Wechselbezüglichkeit

  • Hallo,
    ich habe auf einem Schreibtisch einen Fall liegen, bei dem ich mich wohl schon "an die Wand gedacht habe" wie man so schön sagt. Daher könnte ich ein paar eurer wertgeschätzten Meinungen gebrauchen!

    Folgender Fall:
    Ich habe ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament, in welchem die Ehegatten sich gegenseitig zu Erben einsetzen. Weiterhin bestimmen sie beide, dass "unser Neffe X unser alleiniger Erbe sein soll, über nach unserem Ableben vorhandenes Vermögen".

    Im Jahr 2011 ist dann die Ehefrau verstorben. Der oben genannten Neffe ist leiblich tatsächlich der Neffe der Ehefrau.
    Der Ehemann ist hier also zunächst Alleinerbe geworden.

    Nun ist der Ehemann 2015 nachverstorben. Dieser hatte im Jahr 2011 ein notarielles Testament gemacht, in welchem er den Neffen (der Ehefrau) nebst dessen Ehefrau zu je 1/2-Anteil zu Erben eingesetzt hat.
    Ich frage mich jetzt, ob dies gegen eine eventuell vorliegende Wechselbezüglichkeit spricht oder ob die Tatsache, dass der gewollte Neffe wenigstens einen halben Anteil behält ausreichend ist, um das als neuen Erblasserwillen durchgehen zu lassen.
    Ich weiß leider derzeit auch noch gar nichts über den Lebenssachverhalt, also bspw. darüber, wann die beiden nunmehr eingesetzten Erben geheiratet haben und ob die beiden Ehefrauen sich überhaupt gekannt haben, oder ob vielleicht sogar nur der Erblasser hier eine Bindung zu der Neffen-Ehefrau aufbauen konnte...

    Das Ganze ist hier zu überlegen, da ein Notar einen Erbscheinsantrag vorbereiten will. Die beiden Notare in dem Notariat sind sich aber selbst nicht einig über den Testamentsinhalt bzw. die Wechselbezüglichkeit, sodass sie dies zuvor gerne mit dem Gericht abgestimmt hätten, bevor die Beurkundung erfolgen soll... der Klassiker...

    ich würde mich sehr freuen, wenn vielleicht jemand das Gewirr in meinem Kopf entwirren könnte! Vielen Dank für eure Hilfe!

    LG

  • Wenn in dem ersten gemeinschaftlichen Testamnet nicht steht, dass der überlebende Ehegatte abweichend verfügen darf, dann war der Ehemann m. E. daran gebunden und das erste Testemant greift. Sprich: Neffe ist Alleinerbe.

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Der Neffe ist mit der erstverstorbenen Ehefrau verwandt. Vorbehaltlich einer abweichenden individuellen Auslegung greift demnach die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB (letzter Halbsatz, Alternative 1) mit der Folge der Wechselbezüglichkeit. Wer einen abweichenden Erbscheinsantrag stellen möchte, muss also darlegen, weshalb nicht von einer Wechselbezüglichkeit auszugehen ist.

  • Danke für die schnellen Antworten!

    Was könnte denn eine beispielsweise Begründung dafür sein, warum von der Wechselbezüglichkeit nicht auszugehen wäre?

  • Da müsste von den Beteiligten (du selbst kanntest die Verstorbene ja vermutlich nicht) eben etwas vorgetragen werden, das dich davon überzeugt, dass die Erbeinsetzung des Neffen der Ehefrau nicht so wichtig war. Das kann sich wohl nur aus Äußerungen der Testatoren zu Lebzeiten ergeben.

    Ist aber nicht Sache des Gerichts, sich da etwas einfallen zu lassen. Du musst "nur" die von den Beteiligten gelieferten Informationen bewerten.

  • Der Notar soll einen Haupt- und einen Hilfsantrag stellen.

    Die Frage wird sein, ob die Ehefrau sich mit dem Neffen einig ist. Dann geht es im Endeffekt nur um die Ausschöpfung der Erbschaftsteuerfreibeträge.

  • Das könnte durchaus der Hintergrund der Neutestierung sein.

    Wenn der Notar von dem früheren gemeinschaftlichen Testament weiß (was keinesfalls gesagt ist, weil die Leute entsprechende Fragen oft laienhaft ins Blaue hinein verneinen), sollten am Besten natürlich bereits in der Neutestierung selbst Ausführungen zur Frage der (fehlenden) Wechselbezüglichkeit enthalten sein. Wie die Sache dann letztlich ausgeht, stellt sich aber immer erst nach dem zweiten Sterbefall heraus.

  • Der Notar soll einen Haupt- und einen Hilfsantrag stellen.

    Das wird schwierig. Denn den Hauptantrag muss der Antragsteller genau andersrum begründen wie den Hilfsantrag. Und Nachlassgerichte lieben Anträge, in denen man ihnen sagt "Entscheide wie Du willst.". Soweit ich weis, ist das Erbrecht -auch nicht durch das Nachlassgericht- disponibel.

    Deshalb soll der Notar seinen Antrag auf das notarielle Testament stützen und begründen, weshalb keine Wechselbezüglichkeit besteht. Ggf. soll das Nachlassgericht den Antrag rechtsmittelfähig zurückweisen.

    Oder der Notar soll einen Antrag auf das gemeinschaftliche Testament stützen und begründen, weshalb das notarielle Testament ins Leere geht (Wechselbezüglichkeit) und ggf. den das notarielle Testament beurkundenden Notar ins Messer laufen lassen.

    Alles andere ist m.E. ...

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