Testamentsauslegung

  • Hallo Ihr Lieben,

    ich brauche mal eure Meinungen.

    Ich habe vorliegend ein notarielles Testament, in dem sich die Erblasserin und ihr Ehemann als Alleinerben eingesetzt haben. Nacherben sind die Kinder des Ehemanns.
    Öffnungsklausel ist enthalten, der Überlebende darf neu testieren.

    Ehemann und nun auch meine Erblasserin sind verstorben. Von der eh. Betreuerin wurde nun ein Schreiben eingereicht in dem folgendes steht:
    "Mein Testament habe ich heute meinen Erben A und B in Verwahrung gegeben, damit sie es nach meinem Tod dem Amtsgericht aushändigen" Das ganze ist eigenhändig ge- und unterschrieben.
    Das eigentliche Testament ist jedoch nicht mehr auffindbar.

    Nun ist B (A ist bereits verstorben) und die Kinder des Ehemanns aufgetaucht um die Sachlage zu klären. Der Kollege bei dem Sie waren schätzt die Sache so ein das B Erbe geworden ist, auch wenn das eigentliche Testament nicht mehr auffindbar ist.

    Jetzt hab ich aber auch noch die Aussage der Betreuuerin die sagt 2014 hat ihre Betreute ihr gesagt das sie das handschriftliche Testemant so nicht mehr aufrecht erhalten will.

    Da wir vorliegend einen zu sichernden Nachlass muss ich für mich recht zügig eine Entscheidung treffen wer nun Erbe geworden ist oder ob ich erst mal nen Nachlasspfleger einsetze.

    Vielen Dank schonmal im voraus!

    1. Aussage, Testament solle nicht aufrecht erhalten werden und
    2. Testament nicht auffindbar (wohl aber Begleitschreiben)


    legt für mích den Schluß nahe, dass das Testament in Widerrufsabsicht vernichtet wurde.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Aber das Testament hat sich dem Anschreiben nach nicht im Besitz der Erblasserin befunden, sie hat es A und B übergeben. Um es zu vernichten, hätte sie es sich zurückholen müssen. Dazu sollte B sich äussern.

  • Aber das Testament hat sich dem Anschreiben nach nicht im Besitz der Erblasserin befunden, sie hat es A und B übergeben. Um es zu vernichten, hätte sie es sich zurückholen müssen. Dazu sollte B sich äussern.

    Hat sie doch schon getan. Sie will Alleinerbin sein. Da aber kein Text des Testamentes bekannt ist und nur B behauptet, dass sie Alleinerbin sei, ist das unbeachtlich.

  • Zunächst dürften wir über eine Schlusserbeneinsetzung und nicht über eine Nacherbeneinsetzung sowie über einen Testiervorbehalt und nicht über eine - eigenartig bezeichnete - "Öffnungsklausel" sprechen.

    In der Sache selbst hat sich B zu der Frage zu äußern, was aus dem übergebenen Testament geworden ist (was er ggf. nicht weiß, wenn es vom vorverstorbenen A verwahrt wurde). Die erst im Jahr 2014 erfolgte Äußerung der Betreuten, sie wolle an dem handschriftlichen Testament nicht mehr festhalten, könnte eher darauf hindeuten, dass sie das Testament eben gerade nicht von den "Verwahrern" zurückverlangt und zurückerhalten hat (hierzu muss sich die vormalige Betreuerin ergänzend äußern). In diesem Fall wäre dieses nicht auffindbare Testament weiterhin wirksam, weil es nicht wirksam von der (unterstellt testierfähigen) Erblasserin durch Vernichtung widerrufen worden sein kann und auch kein Widerrufstestament vorliegt.

    Geht man von der Wirksamkeit des "verschwundenen" Testaments aus, ist nur noch zu klären, ob etwaige Abkömmlinge des A im Wege der Testamentsauslegung an dessen Stelle treten.

    Der Inhalt dieses Testaments scheint mir durch das besage Schriftstück geklärt (Aushändigung des Testaments "an meine Erben A und B").

  • Zunächst dürften wir über eine Schlusserbeneinsetzung und nicht über eine Nacherbeneinsetzung sowie über einen Testiervorbehalt und nicht über eine - eigenartig bezeichnete - "Öffnungsklausel" sprechen.

    In der Sache selbst hat sich B zu der Frage zu äußern, was aus dem übergebenen Testament geworden ist (was er ggf. nicht weiß, wenn es vom vorverstorbenen A verwahrt wurde). Die erst im Jahr 2014 erfolgte Äußerung der Betreuten, sie wolle an dem handschriftlichen Testament nicht mehr festhalten, könnte eher darauf hindeuten, dass sie das Testament eben gerade nicht von den "Verwahrern" zurückverlangt und zurückerhalten hat (hierzu muss sich die vormalige Betreuerin ergänzend äußern). In diesem Fall wäre dieses nicht auffindbare Testament weiterhin wirksam, weil es nicht wirksam von der (unterstellt testierfähigen) Erblasserin durch Vernichtung widerrufen worden sein kann und auch kein Widerrufstestament vorliegt.

    Geht man von der Wirksamkeit des "verschwundenen" Testaments aus, ist nur noch zu klären, ob etwaige Abkömmlinge des A im Wege der Testamentsauslegung an dessen Stelle treten.

    Der Inhalt dieses Testaments scheint mir durch das besage Schriftstück geklärt (Aushändigung des Testaments "an meine Erben A und B").


    Ein sehr gefährlicher Weg. Nicht zuletzt für A und B, denn das Testament ist ihnen übergeben worden "um es nach meinem Tod dem Amtsgericht zu übergeben" -> § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB, § 274 StGB.

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  • Das Testament kann auch durch bloße Schlamperei verloren gegangen sein. Hieraus lässt sich kein strafrechtlicher Vorwurf ableiten.


    Wie praktisch, dass sich die Begünstigten dennoch genau an dessen Inhalt erinnern können :cool:

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  • Mir erscheint Cromwells Weg auch richtig. Überdies ist das weitere Schriftstück auch in Testamentsform, auch wenn es nach seinem Wortlaut nicht das eigentliche Testament sein soll.

    Nur weil etwas von Hand geschrieben und unterschrieben ist, ist es noch kein Testament. Beim Wortlaut "Mein Testament habe ich heute meinen Erben A und B in Verwahrung gegeben, damit sie es nach meinem Tod dem Amtsgericht aushändigen" ergibt sich schon hieraus, dass dieses Schreiben kein Testament sein soll.

    In diesem Zusammenhang sei an die Anforderungen erinnert, die an den Nachweis eines angeblich versehentlich vernichteten Testaments gestellt werden, wie man sie zum Beispiel bei OLG München, 31 Wx 298/11, nachlesen kann:

    Ist die Urschrift der Testamentsurkunde nicht mehr vorhanden, können die Errichtung und der Inhalt eines Testaments auch mit Hilfe anderer Beweismittel dargetan werden, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (OLG München FamRZ 2008, 1378/1379 m.w.N.). Beweispflichtig ist, wer aus dem Testament Rechte herleiten will. Er hat nicht nur für den Nachweis einzustehen, dass der Erblasser ein formgültiges, rechtswirksames Testament mit den vom ihm behaupteten Inhalt errichtet hat, sondern ist auch dafür beweispflichtig, dass es sich nicht um einen bloßen Entwurf gehandelt hat (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 945/946; BayObLGZ 2004, 91/92 m.w.N.).

    b) Die von den Beteiligten berichteten Äußerungen des Erblassers ihnen gegenüber, er habe zu ihren Gunsten ein Testament errichtet, das die Beteiligte zu 1 in Wut zerrissen habe, reichen dafür nicht aus. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann schon nicht hinreichend sicher davon ausgegangen werden, dass die Äußerungen des Erblassers gegenüber seinen angeblich von ihm bedachten Kindern den Tatsachen entsprochen haben. Es gibt keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass Testatoren stets wahrheitsgemäße Angaben dazu machen, ob, in welcher Weise und mit welchem Inhalt sie eine letztwillige Verfügung errichtet haben. Auch sind verschiedenste Motive denkbar, weshalb Testierende gegenüber Dritten oder gegenüber den angeblich Bedachten Aussagen über die Regelung der Erbfolge tätigen, die nicht mit den tatsächlich getroffenen Bestimmungen übereinstimmen. Das gilt hier umso mehr, als das Verhältnis zwischen der - tatsächlich mit Testament vom 1.2.2007 als Alleinerbin eingesetzten - Lebensgefährtin des Erblassers und dessen Kindern aus erster Ehe konfliktbeladen war. Zudem unterlag der Erblasser nach den Feststellungen der im Betreuungsverfahren beauftragten Sachverständigen N., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, seit mindestens Ende 2008 bis Mai 2009 einer immer wieder stationär behandlungsbedürftigen depressiven Episode mit psychotischen Phänomenen. Darüber hinaus ist wesentlicher Inhalt der Erzählung des Erblassers gegenüber seinen Kindern, dass die Beteiligte zu 1 das angeblich zugunsten der Kinder errichtete Testament vernichtet habe. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es dem Erblasser vorrangig darum ging, seinen Kindern eine Erklärung oder Rechtfertigung für das Fehlen einer letztwilligen Verfügung zu ihren Gunsten zu geben, zumal sich aus der Stellungnahme der Beteiligten zu 4 ergibt, dass er ihnen von dem Testament vom 1.2.2007 nichts erzählt hatte.

    Im Übrigen wären die insbesondere von Beteiligten zu 3 und 4 im Einzelnen geschilderten Erzählungen des Erblassers auch nicht ausreichend, um mit hinreichender Sicherheit annehmen zu können, dass das angebliche Testament zugunsten der Kinder formgerecht und erst 2008 errichtet worden ist. So hat der Erblasser nach den Angaben insbesondere der Beteiligten zu 3 und 4 bei dem ersten Gespräch über das angebliche Testament zugunsten der Kinder mit der Beteiligten zu 4 im Spätsommer 2008 weder über die Form noch über den Zeitpunkt der Errichtung gesprochen, sondern lediglich angegeben, "in der Vergangenheit" ein Testament allein zugunsten der vier Kinder geschrieben zu haben. Gegenüber dem Beteiligten zu 3 hat er bei dem Gespräch am 23.3.2009 geäußert, er habe "im letzten Jahr" ein Testament zugunsten der Kinder geschrieben, während er im April 2009 davon gesprochen haben soll, das "handschriftlich verfasste Testament" "im Jahr 2008" aufgesetzt zu haben. Es erscheint schon höchst zweifelhaft, ob die mit zunehmenden zeitlichem Abstand von dem angeblichen Ereignis immer präziser werdenden Angaben tatsächlich aus der Erinnerung geschöpft und nicht etwa im Wege der Ausschmückung der mehrfach wiederholten Erzählung hinzugefügt wurden. Im Übrigen ist die Angabe "handschriftlich verfasst" nicht ausreichend, um eine nicht nur eigenhändig geschriebene, sondern auch unterschriebene letztwillige Verfügung zu belegen, zumal auch das vorliegende Testament teilweise formunwirksame Zusätze enthält.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Hallo Ihr Lieben,

    erst mal vielen Lieben dank für eure Antworten.
    Ich versuch mal mich damit auseinanderzusetzen.

    carlson, darüber habe ich auch schon nachgedacht. Da die Kinder des Ehemanns zwecks Kostengründen keinen Erbschein beantragen wollen, wäre das auch erst mal mein Ansatz.

    tom, da müsste ich noch mal nachhaken. Denn dazu hab ich keinerlei Aussage. Das Testament wurde ja bei A und B verwahrt und nicht bei der Erblasserin. Sie hätte es also erst zurückfordern müssen. Hierzu hat die B aber nix gesagt.

    @uschi, nein gerade das will Sie nicht. Sie hat sicherheitshalber mittlerweile ausgeschlagen. Das ist nur die Sicht des Kollegen, der die Sache fälschlicherweise bearbeitet hat. Nach seiner Ansicht würde ich dann zum Fiskalerbrecht kommen.

    Cromwell, das Testament wurde von A und B verwahrt. In ihrer Schreibtischschublade. Da ist es nicht mehr. Vor einigen Jahren wurde bei ihr eingebrochen, dabei könnte es gestohlen worden sein. Da ist sie sich aber auch nicht sicher. Es ist auf jeden Fall nicht mehr da.

    Wie kläre ich denn die Frage der Ersatzerbeneinsetzung. Den Inhalt des Testaments scheint niemand zu kennen.
    Ansonsten kann man sich der Meinung sicherlich anschließen, ist auch das was der Kollege sagt. Erben sind A und B, also jetzt nur noch B da A ja verstorben ist.

    tom, ich hab da auch so meine Bauchschmerzen mit, denn was wirklich in dem Testament stand wissen wir nicht. Es kann auch sein dass sie sich in der Begrifflichkeit irrt, also bei Ihrem Anschreiben und in dem eigentlichen Testament den beiden nur lediglich etwas vermacht hat.

    Wenn ich für mich nun das OLG München zu Grunde lege, könnte ich sagen, die B will gar keine Rechte aus dem nicht vorhandenen Testament herleiten. Also fällt der Beweis weg. Die Kinder des Ehemanns werden einen Teufel tun, also sind Sie die Erben?

    Liebe Grüße
    Chrysanthes

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