OLG Dresden, Beschl. v. 15.05.2015, Az. 17 W 242/15
Von mir formulierter Leitsatz:
Als Vergütung eines anwaltlichen Berufsnachlasspflegers kommt bei mittelschwerer Abwicklung und vorhandenem Aktivnachlass ein Nettostundensatz von 90,00 € in Betracht (Aufgabe von OLG Dresden Rpfleger 2007, 547 = FamRZ 2007, 1833).
Gründe:
I.
Zur Überprüfung steht die Frage der Vergütung des Berufspflegers bei ausreichendem Nachlass. Der erstbeteiligte Nachlasspfleger, Rechtsanwalt von Beruf, hat nach Stunden abgerechnet, zu einem Satz von 90,00 €, ohne Unterscheidung zwischen den eigenen und Tätigkeiten, die für ihn tätige Mitarbeiter erbrachten. Vom Amtsgericht ist die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Gegen dessen Beschluss richtet sich die von der zweitbeteiligten Verfahrenspflegerin eingereichte Beschwerde. Die Abrechnung nach Stundensätzen, auch die nach einheitlichen, die Stundenzahl und die angesetzten Auslagen werden von ihr akzeptiert. Sie beanstandet allerdings die Höhe des Stundensatzes, verweist auf einen Entscheid des hiesigen 3. Zivilsenates aus dem Jahre 2007 und nimmt mit ihm einen Stundensatz von - nur - 43,00 € an, zumal die zu honorierende Tätigkeit des Erstbeteiligten eher als mittelschwere denn schwierige einzuordnen sei. Die amtsgerichtliche Rechtspflegerin hält an ihrer Entscheidung fest, verweist zu deren Rechtfertigung auf die innert des Festsetzungsverfahrens von ihr eingeholte Stellungnahme des erstbeteiligten Nachlasspflegers, in der es zu dem von der Beschwerde erwähnten Dresdner OLG-Entscheid heißt, er stehe „offensichtlich im Widerspruch zum geltenden Recht“ und sei eine „rechtswidrige Vergütungsgruppierung“.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft, zumal bei einer mit ihr erstrebten Ermäßigung des festgesetzten Betrages um 5.872,65 € der nach § 61 Abs. 1 FamFG nötige Beschwerdewert erreicht ist. Das Rechtsmittel wurde beim Amtsgericht schriftlich, so formgerecht eingelegt (§ 64 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 FamFG). Die zeitlichen Vorgaben des § 63 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 FamFG sind bei Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses am 09.02.2015 und bei Einreichung der Beschwerde am 12.02.2015 beachtet. Die Beschwerdeberechtigung der Zweitbeteiligten folgt aus § 59 Abs. 1 FamFG. Sie nimmt die Rechte der Erben war. Und deren Rechte beeinträchtigt der angefochtene Beschluss, weil die mit ihm festgesetzte Vergütung aus der Erbschaft bedient wird.
Begründet ist das Rechtsmittel nicht. Der jetzt für Nachlasssachen beim Oberlandesgericht Dresden zuständige Senat gibt auf, was der 3. Zivilsenat vor etwa 8 Jahren entschied. Zwar teilt der Senat die - mit kräftigen Worten versehene - Einschätzung des Erstbeteiligten nicht, der seinerzeitige Entscheid des 3. Zivilsenats sei unvertretbar. Die übrige Rechtsprechung aber ist ihm nicht gefolgt, nicht einmal die der „eigenen“ Nachlassgerichte. Die Oberlandesgerichte anderer Bundesländer billigen deutlich höhere Stundensätze zu. Die sächsischen Amtsgerichte räumen jedenfalls teils den von ihnen bestellten anwaltlichen Nachlasspflegern in „mittelschwierigen“ Fällen 90,00 € je Stunde ein, mutmaßlich in der Erkenntnis, dass sie andernfalls befähigte Rechtsanwälte für eine Nachlasspflegschaft nicht mehr gewinnen können.
Diese Bewertung hält der Senat für vertretbar. Er übernimmt sie daher aus Gründen einheitlicher Rechtsprechung. Die Vorgaben des § 1915 Abs. 1 S. 2 BGB können dahin verstanden und umgesetzt werden, dass der für den Fall der Mittellosigkeit des Nachlasses mit § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VBVG (§ 1915 Abs. 1 S. 1 BGB) vorgesehene Stundensatz von 33,50 € vervielfacht wird. Ähnlich verfährt das Gesetz auch andernorts, namentlich innert des RVG (in dessen §§ 13 und 49 sowie im Teil 4 seines Vergütungsverzeichnisses). So lassen sich, je nach Schwierigkeitsgrad der Nachlassabwicklung, die in der Rechtsprechung mittlerweile anerkannten Beträge zwischen 65,00 € und 130,00 € widerspruchsfrei erklären (dazu etwa OLG Schleswig zu 3 Wx 113/11, Rn. 26 f. und OLG Brandenburg zu 6 Wx 2/10, Rn. 26). Bei der hier jedenfalls anzunehmenden mittelschweren Abwicklung sind demnach 90,00 € gerechtfertigt.
Gemessen an der bisherigen Rechtsprechung des hiesigen Oberlandesgerichts hatte die Beschwerde Aussicht auf Erfolg. Angesichts dessen wäre es unbillig, der Zweitbeteiligten Gerichtskosten zu berechnen bzw. sie zum Ersatz außergerichtlicher Kosten des Erstbeteiligten zu verpflichten. Abweichend von der Soll-Vorgabe des § 84 FamFG ist daher von einer derartigen Kostenentscheidung abzusehen (§ 81 Abs. 1 S. 1, S. 2 FamFG). Hinzu kommt, dass der Erstbeteiligte weder vom Nachlassgericht noch vom Senat zur Beschwerde der Zweitbeteiligten gehört wurde. Er hat sich zu ihr auch nicht geäußert.
Die Wertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlagen in §§ 79 Abs. 1 S. 1, 61 Abs. 1 S. 1, 36 Abs. 1 GNotKG.
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Eine für in Sachsen tätige Berufsnachlasspfleger (und dort tätige Rechtspflegerkollegen!) äußerst bedeutsame Entscheidung, auch wenn der Stundensatz hinter denjenigen, den andere Oberlandesgerichte bei durchschnittlicher Abwicklung zubilligen, nach wie vor zurückbleibt.