Testamentsauslegung

  • Hallo,

    mir liegt ein Testament mit folgendem Inhalt vor:

    "Ich möchte meine Hinterlassenschaft wie folgt aufteilen:

    Mein Sohn A soll 28 % der Geldanlagen erhalten.
    Meine Tochter B soll 12,5 % der Geldanlagen erhalten (Pflichtteil)
    Mein Sohn C soll 28% der Geldanlagen erhalten
    Mein Sohn D soll 31,5 % der Geldanlagen erhalten.

    Das Grundstück wurde bereits an Sohn D übertragen. Über das Inventar darf D verfügen.
    D ist für die Unterhaltung und Pflege des Grundstücks und der Grabstelle verantwortlich.


    Nun liegt ein Erbscheinantrag vor, aus dem hervorgeht, dass es sich bei dem Testament nur um eine Teilungsanordnung handelt, so dass gesetzliche Erbfolge eingetreten ist und die Kinder zu je 1/4 erben.

    Hilfsweise wird die quotale Aufteilung beantragt.

    Sind hilfsweise Anträge überhaupt zulässig?

    Stellt das Testament nur eine Teilungsanordnung dar, so dass gesetzliche Erbfolge eingetreten ist?

    B soll ja nur den Pflichtteil erhalten, so dass ich da Bedenken habe, Sie als gesetzliche Erbin anzusehen.

    Da D vorab schon den Grundbesitz bekommen hat und jetzt den überwiegenden Teil des Barvermögens bekommen soll, könnte er ja auch als Alleinerbe angesehen werden.

    Für Meinungen wäre ich dankbar.

  • Der Antragsteller scheint davon auszugehen, dass der Erblasser alle bedachten Personen als Erben (ob nun zu je 1/4 Anteil oder quotal) eingesetzt hat. Nach dem Inhalt des Testamentes würde ich diese Ansicht nicht teilen.

    Vielmehr würde ich den Sohn D als Alleinerben ansehen und die übrigen Kinder dürften im Rahmen von Vermächtnissen bedacht sein.

    Ansatzpunkt dieser Überlegung ist, dass aus der Verteilung des gesamten Nachlasses nicht zwangsläufig folgt, dass alle bedachten Personen auch zu Erben berufen sind. Im Rahmen der Auslegung des Testamentes ist vielmehr zu prüfen, ob nicht einer oder einzelne Bedachte lediglich als Vermächtnisnehmer eingesetzt sind (BGH DNotZ 72, 500).

    Für die im Rahmen der Auslegung zu treffende Entscheidung kommt es im Wesentlichen auf die Frage an, ob der Erblasser dem Bedachten unmittelbare Rechte am Nachlass (insgesamt oder zu einem bestimmten Bruchteil) verschaffen wollte. Wichtiges Indiz kann sein, wer nach dem Willen des Erblassers den Nachlass regeln und die Schulden (Beerdigungskosten u.a.) tilgen soll, aber auch wem die Grabpflege auferlegt wurde (BayObLG, FamRZ 86, 728; 835).

    Hier dürfte letztlich die starke Stellung allein dem Sohn D zukommen, da er wertmäßig über Verhältnis bedacht (45,2 % des Gesamtnachlasses unter Einbeziehung des Grundbesitzes)und ihm die Grabpflege auferlegt wurde. Dass jedenfalls der Tochter B keine starke Position am Nachlass zukommen soll, lässt der Erblasser bereits mit dem Wort "Pflichtteil" erkennen.

    Selbst der relativ hohe Betrag der Geldanlagen mit 600.000 € spricht nicht für eine Erbeinsetzung aller Kinder. Denn die einzelne Zuwendung macht für die Kinder A, B und C jeweils nicht den wesentlichen Teil des Nachlasses aus (wenn man den Grundbesitz mit 150.000 € ansetzt, entspräche die Geldanlage in Höhe von 28 % nur 22,4 % des Gesamtnachlasses), siehe auch BayObLG, FamRZ 90, 1401.

    Das restliche (also dem Sohn D) zugedachte Vermögen übersteigt bei der Annahme des Grundbesitzes mit einem Wert von 150.000 € jede andere Zuwendung (339.000 € gegenüber von höchstens 168.000 €) um mehr als das Doppelte, was auch ein Anhaltspunkt für die Alleinerbenstellung des Sohnes D sein kann, siehe BayObLG, NJW-RR 02, 1232).

    Nach alledem dürfte eine Auslegung zugunsten der Alleinerbeneinsetzung des Sohnes D gut zu begründen sein, sofern sich aus den Anhörungen der Beteiligten nicht etwas anderes ergibt.

  • Die Zuwendung des Pflichtteils ist im Zweifel nicht als Erbeinsetzung anzusehen (§ 2304 BGB).

    Dem Wortlaut des Testaments nach, wollte der Testator seine Hinterlassenschaft regeln und sein wohl wesentlich nur noch aus Bankguthaben bestehendes Vermögen nach Prozentsätzen verteilen. Dass dabei einer der Bedachten eine Quote erhält, die dem Pflichtteil entspricht, läßt nicht immer darauf schließen, dass dieser kein Erbe werden sollte, sondern wohl nur Erbe mit der Quote die dem Pflichtteil entspricht.

    Wenn dieser Pflichtteilserbe nun nicht Erbe sein soll, sondern nur einen Pflichtteil an den Geldanlagen aber nicht an sonstigem Vermögen hat, dann würde ihm ein Ergänzungspflichtteil zustehen.

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass D aus der Sicht des Testators Alleinerbe werden sollte, denn dann hätte man sicher eine andere Formulierung gewählt.

    Dass sich D um die Grabpflege kümmern soll ist ggf. auch nur eine Auflage, deren Motiv darin liegt, dass er zu Lebzeiten bereits eine Immobilie bekommen hat.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Ich teile TL´s Auffassung, ohne aber die Rechtsprechungshinweise von Schirmacher verfolgt zu haben.

    Da das Grundstück bereits zu Lebzeiten übergeben wurde, kann dieses wohl nicht mehr in die Erbquotenberechnung einbezogen werden - allenfalls hinsichtlich etwaiger Ergänzungsansprüche; dies auch aus folgender Überlegung:

    Wenn der Erblasser zu Lebzeiten ein Grundstück im Wert von 600k an einen Dritten übergibt, und sein (geringes) Restvermögen testamentarisch an die Nachkommen verteilt, dann ist der Dritte doch auch nicht (Allein-)Erbe, obwohl er praktisch das ganze Vermögen erhalten hat.

    M.E. liegt Erbeinsetzung nach Quoten vor.

  • Wie gesagt, mein Lösungsansatz ist nur ein Vorschlag, der jedenfalls vertretbar ist, wenn die Übertragung des Grundbesitzes an D im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgt ist. Dies kann in der Grundakte nachgeprüft werden.

    Es kommt bei den zu Lebzeiten übertragenen Werten ja hauptsächlich auf die Frage an, ob es sich lediglich um eine (gemischte) Schenkung oder aber um einen Vermögensübergang im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge handelt. Bei der vorweggenommenen Erbfolge ist meiner Meinung nach der Wert des bereits übertragenen Vermögens im Rahmen der Testamentsauslegung zu berücksichtigen.

    Andernfalls ist wohl einer Erbfolge nach Quoten Vorzug zu geben.

  • Es lässt sich hier sicher beides vertreten.

    Die Argumente meines Vorredners lassen sich jedenfalls durchaus hören. Andererseits kann D auch deshalb 12,5 % mehr Geld (31,5 %) als seine beiden Brüder (je 28 %) bekommen haben, weil er sich um das Grab kümmern muss.

    Aber immerhin mal ein Erblasser, dem die Pflichtteilsquote (1/8) bekannt ist und der verschienene Prozentzahlen so zusammenrechnen kann, dass unter dem Strich 100 herauskommt. Insoweit hat man schon ganz andere Dinge gesehen!

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