Auslandszustellung Sozialgericht

  • Hallo!

    Ich habe gestern das erste Mal eine Auslandszustellung am SG auf den Tsich bekommen und bin ehrlich gesagt noch etwas ratlos. Die Richterin meint, dass das Europäisches Übereinkommen vom 24.11.1977 über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland Anwendung findet, weil es sich um ein öffentlich-rechtliches Verfahren handelt. Ich selbst wäre über § 63 SGG in die ZPO gekommen und wäre dann über § 183 ZPO in die EuZVO gegangen. Ich muss nach Österreich zustellen.

    Vielleicht ja jemand von euch schon einmal eine ähnliche (oder sogar entsprechende) Zustellung ins Ausland vorgenommen und kann mir da weiterhelfen. Ich wäre über jede Anregung dankbar!

    Gruß,
    Flöte

  • Nach meiner Auffassung sind beide Wege falsch. Einerseits ist ein (sozial-)gerichtliches Verfahren keine Verwaltungssache im Sinne des Europäischen Übereinkommens vom 24.11.1977 über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland. Andererseits sind verwaltungsrechtliche Angelegenheiten in Art. 1 ZVO ausdrücklich ausgeschlossen.

    Die Auslandszustellung in sozialgerichtlichen Verfahren ist bislang nirgends einheitlich geregelt. Hintergrund: Kein anderes Land kennt eine Sozialgerichtsbarkeit. Warum sollten sich andere Staaten also auf so einen Exoten einlassen?

  • Es gibt für die Sozialgerichtsbarkeit keine Verträge. Es gilt weder die EuZVO noch die HZÜ. Ersuchen sind alle formlos auf dem diplomatischen Weg vorzunehmen. Auch in die EU-Länder.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Vielen Dank für eure Antworten!

    Dann ist es hier bisher falsch gehandhabt worden. Dann schauen wir mal wie das zu handhaben ist. Euer Weg leuchtet auch ein.
    Im Handbuch selbst steht, dass über das Europäische Überienkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen gegangen wird. Ehrlich gesagt wundere ich mich, dass es dort dann offensichtlich falsch drin steht.

  • Nach den Vorschriften des Auswärtigen Amtes (Schreiben vom 25.06.2007 - Gz. 505-1-511.01/2)- die für Berlin durch die zuständige Senatsverwaltung für anwendbar erklärt wurden - erfolgt die Zustellung aufgrund des Verweises in § 63 Abs. 2 SGG nach den Vorschriften der ZPO und damit sind wir bei der ZRHO. Wir verfahren hier so und das läuft ganz gut. Hatten damit noch nie Ärger.

  • Nach den Vorschriften des Auswärtigen Amtes (Schreiben vom 25.06.2007 - Gz. 505-1-511.01/2)- die für Berlin durch die zuständige Senatsverwaltung für anwendbar erklärt wurden - erfolgt die Zustellung aufgrund des Verweises in § 63 Abs. 2 SGG nach den Vorschriften der ZPO und damit sind wir bei der ZRHO. Wir verfahren hier so und das läuft ganz gut. Hatten damit noch nie Ärger.

    Für den Verweis auf die ZPO genügt mir § 63 SGG, dafür brauche ich kein Schreiben vom Auswärtigen Amt. Überdies ist der Hinweis lediglich erfolgt, um deutlich zu machen, dass dieses Schreiben für Verwaltungs- und Sozialgerichte nicht gilt.

    Interessant ist aber der Hinweis (es ist nicht mehr als ein Hinweis!) in Nr. 3 des Schreibens, in dem noch einmal die Zustellung durch Einschreiben gegen Rückschein in den Focus gerückt wurde. Die damals (2007) aufkommenden Zweifel, die zu Zustellungsersuchen durch die diplomatische oder konsularische Vertretung führen sollten, bestehen meines Erachtens seit der Neufassung des § 183 ZPO nicht mehr.

    Dass es in Berlin ganz gut läuft, sollte nicht davon abhalten, das Verfahren mal wieder auf den Prüfstand zu stellen. Zum einen war m.E. schon damals die Anwendung der ZRHO unzulässig. Zum anderen ist das von Euch praktizierte Verfahren sehr aufwändig. Da ist ein Einschreiben gegen Rückschein wesentlich schneller und einfacher.

    Das Recht ist mit den Hellen! :hetti:

    Einmal editiert, zuletzt von Mitwisser (22. Mai 2015 um 14:09) aus folgendem Grund: Formatierungsprobleme

  • Stehe ich jetzt auf dem Schlauch? Der Wortlaut des §183 I S.2 Alt. 1 "Wenn Schriftstücke auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen, so soll durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden [...)" ist für mich dahingehend zu verstehen, dass das Einschreiben mit Rückschein nur bei Bestehen eines entsprechenden Vertrages/einer VO möglich ist. Und genau solch ein Vetrag fehlt uns doch, sofern EuZVO und HZÜ keine Anwendung finden, sodass ich wieder genauso schlau bin wie vorher :gruebel:

  • Ich denke auch, dass 183 I 2 ZPO nicht anwendbar ist, da es keine völkerrechtlichen Vereinbarungen gibt. Hier geht nur Ersuchen.

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    Hrabanus Maurus


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    Maxim Gorki



  • Stehe ich jetzt auf dem Schlauch? Der Wortlaut des §183 I S.2 Alt. 1 "Wenn Schriftstücke auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen, so soll durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden [...)' ist für mich dahingehend zu verstehen, dass das Einschreiben mit Rückschein nur bei Bestehen eines entsprechenden Vertrages/einer VO möglich ist. Und genau solch ein Vetrag fehlt uns doch, sofern EuZVO und HZÜ keine Anwendung finden, sodass ich wieder genauso schlau bin wie vorher :gruebel:


    Doch, es gibt ja eine völkerrechtliche Vereinbarung: den Weltpostvertrag. Danach kannst Du Schriftstücke unmittelbar durch die Post ins Ausland versenden. Willst Du ein Schriftstück im Ausland zustellen, dann musst Du dies gem. § 183 ZPO per Einschreiben gegen Rückschein erledigen.

  • Hinsichtlich der Zustellung eines einfachen Schriftstücks kann man sich vllt. noch damit anfreunden, per Einschreiben/Rückschein zu übersenden. Was ist aber mit Schriftstücken die z.B. eine Ladung zu einem Gerichtstermin enthält oder die Aufforderung zu einem Tun oder Unterlassen innerhalb einer bestimmten Frist; ich glaub an der Stelle stößt auch der Weltpostvertrag seinem Sinn und Zweck nach an seine Grenzen. Dass die ZRHO in der Sozialgerichtsbarkeit keine Anwendung findet, dürfte allgemein vorherrschend sein.

    Interessanterweise hat z.B. der 9. Senat des BSG in einem Fall der Zulässigkeit der Berufung nebenbei die Anwendung des VwZG nicht für unzulässig erachtet, als die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils über das Generalkonsulat Breslau bewirkt wurde (BSG, Beschluss vom 09.02.2000, - B 9 V 29/98 R - zitiert nach juris).

    Das LSG Bayern führt in einer Entscheidung (Beschluss vom 22.07.2009 -L 19 R 467/08- zitiert nach juris) wie folgt aus:

    Gemäß §§ 151 Abs 1, 2, 153 Abs 1 iVm § 87 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung bei Zustellung im Ausland binnen drei Monaten nach Zustellung beim Sozialgericht oder beim Landessozialgericht einzulegen. Gemäß §§ 105 Abs 1 Satz 3, 133 Satz 1, 63 Abs 1, Abs 2 Satz 1 SGG ist ein Gerichtsbescheid nach den Vorschriften der ZPO zuzustellen. Dies erfolgt im Ausland nach den bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen (§ 183 Abs 1 Satz 1 ZPO). Die Zustellung unmittelbar durch die Post bedarf einer entsprechenden völkerrechtlichen Vereinbarung (§ 181 Abs 1 Satz 2 ZPO). Eine solche Vereinbarung besteht nicht zwischen der Türkei und Deutschland (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, 67.Aufl. 2009 ZPO, § 183 Rdnr 1, Anhang nach § 183 Rdnr 3). Die Zustellung des Gerichtsbescheides mittels Einschreiben mit Rückschein ist unter Verletzung zwingender Formvorschriften erfolgt. Gemäß § 189 ZPO gilt dann jedoch das Schriftstück in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es tatsächlich zugegangen ist, also der Empfänger Kenntnis nehmen konnte (Baumbach/Lauterbach, aaO § 189 Rdnr 4).


    Das LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 18.12.2014 -L 22 R 155/14- zitiert nach juris) führt im Fall einer Betreibensaufforderung an einem im Ausland sitzenden Kläger wie folgt aus:

    Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG wird nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) zugestellt. Eine Zustellung im Ausland ist nach den bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen vorzunehmen. Wenn Schriftstücke aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen, so soll durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden, anderenfalls die Zustellung auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts unmittelbar durch die Behörden des fremden Staates erfolgen (§ 183 ZPO). Nach Art. 76 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 können die Behörden und Träger der Mitgliedsstaaten, wobei "Träger" in jedem Mitgliedstaat die Einrichtung oder Behörde ist, der die Anwendung aller Rechtsvorschriften oder eines Teils hiervon obliegt (Art 1 Bst. p Verordnung <EG> Nr. 883/2004), für die Zwecke dieser Verordnung miteinander sowie mit den betroffenen Personen oder deren Vertretern unmittelbar in Verbindung treten, so dass eine Zustellung nach § 175 Satz 1 ZPO durch Einschreiben mit Rückschein zulässig ist.

    Die Betreibensaufforderung ist mit Einschreiben gegen Rückschein der Klägerin zugestellt worden, wie sich aus dem Rückschein ergibt. Allerdings ist diesem Rückschein das genaue Datum der Zustellung nicht zu entnehmen. Da dieser Rückschein jedoch am 9. September 2013 beim Landessozialgericht eingegangen ist, steht jedenfalls fest, dass spätestens zu diesem Zeitpunkt auch die Zustellung bei der Klägerin erfolgt ist.

    Zusammenfassend ist m.E. im Falle einer Auslandszustellung immer zu schauen, ob eine völkerrechtliche Vereinbarung mit dem jeweiligen Land besteht. Besteht dieser, ist der Inhalt der Vereinbarung zur Zustellung maßgebend; gibt es keine Regelungen zur Zustellung gerichtlicher Schriftstücke bleibt nur der diplomatische Weg. Zuständig hierfür ist ausschließlich der Vorsitzende der Kammer bzw. zuständige Berichterstatter, weil kein Fall der Inlandszustellung mehr vorliegt.

    Hierzu zitiere ich mich mal aus einem Parrallelthread im Fall eines Rechtshilfeersuchens in Strafsachen:

    ...

    Was soll eine Zustellung, zunächst inländischer Art sonst sein, wenn nicht Justizverwaltungsakt der Geschäftsstelle (§ 168 ZPO, § 37 Abs. 1 StPO)? Der Entscheider verfügt, bitte an die betreffende Person zuzustellen und gibt es in den Geschäftsgang.

    Dann sollte nunmehr klar sein, dass es weder eine Aufgabe des Rechtspflegers ist, noch eine des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Schließlich werden diese an keiner Stelle des Gesetzes genannt, sodass es wohl nur noch der nach dem Geschäftsordnungsplan zuständige Justizmitarbeiter der Geschäftsstelle sein kann, der damit betraut wurde. Ob die Tätigkeit seiner beamtenrechtlichen Laufbahn entspricht, mag ja mal dahingestellt sein, als im Wege des Direktionsrechtes ("Bitte ausführen") dem Beamten die Tätigkeit übertragen wurde

    Hinsichtlich einer Auslandszustellung nach § 183 ZPO erfolgt diese auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts, sodass er dieses auch zu unterschreiben hat. Das bedeutet aber nicht, dass er zur Vorbereitung des Ersuchens sich nicht einer Hilfe bedienen kann, einer Art "wissenschaftlichen Tätigkeit" eines Dritten, die wiederum durch den Geschäftsordnungsplan auf einen Mitarbeiter des Gerichts übertragen werden kann. Das hat ebenso nichts mit der Tätigkeit eines nach dem Gesetz bestimmten Rechtspflegers oder gar Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu tun.

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