Und wieder: Vor- und Nacherbschaft am Grundstück

  • Ich hab alles gelesen und bin immer unsicherer:

    Im privatschriftl. Testament ist verfügt:
    Stieftochter soll das Grundstück als Vorerbin haben- Nacherbe ihr Sohn.
    Die bewegl. Gegenstände werden an Stieftochter , Ehemann und Enkel aufgeteilt; der Wert beträgt das dreifache des Grundstückswertes.
    Wie kann ich den Erbscheinsantrag formulieren.

  • der Ehemann der Erblasserin soll einen Anteil am bewegl. Nachlass haben und ein lebenslanges Wohnrecht am Hausgrundstück;
    der Ehemann der Stieftochter und die Stieftochter selbst sollen einen Anteil am bewegl. Nachlass haben( der Enkel(Sohn der Stieftochter) soll nur Nacherbe sein.
    Die jeweiligen Werte sind angegeben .
    Danke.

  • Was hindert Dich, das Testament - nach Anhörung der Beteiligten - dahin auszulegen, dass die Stieftochter Alleinerbin ist und die Zuwendungen an den Ehemann der Erblasserin und den Ehemann der Stieftochter als Vermächtnisse und die Zuwendung des Teils des beweglichen Nachlasses an die Stieftochter (wegen § 2110 Abs. 2 BGB) als Vorausvermächtnis anzusehen?

    Denn offenbar erhält der Ehemann (einschließlich Wohnungsrecht) mehr als seinen Pflichtteil (Quote hier wohl 3/8 bei gesetzlichem Güterstand neben Erben der zweiten Erbordnung), die auf den Grundbesitz beschränkte Nacherbfolge wäre wegen § 2110 Abs. 2 BGB kein Problem (der Ehemann der Stieftochter wäre dann insoweit aus dem Spiel) und im Hinblick auf die Vermächtniserfüllungen (einschließlich Wohnungsrecht) wäre sie ebenfalls kein Problem, weil es sich um Nachlassverbindlichkeiten handelt.

    Die Rechtsfolge des § 2110 Abs. 2 BGB wäre im Erbschein zu vermerken. Zu bedenken wäre dann noch eine etwaige Befreiuung der Vorerbin und eine etwaige Ersatznacherbfolge zugunsten der Abkömmlinge des Stiefenkels.

  • Nichts hat mich gehindert;
    indes führt der Abteilungsrichter zu meinem Antrag aus, dass er die Alleinerbenstellung der Stieftochter nur dann sehen könnte, wenn das Grundstück den überwiegenden Nachlassteil darstellen würde- das tut es aber nun mal mit ca 1/3 Anteil am Gesamtwert nicht.
    Auch die Zuwendung des Wohnungsrechtes spricht nach Ansicht des Abteilungsrichters für die Berücksichtigung des Ehemannes als Miterben.
    Wäre es demnach richtig, die Miterben nach Bruchteilen festzustellen und den Bruchteil der Stieftochter mit der Vor und Nacherbschaft zu belegen?

  • Die Wertverhältnisse sind nur ein Indiz für die eingetretene Erbfolge. Maßgeblich ist der Wille der Erblasserin im Hinblick darauf, wen sie als ihren Rechtsnachfolger ansah.

    Hiernach gilt:

    Der Stiefenkel scheidet von vorneherein als Erbe oder Miterbe aus, weil er vom beweglichen Nachlass nichts erhält und im Hinblick auf den Grundbesitz nur als Nacherbe bedacht ist. Die Zuwendung des Wohnungsrechts kann nicht als Argument für die Miterbenstellung des Ehemannes dienen, weil das Wohnungsrecht - aus naheliegenden Gründen - nicht Nachlassgegenstand (sondern nur ein rechtsgeschäftlich einzuräumendes Recht an einem Nachlassgegenstand!) ist. Und dass der Ehemann der Erblasserin und der Ehemann der Stieftochter Zuwendungen aus dem beweglichen Nachlass erhalten, lässt sich im Vermächtniswege mit identischem wirtschaftlichem Ergebnis genauso bewirken.

    Zudem spricht für eine Alleinerbenstellung der Stieftochter, dass sie nicht nur den Grundbesitz, sondern auch einen Anteil des beweglichen Nachlasses erhalten soll. Damit stellt sich die Zuwendung an den Ehemann der Erblasserin und den Ehemann der Stieftochter aber als die Zuwendung von Einzelvermögensgegenständen dar, während die Stieftochter eine Gesamtheit von Einzelgegenständen erhalten soll - was wiederum für deren (alleinige) "Rechtsnachfolgereigenschaft" spricht.

    Zudem wären die Auswirkungen der Befürwortung einer Erbengemeinschaft (bestehend aus Stieftochter und Ehemann der Erblasserin bzw. aus Stieftochter, Ehemann der Erblasserin und Ehemann der Stieftochter) in rechtlicher Hinsicht - bei gleichem wirtschaftlichem Ergebnis - fatal: Die Erbengemeinschaft müsste den Grundbesitz nämlich rechtsgeschäftlich an die Stieftochter übereignen und man käme nur kraft Surrogation zu dem Ergebnis, dass der Grundbesitz (alleine) der Nacherbfolge unterliegt.

    Die von mir befürwortete Testamentsauslegung schlägt dagegen gleich mehrere rechtliche Fliegen mit einer Klappe: Wenn die Stieftochter Alleinerbin ist, unterliegt der Grundbesitz von vorneherein unproblematisch der Nacherbfolge, während der Anteil der Stieftochter am beweglichen Nachlass nicht der Nacherbfolge unterliegt (§ 2110 Abs. 2 BGB; dies lässt sich konstruktiv nur über eine alleinige Vorerbenstellung der Stieftochter erreichen). Der Ehemann der Erblasserin und der Ehemann der Stieftochter erhalten die ihnen zugewendeten Teile des beweglichen Nachlasses als Vermächtnis und der Ehemann der Erblasserin noch zusätzlich das Wohnungsrecht.

    Damit ist ohne unnötige Umwege das Ziel erreicht, das die Erblasserin offenbar von vorneherein im Auge hatte: Alleineigentümerstellung der Stieftochter im Hinblick auf den Grundbesitz samt diesbezüglicher Nacherbenstellung des Stiefenkels sowie Aufteilung des beweglichen Nachlasses im Vermächtniswege (was die Stieftochter hiervon erhält, kann sie wegen § 2110 Abs. 2 BGB als nacherbschaftsfreies Vorausvermächtnis behalten). Die Erfüllung dieser Vermächtnisse und die Bestellung des Wohnungsrechts stößt auf keine Schwierigkeiten, weil es sich um die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten und daher um voll entgeltliche Verfügungen handelt (bei befreiter Vorerbschaft ohnehin kein Problem und bei nicht befreiter auch nicht, weil aufgrund der Erblasseranordnung keine Beeinträchtigung des Nacherben i. S. des § 2113 Abs. 1 BGB vorliegt; das wäre im Übrigen auch bei der erbengemeinschaftlichen Lösung so).

    Die Auslegung des Nachlassrichters hat den entscheidenden Nachteil, dass sich die angeordnete Nacherbfolge zunächst nur auf den Erbteil (!) der Stieftochter beziehen kann (alle übrigen Zuwendungsempfänger sind ja nicht mit Nacherbfolge beschwert!), sich diese Erbteilsnacherbfolge erst im Zuge der Erbauseinandersetzung kraft Surrogation (§ 2111 BGB) in eine Nacherbfolge am Grundbesitz umwandelt und für diese Erbauseinandersetzung eine Auflasssung des Grundbesitzes an die Stieftochter erforderlich ist. Zudem wäre der Anteil der Stieftochter am beweglichen Nachlass entgegen dem Willen der Erblasserin nicht von vorneherein von der Nacherbfolge frei, weil die Anwendung des § 2110 Abs. 2 BGB die alleinige Vorerbenstellung der Stieftochter voraussetzt (bei Miterbenstellung ist entsprechender rechtsgeschäftlicher Vollzug erforderlich).

    Mir erscheint es schlichtweg nicht vorstellbar, dass eine derart komplizierte, rechtlich schwierige und Abwicklungsprobleme auslösende Regelung dem Willen der Erblasserin entsprochen haben soll, zumal sich das im Ergebnis Gewollte ganz einfach und zwangslos mittels einer anderweitigen (= mittels der geschilderten) Testamentsauslegung erreichen lässt.

  • Ergänzend:

    Da Du den Antrag mit dem beschriebenen Inhalt aufgenommen hast, haben die übrigen Beteiligten mit der besagten Auslegung offenbar kein Problem - der Ehemann wohl schon deshalb nicht, weil seine eigene Tochter als Alleinerbin bedacht und er selbst ausreichend abgesichert ist.

    Grundbuchrechtlich stößt die Bestellung des Wohnungsrechts aus den genannten Gründen auf keine Schwierigkeiten (keine Beeinträchtigung i. S. des § 2113 Abs. 2 BGB) und der Nacherbenvermerk ohnehin so oder so bestehenbleibt - also keine Zustimmung des Nacherben erforderlich.

    Der Erbscheinsinhalt müsste in etwa wie folgt lauten:

    Stieftochter als Alleinerbin.
    Nacherbfolge zugunsten des Stiefenkels, die mit dem Ableben der Vorerbin eintritt.
    Infolge Anordnung von Vorausvermächtnissen (§ 2110 Abs. 2 BGB) erstreckt sich die angeordnete Nacherbfolge nicht auf den beweglichen Nachlass.

    Zu klären wären noch folgende erbscheinsrelevante Fragen: Befreiung der Vorerbin und Ersatznacherbenstellung der Abkömmlinge des Stiefenkels (zu gleichen Stammanteilen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge).

    Alles in allem eine absolut schlüssige und dem Erblasserwillen entsprechende Lösung.

  • Naja, wie man so schön sagt, ist ja immer der Erblasserwille maßgeblich. Und wir wissen nur, dass die Erblasserin den Nachlass entsprechend verteilen wollte. Auf welchem Weg - und da sind einige denkbar - wissen wir nicht. Faktisch wusste sie es selber nicht, da sie sich dazu sicher keine Gedanken gemacht hat - ansonsten würde das Testament anders aussehen.
    M.E. kommt es deshalb entscheidend auf die Stellungnahmen der Beteiligten an. Wenn sich alle einig sind und behaupten, dass der oben angegebene Weg mit der Alleinerbschaft gewollt war, kann m.E. das Nachlassgericht nicht behaupten, dass ein ganz anderer Erblasserwille vorhanden war, da das Nachlassgericht die Erblasserin ja am wenigsten kannte. Insofern dürfte es auch dem Richter schwerfallen dagegen zu argumentieren, wenn sich die Beteiligten einig sind.
    Andererseits könnte natürlich aber auch ein Beteiligter gut in die andere Richtung argumentieren. Wenn allen nur einzelne Nachlassgegenstände in ähnlicher Höhe zugewandt sind, ist nicht einzusehen, wieso die anderen nur die viel schwächere Rechtsstellung als Vermächtnisnehmer erhalten sollten. Man muss sich natürlich schon immer vor Augen halten, dass man den anderen die Rechtsstellung quasi vorenthält. Es ist natürlich schon ein Unterschied, ob ich als Erbe den Daumen auf dem Nachlass habe (bei der Aufteilung von Geldvermögen ist das nie schlecht, schon alleine wegen der Auskunft von den Banken...) oder nur Anspruch auf ein Vermächtnis habe. Wenn hier also ein Beteiligter nicht einverstanden ist, würde ich mich mit der Alleinerbenlösung schwer tun.
    Mal ganz allgemein: Es ist zwar nett vom Nachlassgericht, wenn es die für den Erben billigste Lösung versucht (Notartermin gespart...), aber m.E. ist das nicht die primäre Aufgabe. Nacherbfolge für einzelne Gegenstände ist nicht vorgesehen (dafür gäbe es auch ein Nachvermächtnis). Man behilft sich halt immer mit Vorausvermächtnissen für den Rest, aber es ist immer die Frage, wie weit man das strapaziert. Wenn in Testamenten eben merkwürdige oder gesetzlich unsaubere Verfügungen sind, haben die Erben halt auch mal Pech gehabt und einen höheren Aufwand und können posthum auf den Erblasser schimpfen.
    Hier m.E. also im Ergebis Alleinerbenlösung, falls sich alle einig sind (also alle Stein und Bein schwören, dass die Verblichene genau das wollte...). falls nicht eher Bruchteilslösung, da man ansonsten jemandem seine bessere Rechtsstellung klaut, obwohl er gleich mit den anderen im Testament bezeichnet ist.
    Wie man wegen einem Wohnrecht allerdings auf eine Erbeinsetzung kommen soll, ist mir rätselhaft...:gruebel:

  • Heute waren die Beteiligten hier und wir haben in großer Einigkeit gemeinsam an der Stellungnahme gewerkelt-
    mit Gottes , Cromwells und Astaroths Hilfe.
    Vielen Dank nochmal.
    Elfi

  • Der Abteilungsrichter kann der Argumentation nicht folgen:
    Er hat jetzt herausgearbeitet, dass die Immobilie der Stieftochter als Vorausvermächtnis und dem Sohn als Nachvermächtnis im Sinne des § 2191 BGB zugewendet sein sollte und im übrigen ein gemeinschaftlicher Erbschein ohne eine Beschränkung zu erteilen ist.

  • Er könnte ihr schon folgen, er will ihr nur nicht folgen.

    Testamentsauslegung ist schön und gut. Aber wenn sie dazu führt, im Hinblick auf eine von mehreren durchaus schlüssigen Möglichkeiten beständig die eigene Auffassung an diejenige der Beteiligten zu setzen, läuft schon vom Grundsatz her etwas verkehrt.

    Im Übrigen ist die Vermächtnislösung äußerst "praktisch":

    Die beiden "Erben" müssen zwecks Auflassung zum Notar (bei der Nacherbenlösung hätte die - nunmehr weiterhin erforderliche - Bestellung des Wohnungsrechts genügt) und wenn der Enkel dinglich gesichert werden will (was er bei der Nacherfolge automatisch wäre), müsste man für ihn eine Vormerkung bestellen. Und das Ganze würde noch lustiger, wenn der Enkel noch minderjährig wäre.

    Alles überflüssige Kosten - obwohl dies natürlich nicht der entscheidende Aspekt ist.

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