Streichung in einem gemeinschaftlichen eigenhändigen Testament

  • Hallo zusammen,

    ich mache seit knapp 2 Wochen Nachlass und bin schon mit einem Problem konfrontiert:

    Die Ehegatten haben am 18.01.2004 ein eigenhändiges (von der Ehefrau geschriebenes und von dem Ehemann mitunterschriebenes) gemeinschaftliches Testament mit einem schwarze Kuli errichtet. In dem setzen sie sich zu alleinigen gegenseitigen Erben ein. Im Falle der Wiederheirat des Überlebenden soll den beiden Kindern das gesetzliche Erbe zustehen.
    Im Februar 2013 ist die Streichung der Wiederverheiratungsklausel mit einem blauen Kuli vorgenommen worden. Erneute Unterschriften erfolgten nicht.

    Auf telefonische Nachfrage im Rahmen der Terminsvereinbarung für den Erbscheinstermin teilte die Ehefrau mit, dass sie die Streichung vorgenommen habe. dazu kam es, als es ihren Mann schon nicht gut ging und ein Notar (wegen einer Vorsorgevollmacht) bei Ihnen war, welcher sagte, dass sie die Klausel nicht brauchen würden. Die Streichung sei dann nach Auskunft der Ehefrau unter Zustimmung des Erblassers vorgenommen worden.

    Ich habe nun etwas Bauchschmerzen, weil

    1. weil ich mir nicht sicher bin, ob die Streichung den Widerruf zur Folge hat … da ich nicht wissen kann, ob der Erblasers dies auch wirklich wollte.
    2. ich mir im Falle des nicht wirksamen Widerrufs nicht sicher bin, wer erbt.

    Sollte der Widerruf wirksam sein, würde die Ehefrau allein erben.Sollte der Widerruf nicht wirksam sein, wäre die Ehefrau zu ½ Vollerbin und zu ½ Vorerbin (ich denke beschränkt) und die beiden Kinder in Gemeinschaft Nacherben über das ½.
    Wie seht ihr die Sache? In der Kommentierung werde ich nicht schlauer L

  • Aus MüKo § 2267 BGB Rn. 24:

    Die überwiegend für zulässig gehaltene Veränderung des ursprünglichen Textes durch Streichungen und Zusätze, wenn dies von den (bisherigen) Unterschriften gedeckt wird und im Einvernehmen mit dem anderen Ehegatten geschieht, (1) erscheint bedenklich (2) und sollte vor allem zur Vermeidung späterer Zweifel, ob der ursprüngliche Text tatsächlich im gegenseitigen Einverständnis geändert wurde, vermieden werden.(3) Aus dem gleichen Grunde sollte stets das Datum der Veränderung und der Erklärung des anderen Ehegatten angegeben werden.

    (1)
    Vgl. OLG Karlsruhe BeckRS 2011, 22186 = FamRZ 2012, 400; Staudinger/Kanzleiter (2006) Rn. 18; RGRK/Johannsen Rn. 14; aA v. Lübtow I S. 489.

    (2)
    Abl. Zacher-Röder/Eichner ZEV 2010, 63.

    (3)
    Reimann/Bengel/J. Mayer/J. Mayer Rn. 36.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Mmhh ... also Variante 2 ... Widerruf durch Streichung nicht wirksam und demnach EF zu 1/2 Erbe und zu 1/2 bedchränkter vorerbe und die beiden Kinder Nacherben für den Fall der Wiederheirat??? :confused: :(

  • Du musst Beweis erheben, ob die Streichung einvernehmlich erfolgte.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Was TL zitiert hat, ist - wie er selbst schreibt - eine Mindermeinung.

    Nach herrschender Ansicht kann ein Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen beim gemeinschaftlichen Testament auch dadurch erfolgen, dass der eine Ehegatte mit dem Einverständnis des anderen Ehegatten eine Durchstreichung i. S. des § 2255 BGB vornimmt (Palandt/Weidlich § 2255 Rn. 13). Im vorliegenden Fall dürfte allerdings das Problem bestehen, dass die Streichung indirekt auch eine positive Verfügung enthält, weil der überlebende Ehegatte dadurch vom auflösend bedingten Vollerben zum unbeschränkten Vollerben werden soll. In diesem Fall muss die Streichung als durch die ursprüngliche Unterschrift gedeckt angesehen werden können (Palandt/Weidlich § 2255 Rn. 5).

    Die rechtlichen Vorgaben sind also klar. Sie müssen durch die üblichen Ermittlungen eben nur noch auf den vorliegenden Einzelfall umgesetzt werden. Einen wesentlichen Teil dieser Ermittlungen wird die Anhörung der beiden Kinder und die etwaige Einvernahme des Notars darstellen.

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