OLG Hamm, Beschl. v. 30.07.2014, Az. 10 W 112/14, BeckRS 2015, 08425 = ZEV 2015, 364 (LS):
1. Ein Sicherungsbedürfnis iSv § 1960 Abs. 1 S. 1 BGB ist auch ohne konkrete Gefährdung des Nachlasses anzunehmen, wenn der Erbe unbekannt ist und dieser ohne Ermittlung durch das Nachlassgericht bzw. durch einen Nachlasspfleger niemals Kenntnis vom Anfall der Erbschaft erhalten würde.
2. Bei der Bestimmung des Aufgabenkreises des Teilnachlasspflegers ist zum einen das Bedürfnis der als Erben des verbleibenden Miterbenanteils in Betracht kommenden Personen zu berücksichtigen wie auch das Bedürfnis, den oder die unbekannten Erben in der von den bekannten Miterben angestrebten Erbauseinandersetzung zu vertreten.
Stellungnahme zu dieser Entscheidung:
Ich halte diese Entscheidung für zutreffend und für äußerst bedeutsam.
Zunächst stellt sie - ohne Beschränkung auf die Problematik der Teilnachlasspflegschaft - klar, dass eine Nachlasspflegschaft auch in den Fällen anzuordnen ist, bei welchen sie von etlichen Kollegen bislang nicht angeordnet und stattdessen die Hinterlegung bevorzugt wird (was ich bekanntlich schon immer für unzutreffend gehalten habe). Der Senat stellt fest, dass ein Fürsorgebedürfnis für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft bereits dann besteht, wenn die unbekannten Erben ansonsten nie etwas vom Erbanfall erfahren würden. Damit ist diese im Forum bereits wiederholt diskutierte Frage nunmehr klar zugunsten der Nachlasspflegschaft und zu Lasten der "bequemen" Hinterlegung entschieden.
Nicht weniger bedeutsam ist die Aussage in Leitsatz 2 der Entscheidung, dass eine Teilnachlasspflegschaft auch dann von Amts wegen nach § 1960 BGB (also auch ohne das Erfordernis eines Antrags nach § 1961 BGB!) anzuordnen ist, wenn sie dazu dienen soll, die Erbauseinandersetzung des Nachlasses zwischen den bereits durch Teilerbschein ausgewiesenen Miterben und den noch unbekannten übrigen Miterben zu bewirken. Auch dies wurde in der nachlassgerichtlichen Praxis mitunter anders gesehen, obwohl die "pflegschaftsfeindliche" Ansicht nach meiner Ansicht noch nie irgendeine Plausibilität für sich beanspruchen konnte, weil es keinen Unterschied machen kann, ob eine zunächst umfassend angeordnete Nachlasspflegschaft nach Erteilung eines Teilerbscheins später auf eine Teilnachlasspflegschaft beschränkt wird (dann Auseinandersetzung durch Nachlasspfleger möglich) oder ob von vorneherein eine Teilnachlasspflegschaft zu diesem Zweck angeordnet werden soll (dann angeblich keine ursprüngliche Teilnachlasspflegschaft möglich).
Es bleibt zu hoffen, dass diese Entscheidung in der nachlassgerichtlichen Praxis die ihr gebührenden Wirkungen hinterlässt.