Nachweis Erbschaftsannahme durch e.V.?

  • Hallo liebe Kollegen.

    Mir liegt ein notarieller Erbscheinsantrag beruhend auf gesetzlicher Erbfolge vor. Der Sterbefall war vor einigen Jahren, ein Nachlassverfahren wurde mangels Vermögens nicht durchgeführt. Nun wurde Antrag gestellt. Alle Erben - bis auf einen, ein Bruder des Verstorbenen - wurden nun ermittelt. Dieser Bruder und Miterbe ist unbekannten Aufenthaltes. Die Beteiligten wollen keinen Abwesenheitspfleger bestellen. Nun hat eine Schwester dieses Bruders mir eine eidesstattliche Versicherung (formlos, schriftlich) vorgelegt als Nachweis, dass der nun verschollene Bruder damals Kenntnis von seiner Erbberechtigung erlangt hat; sie gibt an, dass damals ein entsprechendes Gespräch geführt wurde. Ist dies ausreichend? So einen Fall habe ich auch noch nie gesehen.
    Ich würde ja dennoch die Variante der Abwesenheitspflegschaft favorisieren, nur fehlt es mir bislang noch an einer Begründung, die vorgelegte e.V. abzulehnen.

    Vielen Dank für Eure Mithilfe.

  • Bereits im Erbscheinsantrag muss nach § 2357 III BGB die Angabe enthalten sein, dass alle Erben die Erbschaft angenommen haben. Dort im Gesetz ist dann auch der Verweis auf die (übliche) EV nach § 2356 BGB enthalten. Ich frage mich daher, was das wohl für ein unüblicher ESA war....

    Insofern könntest du darauf bestehen, dass die EV in notarieller Form abgegeben wird - sofern das nicht bereits im ESA der Fall war.

    Aber: Was machen die Erben mit dem gemeinschaftlichen ES, wenn doch ein Erbe unbekannten Aufenthaltes ist? Ich vermute, dass die bekannten Erben der irrigen Annahme unterliegen, sie kämen mit dem Erbschein an ihren Anteil des Nachlasses auch ohne das Mitwirken des Erben der unbek. Aufenthaltes ist. Vielleicht sollte man das den Erben mal schildern, wie es sich mit einer Gesamthandsgemeinschaft verhält.

    Den ES aber zu verweigern, wenn die EV vorliegt, nur weil man den Erben nicht anhören kann, halte ich für nicht richtig. Ggf. wäre allenfalls ein Verfahrenspfleger zu bestellen und anzuhören, aber das ist wohl bei klarer Erbfolge unverhältnismäßig.

    Ich würde den ES dann erteilen - sollen doch die Erben sehen, wie sie den NL ohne den Abwesenden abwickeln.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Über das Vermögen des abwesenden Miterben ist Insolvenz eröffnet. Die Treuhänderin würde sodann darüber verfügen können, vermute ich. Die Treuhänderin kennt auch nicht den Aufenthalt des Schuldners.

    Auch in dem notariellen Erbscheinsantrag ist die e.V. enthalten, dass die Erbschaft von allen angenommen wurde, das ist richtig. Auf diese kann ich mich also verlassen?

  • Klar kannst du dich darauf verlassen - wenn du keine positive Kenntnis davon hast, dass es gegenteilig ist. Wozu sollte das sonst im Gesetz stehen?
    Du musst dich ja auch darauf verlassen, dass kein Testament vorhanden ist, keine weiteren Erben vorhanden sind etc. Nachweise für solche an Eides statt zu versichernden Angaben kann man als NLG nicht verlangen.

    Nun: Wenn eine Treuhänderin bestellt ist, dann würde ich den ESA an diese zur Kenntnis geben und dann den ES erteilen. Ich denke, dass so die Abwicklung und Auseinandersetzung des Nachlasses möglich ist.

    Aber: Ich frage mich, wie das Insolvenzgericht die Sache handhabt, wenn der Schuldner unbekannten Aufenthaltes ist. Denn auch und gerade dort wird man ja Schreiben an den Schuldner zur Kenntnis geben müssen....also sollten bereits die (oder die Treuhänderin) die Bestellung eines Abwesenheitspflegers beantragen/anregen, weil dem Schuldner ja auch dort jeweils rechtliches Gehör zu gewähren ist.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Auch wenn der Miterbe, dessen Aufenthalt unbekannt ist, nur Kann-Beteiligter ist (§ 345 Abs. 1 S. 2 FamFG), kann nicht einfach so der Erbschein erteilt werden. Bevor eine Entscheidung ergeht, muss der Betroffene Gelegenheit gehabt haben, sich am Verfahren zu beteiligen und darauf einzuwirken. Dies entspricht dem Grundsatz des fairen Verfahrens aus Art. 20 III GG.

    Außerdem kann er sich nicht am Verfahren beteiligen, wenn ihm nicht jedenfalls die Kopie des Erbscheinsantrages zur Kenntnis übersandt wurde.

    Die gesetzeskonforme Lösung ergibt sich demnach nur noch aus § 1911 BGB oder vereinfacht aus einer Verfahrenspflegschaft nach den Vorschriften des FamFG.

  • Alles schön und gut.

    Aber selbst wenn man einen Abwesenheitspfleger bestellt und dieser für den Abwesenden die Erbschaft annimmt, wird jener gleichwohl nicht Erbe, wenn der Abwesende bereits vorverstorben war.

    Will sagen: Die Frage der Beteiligung im Verfahren hat keinen Einfluss auf den richtigen oder falschen Erbscheinsinhalt, sondern es geht hierbei nur um das Beteiligtwerden als solches.

  • Laut SV hat der Abwesende den Erbfall erlebt und wurde erst dann abwesend.

    War er vor dem Erbfall bereits abwesend vertrete ich wegen den von Cromwell genannten Gründen die Ansicht, dass auch ein Abwesenheitspfleger nicht die Erbannahne erklären kann sondern das dann ein Fall des § 1960 BGB ist, der dem § 1911 als Spezialvorschrift vorgeht.

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  • ...
    Nun: Wenn eine Treuhänderin bestellt ist, dann würde ich den ESA an diese zur Kenntnis geben und dann den ES erteilen. Ich denke, dass so die Abwicklung und Auseinandersetzung des Nachlasses möglich ist.
    ...

    Vorsicht, Vorsicht...

    Man müsste sich zuerst genau erkundigen, in welchem Verfahrensstadium das Insolvenz- bzw Restschuldbefreiungsverfahren ist.
    Befindet man sich noch im Insolvenzverfahren selbst, dann fällt die Erbschaft in den Nachlass; dann wäre eine Abwicklung möglich. Ein Treuhänder bzw. Insolvenzverwalter kann übrigens nicht für den Schuldner annehmen oder ausschlagen.
    Befindet man sich in der sog. Wohlverhaltensperiode (den Ausdruck finde ich immer noch drollig...), dann bestünde für den Schuldner lediglich die Verpflichtung, die Hälfte an den Treuhänder abzuführen. Der Treuhänder kann da also selbst gar nichts machen.
    Wenn hier von Treuhänder gesprochen wird, spricht viel dafür, dass man schon in der Wohlverhaltensperiode ist, da es seit einiger Zeit im Insolvenzverfahren keinen Treuhänder mehr gibt. Könnte aber auch ein Altverfahren sein, so dass man sich noch im Insolvenzverfahren befindet.

  • Astaroth:

    Mir ist bekannt, dass der Erbe nur die Erbschaft, die ihm bereits vor dem Verfahren angefallen war, vollständig zur Masse geben muss. Im anderen Fall darf er die Hälfte behalten.

    Es ging aber nicht darum, wieviel er gegenüber der Treuhänderin behalten darf sondern wer verfügungsberechtigt über solche Vermögen ist. Die Annahme der Erbschaft ist laut SV vom Erben selbst erfolgt. Insofern stellte sich nicht die Frage ob die Treuhänderin annehmen kann, oder nicht. Sie kann es nämlich nicht, aber darum ging es nicht sondern um die nach der Erteilung des ES zu erfolgende Nachlassauseinandersetzung.

    Ich bin der Meinung, dass im Außenverhältnis die Treuhänderin wohl an der Abwicklung des Nachlasses mitwirken kann (vielleicht liegt eine Abtretung vor?) aber sie nicht mitwirken muss (deswegen erhält sie den ES auch nur zur Kenntnis). Ob dann im Innenverhältnis eine teilweise Zahlung an den Schuldner erfolgt oder er nichts davon bekommt, muss der Schuldner mit der Treuhänderin klären.

    Für das NLG ist jedenfalls nach Vorlage der EV kein Grund gegeben, den Erbschein nicht zu erteilen...ob dann eine Abwicklung in der laut SV bestehenden Konstellation erfolgen kann, müssen die Beteiligten sehen.

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    2 Mal editiert, zuletzt von TL (12. Juni 2015 um 09:26)


  • Aber: Ich frage mich, wie das Insolvenzgericht die Sache handhabt, wenn der Schuldner unbekannten Aufenthaltes ist. Denn auch und gerade dort wird man ja Schreiben an den Schuldner zur Kenntnis geben müssen....also sollten bereits die (oder die Treuhänderin) die Bestellung eines Abwesenheitspflegers beantragen/anregen, weil dem Schuldner ja auch dort jeweils rechtliches Gehör zu gewähren ist.

    Nur der Vollständigkeit halber zur Abrundung: § 8 Abs. 2 InsO. Wenn der Schuldner im InsO-Verfahren also nicht mitspielen will, spielen wir halt ohne ihn.

    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

  • Vielen Dank für Eure Antworten.

    Habe da nur noch eine Frage:
    Da der Miterbe ja nie offiziell vom Nachlassgericht ein Anschreiben über seine Erbenstellung und damit über die Möglichkeit auszuschlagen erhalten hat, ist ja nicht auszuschließen, dass er aus diesem Grund später sein Erbe anfechten könnte. Sollte er dies später tun, wäre vom Nachlass aufgrund gutgläubiger Verfügungen nichts mehr da.
    Ich weiß, normalerweise wird eine mögliche spätere Anfechtungsmöglichkeit im Erbscheinsverfahren nicht berücksichtigt, hier haben wir aber den Unterschied, dass der Miterbe ja schon nicht einmal über die Annahme durch Fristablauf jemals in Kenntnis gesetzt wurde.

    Vielen Dank für Eure Mithilfe.

  • Wo steht denn, dass bei gesetzlicher Erbfolge die Ausschlagungsfrist erst beginnt, wenn der Erbe ein Schreiben des NLG erhalten hat?

    Laut SV in #1 hat die Schwester per EV versichert, dass der Bruder damals von dem Sterbefall und seiner Erbenstellung Kenntnis erlangt hat.

    Das reicht aus.

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  • Ja das stimmt und das habe ich soweit verstanden.

    Nur weiß der Miterbe wahrscheinlich nicht, dass mit Fristablauf die Erbschaft als angenommen gilt und deshalb könnte er später das Erbe womöglich anfechten.

  • Mit dem Argument dürfte man Erbscheine nur erteilen, wenn man alle Erben zuvor über deren Ausschlagungs- und Anfechtungsmöglichkeiten informiert hat - und dann auch noch eine unterzeichnete Erklärung vorliegt, dass das gerichtliche Infoschreiben gelesen und verstanden wurde.

    Mach dir doch das Leben nicht schwerer, als es ohnehin schon ist...

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  • Ja das stimmt und das habe ich soweit verstanden.

    Nur weiß der Miterbe wahrscheinlich nicht, dass mit Fristablauf die Erbschaft als angenommen gilt und deshalb könnte er später das Erbe womöglich anfechten.


    Ja klar, aber anfechten könnte er auch wenn durch Testament das Rote Kreuz eingesetzt war und sich später herausstellte, dass der Erblasser geschäftsunfähig war. Oder wenn nachträglich die Vaterschaft erfolgreich angefochten wird. Oder wenn sich herausstellt, dass der Erblasser maledivischer Staatsangehöriger war und von Wasserschildkröten beerbt wird. Oder, oder, oder...

    Entscheidend ist, dass er bisher nicht angefochten hat. Also: Erteilen wie beantragt.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Ja das stimmt und das habe ich soweit verstanden.

    Nur weiß der Miterbe wahrscheinlich nicht, dass mit Fristablauf die Erbschaft als angenommen gilt und deshalb könnte er später das Erbe womöglich anfechten.


    Ja klar, aber anfechten könnte er auch wenn durch Testament das Rote Kreuz eingesetzt war und sich später herausstellte, dass der Erblasser geschäftsunfähig war. Oder wenn nachträglich die Vaterschaft erfolgreich angefochten wird. Oder wenn sich herausstellt, dass der Erblasser maledivischer Staatsangehöriger war und von Wasserschildkröten beerbt wird. Oder, oder, oder...

    Entscheidend ist, dass er bisher nicht angefochten hat. Also: Erteilen wie beantragt.


    Danke, damit ist meine Woche auf jeden Fall gerettet :)

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