Europäischer Vollstreckungstitel

  • Ich habe folgenden Antrag vorliegen:

    Ein Versäumnisurteil und ein Kostenfestsetzungsbeschluss sollen als europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen bestätigt werden.
    M. E. liegen alle Vorraussetzungen für die Bestätigung vor, da es sich jedoch um eine inländische Säumnisentscheidung (Versäumnisurteil) handelt und es sich bei der Schuldnerpartei um eine natürliche Person und einen Verbraucher handelt muss sich der Wohnsitz der Schuldnerpartei im Inland befinden. Der Schuldner lebt jedoch in Großbritannien. Das Versäumnisurteil und der Kostenfestsetzungsbeschluss wurden ihm in Großbritannien auch wirksam zugestellt.

    Sehe ich das richtig?

  • Das Versäumnisurteil und der Kostenfestsetzungsbeschluss können nicht als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt werden, da
    es sich bei den Schuldtiteln um Säumnisentscheidungen handelt,
    es sich bei der Schuldnerpartei um eine natürliche Person handelt
    und
    die Schuldnerpartei ein Verbraucher ist.

    Die EU-Verordnung Nr. 805/2004
    http://www.ag-warendorf.nrw.de/service/infos/…eu/805_2004.pdf
    findet daher keine Anwendung.

    Einmal editiert, zuletzt von rolli (8. Juni 2015 um 12:38)

  • Sofern das gerichtliche Verfahren vor dem 10.01.2015 eingeleitet worden ist, ist auf Antrag der Gläubigerpartei stattdessen jeweils eine Bescheinigung gem. Art. 54 EU-Verordnung Nr. 44/2001 zu erteilen.
    Diese werden für das Vollstreckbarerklärungsverfahren im Vollstreckungsmitgliedstaat benötigt.
    Weitere Einzelheiten können der entsprechenden Info des Amtsgerichts Warendorf entnommen werden:
    http://www.ag-warendorf.nrw.de/service/infos/…001__eugvo_.pdf

  • Sorry, aber ich muss nachfragen, weswegen nicht? Ich denke, gerade bei Säumnisentscheidungen und den übrigen genannten Voraussetzungen sei eine Bestätigung möglich?

  • Als Verbraucher kommen nur natürliche Personen in Betracht.

    Da

    • es sich bei dem Versäumnisurteil und den Kostenfestsetzungsbeschluss um Säumnisentscheidungen handelt,
    • es sich bei der Schuldnerpartei um einen Verbraucher handelt,


    und

    • die Schuldnerpartei ihren Wohnsitz nicht im Inland hat,

    können die Entscheidungen nicht als Europäische Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen bestätigt werden.

  • Bei mir ist die Schuldnerin/Beklagte eine Firma mit Sitz in Frankreich, welche im Verfahren durch einen deutschen Anwalt vertreten war.
    Es ging um Schadensersatz/Schmerzensgeld, weil die gelieferte Ware angeblich mangelhaft war und der Kläger deshalb einen Unfall/Verletzungen hatte.
    Die Beklagtenseite hat sich verteidigt, den Anspruch bestritten und dann letztendlich eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.
    Es erging ein Urteil im schriftlichen Verfahren, der Kläger hat überwiegend, aber nicht ganz, obsiegt.

    Nun sollen das Urteil und der Kfb als europ. Vollstreckungstitel bestätigt werden.

    Geht das?
    Die Forderung war ja nicht unbestritten!?
    Lediglich gegen den Kostenfestsetzungsantrag gab es keine Einwände?

    Wie ist das mit der Verbraucherfrage?

  • 1.
    Da die Beklagte keine natürliche Person ist, ist sie im vorliegenden Fall kein Verbraucher.
    Trotz des ausländischen Sitzes der Beklagten kann daher der Kostenfestsetzungsbeschluss als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen bestätigt werden.
    Weitere Einzelheiten können der entsprechenden Info des Amtserichts Warendorf entnommen werden:
    http://www.ag-warendorf.nrw.de/service/infos/…eu/805_2004.pdf


    2.
    Da die Hauptforderung nicht unbestritten ist, kann dagegen das Urteil nicht als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen bestätigt werden.

    Die EU-Vordnung Nr. 805/2004 findet insoweit keine Anwendung.

    Da das gerichtliche Verfahren offensichtlich vor dem 10.01.2015 eingeleitet worden ist, bedarf es daher der Durchführung eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens nach der EU-Verordnung Nr. 44/2001.
    Auf Antrag der Gläubigerpartei ist daher stattdessen eine Bescheinigung gem. Anhang V EU-Verordnung Nr. 44/2001 zu erteilen.
    Diese wird für das Vollstreckbarerklärungsverfahren in Frankreich benötigt.

    Weitere Einzelheiten können der entsprechenden Info des Amtsgerichts Warendorf entnommen werden:
    http://www.ag-warendorf.nrw.de/service/infos/…001__eugvo_.pdf

    3.
    Da offensichtlich das Verfahren vor dem 10.01.2015 eingeleitet worden ist, findet die EU-Verordnung Nr. 1215/2012 keine Anwendung:
    http://www.ag-warendorf.nrw.de/service/infos/…n_eu/eugvvo.pdf

  • Maßgeblich für den Stichtag ist im vorliegenden Fall:
    für gerichtliche Entscheidungen: der Zeitpunkt der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens (hier: Beantragung des Mahnbescheids (= Eingangsdatum beim Mahngericht))
    oder
    für Vergleiche: der Zeitpunkt der Errichtung des Vergleichs oder des gerichtlichen Beschlusses aufgrund schriftlichen Vergleichsvorschlags der Verfahrensbeteiligten.

  • Ich muss mich auch mal reinhängen!

    Ich habe VU vom 06/2012 und KFB 07/2012 und eine natürliche Person, die ihren Sitz damals in Deutschland hat und nun laut EMA nach Wien verzogen ist.


    Ich kann doch eigentlich die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ausfüllen oder nicht?

  • Maßgeblicher Zeitpunkt ist nicht das Bestätigungsdatum, sondern das Datum der Entscheidung, Dr. Katharina Hilbig-Lugani - Randziffer 48 zu Art. 6 EU-Verordnung Nr. 805/2004 in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivilsachen- und Handelssachen, Band 2, Haus-Nr. 541, S. 98.

    Das Versäumnisurteil und der Kostenfestsetzungsbeschluss können daher insoweit als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt werden.

    Einmal editiert, zuletzt von rolli (5. Oktober 2015 um 21:11)

  • Ich nehme aber nur den Zahlungsanspruch rein in die Bestätigung, nicht die Räumung der Wohnung??
    Und für jede Entscheidung eine Bestätigung?
    Wenn ich dann die Bestätigungen fertig habe, werden diese dann mit den jeweiligen Titeln verbunden und an den Schuldner in Wien zugestellt (Auslandszustellung?)?

  • Ja, nur der Zahlungsanspruch wird in der Bestätigung aufgenommen.

    Für jede Entscheidung (VU und KFB) wird eine Bestätigung erteilt.

    Eine Ausfertigung der Bestätigung wird mit der vollstr. Ausfertigung der Entscheidung verbunden und der Gläubigerpartei erteilt.
    Eine weitere Ausfertigung der Bestätigung wird jeweils der Schuldnerpartei von Amts wegen zugestellt (mit Einschreiben gegen Rückschein).

    Das Datum der Zustellung wird später der Gläubigerpartei mitgeteilt.

    Weitere Einzelheiten s, Info des Amtsgerichts Warendorf zum Europäischen Vollstreckungstitel:
    http://www.ag-warendorf.nrw.de/service/infos/…eu/805_2004.pdf

  • Wenn der Rückschein noch nicht vorliegt, kannst du über die Post einen Nachforschungsauftrag erteilen (geht m.W.n. auch online). Dann teilt die Post dir auch mit, ob zugestellt werden konnte oder nicht.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

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