätigkeitsklage erstatten, wenn man vorher nicht nochmal bescheid gesagt hat, dass es jetzt aber wirklich wirklich mal Zeit ist. Aber zulässig ist die Klage allein durch Fristablauf.

  • Richtig. Manche JC wollen keine Kosten für die Untätigkeitsklage erstatten, wenn man vorher nicht nochmal bescheid gesagt hat, dass es jetzt aber wirklich wirklich mal Zeit ist. Aber zulässig ist die Klage allein durch Fristablauf.

    Vielen Dank!

    Ich wollte erst noch sagen "Eigentlich sollten die JC ja wissen, was für Fristen sie einzuhalten haben" - aber gerade da darf man nichts als bekannt voraussetzen :mad:

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Wie würdet ihr denn die Beratungshilfefähigkeit sehen, wenn seit Einlegung des Widerspruch drei Monate noch nicht verstrichen sind (und eine besondere Eilbdürftigkeit nicht ersichtlich ist)?
    Konkret sind es in meinem Fall gut zwei Wochen weniger.
    Meine Tendez geht (ganz allgemein) dahin, dass grundsätzlich zunächst die Entscheidung vom Antragsteller selbst angemahnt werden muss, bevor der RA aufgesucht wird, dies aber umso mehr, je kürzer die Behörde schon über dem Widerspruch brütet.

    Da stimme ich dir zu, auf jeden Fall. :daumenrau

    Übrigens, meinen Ausgangsfall hatte ich noch einmal angeschrieben, auf Eigentätigkeit und § 88 SGG verwiesen. Nach Fristablauf ohne Reaktion dann zurückgewiesen. Bis jetzt alles gut (kein RM oder so).
    Ich denke auch dass man diese Auffassung gut vertreten kann, schließlich kann ja nicht jeder ein eigenes Schreibbüro (Kanzlei) erhalten.:teufel:

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