Ausschlagung nur bezügl. eines Testaments

  • Hallo,
    ich habe gerade dieses Problem:

    Meine verwitwete Erblasserin hat zwei Testamente hinterlassen: ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament mit dem vorverstorbenen Ehemann aus 1980 und ein notarielles Einzeltestament aus 2002.
    Im ersten Testament haben die Eheleute sich gegenseitig zu Alleinerben und die drei Kinder als Schlusserben eingesetzt. Im Einzeltestament hat die Erblasserin ihre drei Kinder als Erben eingesetzt, jedoch zwei Vorausvermächtnisse verfügt (das Kind A soll den Grundbesitz erhalten, das Kind B Werkzeuge). Kind C schlägt form- und fristgerecht vor einem Notar die Erbschaft ausdrücklich nur auf Grund des Einzeltestaments aus 2002 aus. Es hat keine Abkömmlinge.
    Nunmehr stellt Kind A einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der A und B als Erben zu je 1/2 Anteil ausweist. Nachlasswerte: Grundbesitz ca. 100.000,00 €, Barvermögen ca. 70.000,00 €.
    Ich meine jedoch, dass die Ausschlagungserklärung gemäß § 1950 BGB unwirksam ist, und dass sich die Erbfolge letztendlich nach dem Testament aus 1980 richtet, so dass alle drei Kinder zu je 1/3 Anteil erben. Oder erstreckt sich die Ausschlagungserklärung auf die testamentarische Erbfolge insgesamt?
    Was meint Ihr?

  • Das ist kein Fall von § 1950 BGB, sondern von § 1951 Abs. 2 S. 2 BGB.

    Zur Nichtanwendbarkeit des 3 1948 Abs. 2 BGB vgl. hier

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post893652

    und dort insbesondere #11, Absatz 2.

    Im vorliegenden Fall waren die vom überlebenden Ehegatten angeordneten Vorausvermächtnisse (Wechselbezüglichkeit unterstellt) nicht wirksam angeordnet, so dass im Ergebnis inhaltlich identische testamentarische Verfügungen vorlagen (jeweils: Erbeinsetzung der drei Kinder zu je 1/3).

    Damit ist die vorliegende Ausschlagung nach meiner Ansicht unwirksam (analog § 1950 S. 2 BGB; vgl. Palandt/Weidlich § 1951 Rn. 4).

  • Wenn Comwells Eingangsthese zutreffen würde (einheitlicher Berufungsgrund), dann wäre die Erbausschlagung insgesamt wirksam. Sie müste dann nach § 2308 Absatz 1 BGB angefochten werden.

    Dazu kommt es aber nicht, weil entgegen Cromwell § 1948 Absatz 2 BGB analog anwendbar ist. Das bindende gemeinschaftliche Testament steht dem Erbvertrag in dieser Vorschrift gleich. Ich verweise dazu auf die Diskussion im von Cromwell zitierten Thread. Ich habe mit meiner Argumentation in einem laufenden Verfahren bereits einen Richter überzeugt und ein rechtskräftiges Zwischenurteil erhalten. Leider kann ich zu laufenden Verfahren keine näheren Informationen geben.

  • Kleine Abwandlung meiner Kollg.
    Es gibt 2 TES:
    1. gemeinschaftlich not. Berliner (ohne Öffnungsklausel)
    2. nur vom überlebenden Ehegatten, der nicht seine Kinder einsetzt, sondern nunmehr einen (von mehreren) Enkeln.

    Die im 1. TES als Schlusserben eingesetzten TES schlagen aus allen Berufungsgründen aus.

    Gilt nun gesetzliche EF oder greift das 2. TES?

  • Kleine Abwandlung meiner Kollg. Es gibt 2 TES: 1. gemeinschaftlich not. Berliner (ohne Öffnungsklausel) 2. nur vom überlebenden Ehegatten, der nicht seine Kinder einsetzt, sondern nunmehr einen (von mehreren) Enkeln. Die im 1. TES als Schlusserben eingesetzten TES schlagen aus allen Berufungsgründen aus. Gilt nun gesetzliche EF oder greift das 2. TES?

    Das ist zu wenig Sachverhalt bzw. nicht klar formuliert. Beim Berliner Testament sind normalerweise die "Abkömmlinge" als Schlusserben eingesetzt, nicht nur die Kinder. Der im 2. Testament eingesetzte Enkel müsste also bereits lt. Sachverhalt aus allen Berufungsgründen ausgeschlagen haben, damit wäre man in der 2. Ordnung und nicht beim 2. Testament.

  • Kleine Abwandlung meiner Kollg. Es gibt 2 TES: 1. gemeinschaftlich not. Berliner (ohne Öffnungsklausel) 2. nur vom überlebenden Ehegatten, der nicht seine Kinder einsetzt, sondern nunmehr einen (von mehreren) Enkeln. Die im 1. TES als Schlusserben eingesetzten TES schlagen aus allen Berufungsgründen aus. Gilt nun gesetzliche EF oder greift das 2. TES?

    Das ist zu wenig Sachverhalt bzw. nicht klar formuliert. Beim Berliner Testament sind normalerweise die "Abkömmlinge" als Schlusserben eingesetzt, nicht nur die Kinder. Das wäre mir neu, regelmäßig werden beim Berliner Testament konkret benannte Kinder und nicht nur abstrakt die Abkömmlinge eingesetzt. Der im 2. Testament eingesetzte Enkel müsste also bereits lt. Sachverhalt aus allen Berufungsgründen ausgeschlagen haben, damit wäre man in der 2. Ordnung und nicht beim 2. Testament.


    Nein, die Frage ist eigentlich, ob das 2. Testament im Hinblick auf die Bindungswirkung überhaupt eine Rolle spielt.

  • Habe im Palandt, Rdnr. 16 zu § 2271 BGB gefunden:

    5) Befreiung von der Bindung tritt ein, wenn die Bindung durch ersatzlosen Wegfall des Bedachten entfallen ist (Rn13)

    Rn 13: .... Wegfall des Bedachten infolge .... oder Ausschlagung (Brem FamRZ 13, 661)

    Klingt auf den ersten Blick passend, würde ich aber noch mal vertiefend weiterlesen...

    :oops:Da war ich wohl ein wenig langsam...

  • Ihre erste Überlegung war wohl:
    Keine Neutestierung möglich wegen Bindungswirkung, da keine Öffnungsklausel.
    Wenn 2069 BGB, dann bin ich bei den gesetzlichen Erben, weil
    es nur zwei Kinder gibt, A und B, dann wären es alle Abkömmlinge der beiden, das entspräche der gesetzlichen EF vom Personenkreis her.

    Sie ist jetzt im Urlaub. Ich werde schon mal alle Gedanken u Literaturangaben sammeln und dann kann sie sich in Ruhe und gut erholt damit beschäftigen.

    Vielen Dank schon mal für obige Hinweise.

  • Leider war der ursprünglich mitgeteilte Sachverhalt aufgrund des offenbar vorliegenden DDR-Bezugs unvollständig.

    Ich verweise auf Art. 235 § 2 S. 2 EGBGB und § 390 Abs. 2 ZGB. Das ZGB kannte keinen Unterschied zwischen wechselbezüglichen und nicht wechselbezüglichen Verfügungen.

  • Das wäre mir neu, regelmäßig werden beim Berliner Testament konkret benannte Kinder und nicht nur abstrakt die Abkömmlinge eingesetzt.


    Ja klar. Aber dann muss man auch ganz ganz sicher sein, dass "nichts mehr nachkommt".

    Das sind dann nämlich sonst die Testamente, bei denen nach Ableben beider Eltern die Kinder Alfred, Berta, Carl-Friedrich, Dieter und Elisabeth beim Notar auftauchen und im Erbscheinsantrag am Ende steht, dass mit der im gemeinschaftlichen Testament enthaltenen Formulierung "Alleinerbe des Längerlebenden von uns ist unser lieber Sohn Alfred" in Wirklichkeit gemeint ist: "Erben des Längerlebenden von uns sind unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge, diese unter sich nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge". Testamentserrichtung war nach der Geburt des Alfred und vor der Geburt der weiteren Kinder...

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Das wäre mir neu, regelmäßig werden beim Berliner Testament konkret benannte Kinder und nicht nur abstrakt die Abkömmlinge eingesetzt.


    Ja klar. Aber dann muss man auch ganz ganz sicher sein, dass "nichts mehr nachkommt".

    Das sind dann nämlich sonst die Testamente, bei denen nach Ableben beider Eltern die Kinder Alfred, Berta, Carl-Friedrich, Dieter und Elisabeth beim Notar auftauchen und im Erbscheinsantrag am Ende steht, dass mit der im gemeinschaftlichen Testament enthaltenen Formulierung "Alleinerbe des Längerlebenden von uns ist unser lieber Sohn Alfred" in Wirklichkeit gemeint ist: "Erben des Längerlebenden von uns sind unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge, diese unter sich nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge". Testamentserrichtung war nach der Geburt des Alfred und vor der Geburt der weiteren Kinder...


    Zumindest bei einem notariellen Testament fände ich so eine Umdeutung arg weitgehend bzw. nicht nachvollziehbar.

  • Das wäre mir neu, regelmäßig werden beim Berliner Testament konkret benannte Kinder und nicht nur abstrakt die Abkömmlinge eingesetzt.


    Ja klar. Aber dann muss man auch ganz ganz sicher sein, dass "nichts mehr nachkommt".

    Das sind dann nämlich sonst die Testamente, bei denen nach Ableben beider Eltern die Kinder Alfred, Berta, Carl-Friedrich, Dieter und Elisabeth beim Notar auftauchen und im Erbscheinsantrag am Ende steht, dass mit der im gemeinschaftlichen Testament enthaltenen Formulierung "Alleinerbe des Längerlebenden von uns ist unser lieber Sohn Alfred" in Wirklichkeit gemeint ist: "Erben des Längerlebenden von uns sind unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge, diese unter sich nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge". Testamentserrichtung war nach der Geburt des Alfred und vor der Geburt der weiteren Kinder...


    Zumindest bei einem notariellen Testament fände ich so eine Umdeutung arg weitgehend bzw. nicht nachvollziehbar.


    Bei

    • einem vorgedruckten Erbvertrag aus dem Jahre 1952,
    • Erblassern, die damals 25 und 21 Jahre alt waren,
    • vier weiteren Kindern, die bei Erbvertragserrichtung noch gar nicht geboren waren und
    • in einer katholischen Gegend?


    Na ja.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!