Nachlassverwaltung und testamentarischer Erbscheinsantrag

  • Guten Morgen,
    ich brauche dringend Rat zu folgendem Fall:

    Erblasser war geschieden, 3 Kinder.

    Mir liegen 2 handschriftliche Testamente vor:
    - Testament aus 2008: Für den Fall meines Todes tritt gesetzliche Erbfolge ein mit der Ausnahme, das Kind X nur den Pflichtteil bekommt.

    2012 wird die 2008 bestehende Ehe geschieden.

    - Testament aus 2015: Alle meine bewegliche Habe (Möbel, Konten, Autos) bekommt meine Lebensgefährtin. Über meine Immobilien werde ich gesondert entscheiden.

    Kurz darauf stirbt der Testator, ein weiteres Testament ist nicht bekannt.

    Es ist umfangreiches Immobilienvermögen (Mietwohnungen) vorhanden. Zu den beweglichen Sachen habe ich noch keine Wertangabe.

    Mir liegt nun ein Antrag auf Nachlassverwaltung vor.

    Ebenso ist gestern der Erbscheinsantrag eingegangen mit dem Inhalt: Erbe sollen die 2 Kinder je zur Hälfte sein (ein Kind wurde ja auf den Pflichtteil reduziert).

    Was ist zu tun?

    Richtervorlage zum Erbscheinsantrag oder Anordnung der Nachlassverwaltung?

    Bin für jeden Hinweis dankbar, die Sache ist eilig!

    Danke, Döner

  • Die beiden Kinder sind Erben nach gesetzlicher Erbolge. Das Kind X ist durch Testament enterbt (§ 1938 BGB).

    Die Lebensgefährtin hat ein Vermächtnis.

    Über den ESA wäre demnach wohl positiv zu entscheiden.

    Die NLV ist anzuordnen, wenn die Erben (also die beiden Kinder) diese übereinstimmend beantragen. Auch darüber müßte nun wohl positiv entscheiden werden.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

    Einmal editiert, zuletzt von TL (29. Mai 2015 um 09:24)

  • Ebenso ist gestern der Erbscheinsantrag eingegangen mit dem Inhalt: Erbe sollen die 2 Kinder je zur Hälfte sein (ein Kind wurde ja auf den Pflichtteil reduziert).


    Nicht so eilig. Es ist Auslegungssache, ob gemeint war, dass

    1. das Kind mit der Pflichteilsquote Erbe werden sollte (X = 2/12, A = 5/12, B = 5/12) oder
    2. ob X enterbt werden (und ihm entweder ein Geldbetrag in Höhe des Wertes des Pflichtteils vererbt oder er auf die Geltendmachung seines Pflichtteils verwiesen werden) sollte.


    Vermutlich aber schon Variante 2.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Wie kann man etwas so auslegen, dass jemand der laut Testament einen Pflichtteil bekommen soll, Erbe sein soll?

    Warum macht ihr die Sache komplizierter als sie ist?

    Der Erblasser wollte X offensichtlich enterben. Er hat ein Vermächtnis ausgesetzt aber keine Erbeinsetzung vorgenommen. Also gesetzliche Erbfolge aber über § 1938 BGB Enterbung des X.

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  • Wie kann man etwas so auslegen, dass jemand der laut Testament einen Pflichtteil bekommen soll, Erbe sein soll?


    Weil § 2304 BGB nur eine Zweifelsregelung ist. Der BGH hat sich in IV ZR 135/03 zB zur Formulierung "2.) Pflichtanteile für jedes meiner 3 Kinder aus dem Verkauf meiner Häuser abzüglich Bankschulden" ausführlich Gedanken gemacht

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  • Wenn ein Testator jemanden durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausschliesst, erhält dieser nach § 2393 BGB einen Pflichtteil. Genau das ist hier über § 1938 BGB erfolgt so dass ich nie im Leben auch nur ansatzweise auf den Gedanken kommen würde, der X sei als Erbe berufen. Zu was auch? Zu seiner Pflichtteilquote? So schlau kann ich nicht denken, dass mir solche Gedanken kommen.

    Nachtrag: Der BGH-Fall war wohl sehr speziell und scheint mir ergebnisorientiert entschieden worden zu seln. Auch das kennt man ja vom BGH...

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    2 Mal editiert, zuletzt von TL (30. Mai 2015 um 10:45) aus folgendem Grund: Nachtrag

  • Guten Morgen, ich habe ausführlich nachgelesen, wie das mit der Nachlassverwaltung geht und bin noch auf eine Sache gestoßen....

    Den Antrag auf Nachlassverwaltung können nur alle Erben gemeinsam übereinstimmend stellen.
    Wenn ich davon ausgehe, dass die 2 Kinder die testamentarischen Erben sind, weil das Testament aus 2008 gültig ist, dann liegt mir ein entscheidungsreifer Antrag vor.

    Da ich wegen dem Testament aus 2015 aber nicht weiß, ob nicht eventuell die Lebensgefährtin Alleinerbin ist und die Kinder wegen den Immobilien nur Vermächtnisnehmer, wären die Kinder zur Stellung des Antrages auf Nachlassverwaltung ja nicht berechtigt, da sie ja nicht die Erben sind.

    Da es mir nicht obliegt die Testamente auszulegen (und ich vermute, dass es Streit geben wird) habe ich (so stands auch in der Literatur) die Nachlassverwaltung dennoch angeordnet, wenn das Gericht vermuten kann, dass es sich um die Erben handelt.

    Soweit so gut. Aber, stelle ich diesen Anordnungsbeschluss auch der Lebensgefährtin zu oder übersende ihn ihr wenigstens?
    Ich hab nirgends gefunden, dass das Gericht diesen Anordnungsbeschluss den Beteiligten (außer den Erben natürlich) bekannt machen muss. Der Nachlaßverwalter könnte sich selbst der Lebensgefährtin vorstellen.
    Außerdem habe ich noch bekannt gemacht dem Grundbuchamt und im Staatsanzeiger.

  • Mit der in #1 genannten Formulierung kann man m.E. (egal wie hoch der Wert der Mobilien ist) nicht zu der Auslegung kommen, dass die Lebensgefährtin die Alleinerbin werden sollte.

    Es kommt nicht darauf an, dass der Erbe den größten Teil des Nachlasses erhält.

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