Streitwert in der Berufung: Berufung nur wegen Klageabweisung gegen Gesamtschuldner

  • Wenn der Kläger in erster Instanz zwei Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt hat, die Klage gegen einen Gesamtschuldner voll abgewiesen, gegen den anderen Gesamtschuldner zum Teil abgewiesen wurde, bestimmt sich der Streitwert in der Berufung dann nach dem vollen Klageantrag? Müsste doch eigentlich, da die Beschwer des Klägers doch wegen des Beklagten, wegen dem er voll abgewiesen wurde, die Höhe des vollen Antrags erster Instanz erreicht.
    Also zB: Antrag 100.000 € gegen Bekl 1) und 2) als Gesamtschuldner.
    Bekl zu 1) Verurteilung wegen 50.000 €
    Klage im Übrigen abgewiesen.
    Antrag in Berufung: Abänderung, 100.000 € gegen Bekl zu 1) und 2).

    Der Streitwert müsste dann m.E. 100.000 € sein, da dies die Beschwer ggü. den Bekl zu 2), die 50.000 € gegen den Bekl zu 1) werden nicht hinzugerechnet, da Streitgegenstand identisch.

  • Sorry, habe was durcheinander geworfen.

    Also: Antrag auf 100.000 € gegen Bekl zu 1) und zu 2). Bekl zu 1) 50.000 € verurteilt, im Übrigen Abweisung.

    Beide, Kl. und Bekl. zu 1) gehen in Berufung, beide mit ihren erstinstanzlichen Anträgen.

    Rechtsmittelstreitwert Kläger: 100.000 €. Rechtmittelstreitwert Beklagter: 50.000 €.

    Problem: zahlen jetzt BEIDE einen Gerichtskostenvorschuss ein, der Kl. auf Grundlage 100.000 €, der Beklagte auf Grundlage 50.000 €? Bekommt der Gewinner in Höhe, in der er gewonnen hat, seinen Vorschuss vom Gericht zurück?

  • Problem: zahlen jetzt BEIDE einen Gerichtskostenvorschuss ein, der Kl. auf Grundlage 100.000 €, der Beklagte auf Grundlage 50.000 €? Bekommt der Gewinner in Höhe, in der er gewonnen hat, seinen Vorschuss vom Gericht zurück?


    Eine Kostenvorschußpflicht bezüglich der Kosten der Berufung ist mir nicht bekannt. Es gab mal einen Gesetzesvorschlag, dies zu ändern. Der kam dann aber nicht durch, weil der Kosten-Nutzen-Aufwand in keinem Verhältnis gestanden hätte. Etwas anderes gilt aber für die Klageerweiterung im Berufungsrechtszug, § 12 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 GKG.

    Erübrigt sich wohl Deine Frage, nicht?

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • Möglicherweise erübrigt sich die Frage nicht vollständig:

    Auch in zweiter Instanz besteht nach § 6 Abs. 1 GKG die Pflicht zur Einzahlung der sofort fälligen Gebühren, also eine Vorschusspflicht. Der Unterschied liegt in § 12 GKG, der nur für die erste Instanz gilt. D.h. die Einhaltung der Vorschusspflicht kann nicht dadurch gewährleistet werden, dass das Gericht irgendetwas (z.B. die Zustellung der Rechtsmittelschrift) von der Einzahlung abhängig macht. Tatsächlich zahlen sehr viele auch ganz brav auf Anforderung ein, jedenfalls bei den Verfahren, die ich so gesehen habe. Bei den Insolvenzverwaltern ist die Quote der Nicht-Freiwillig-Zahler höher.

    Aber zum eigentlichen Problem des Threaderstellers zurück:
    Die Berufungsstreitwerte hast Du, lwm, m.E. zutreffend herausgearbeitet. Soweit ich das mitverfolgt habe, hat unsere Geschäftsstelle in solchen Fällen die einheitliche Berufungsgebühr aus 100.000,- Euro (4.104,- Euro) im Verhältnis 2/3 Kläger zu 1/3 Beklagter zu 1 von diesen Parteien angefordert, also 1.368 vom Beklagten zu1 und 2.736 vom Kläger. Zur vollständigen Einzahlung sowohl von Kläger als auch Beklagtem zu 1 kann es daher nur kommen, wenn beide die Einzahlungsaufforderung nicht abwarten.
    Die Frage der Rückzahlung ist dann m.E. eine Frage der Kostenausgleichung bei Abrechnung des Verfahrens. Wenn allerdings eine der Parteien "seine" Überzahlung bemerkt, dann ist m.E. auch eine entsprechende Teilrückzahlung schon auf Antrag möglich. Ich wüsste zumindest nicht, was man dem entgegenhalten wollte.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Auch in zweiter Instanz besteht nach § 6 Abs. 1 GKG die Pflicht zur Einzahlung der sofort fälligen Gebühren, also eine Vorschusspflicht. Der Unterschied liegt in § 12 GKG, der nur für die erste Instanz gilt. D.h. die Einhaltung der Vorschusspflicht kann nicht dadurch gewährleistet werden, dass das Gericht irgendetwas (z.B. die Zustellung der Rechtsmittelschrift) von der Einzahlung abhängig macht.


    Ich gebe Dir recht, daß es praktisch letztlich darauf hinausläuft, daß am Anfang des Verfahrens die (fälligen) Gebühren für den II. Rechtszug in Rechnung gestellt werden. Die Fälligkeit nach § 6 I 1 GKG bedeutet insofern aber nur die Einziehungsbefugnis des Gerichtes, nicht aber eine Vorschußpflicht nach § 12 GKG (mit der von Dir erwähnten Abhängigmachung von weiteren gerichtlichen Handlungen). Zumindest dogmatisch ist das zu trennen, wenngleich für lwm letztlich nur das Ergebnis zählt und ihm - zugegeben - die Dogmatik wohl wurscht sein wird. Denn nach Berufungseinlegung wird ihm vermutlich die Kostenrechnung der Justizkasse auch tatsächlich ins Haus flattern. Seine Frage hat sich dann in der Tat nicht erledigt. :D

    Die Berufungsstreitwerte hast Du, lwm, m.E. zutreffend herausgearbeitet.


    Genau, würde ich auch so sehen und ergibt sich aus § 47 I 1 GKG und § 45 II, I S. 1 u. 3 GKG, weil es sich insoweit um denselben Gegenstand (in den 100.000 € stecken die 50.000 €) handelt.

    Die praktische Handhabe der Kosteneinziehung anhand einer Verhältnisrechnung 100T zu 50T = 2/3 zu 1/3 hört sich auch fair an.

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    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • Hätte ich auch nicht anders erwartet, als dass wir uns im Ergebnis einig sind. :D

    Dogmatisch trenne ich zwischen Vorschusspflicht und innerprozessual durchsetzbarer Vorschusspflicht, unter letzteres fällt für mich der § 12 GKG. Ich räume aber ein, dass ich das "Pflicht" nur deswegen betone, weil eben nach § 6 GKG auch eine Zahlungspflicht besteht. Die Forderung ist fällig und fällige Forderungen sind zu erfüllen, (höchst) theoretisch könnte wohl die Gerichtskasse zu Vollstreckungsmaßnahmen greifen. Relevant könnte das m.E. z.B. werden, wenn ein Prozess aus verschiedenen Gründen "einschläft" (Nicht-Betreiben, ausdrückliches Ruhen o.ä.) und dann eben doch mal abgerechnet wird.
    Im Prozess hat der § 6 GKG ohne den § 12 GKG eben keine Auswirkungen, das ist unstreitig.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Die endgültige Berechnung der Gerichtskosten erfolgt wie bei fiktivem Streitwert Klage/Widerklage?
    Also die Berechnungsgrundlage des Gerichts ist 100.000 €, zur Kostenverteilung wird aber ein fiktiver Streitwert gebildet, also 150.000 €? Gehen dann beide baden, zahlt der Berufungskläger 2/3, der Berufungsbeklagte 1/3?

  • Die endgültige Berechnung der Kosten geht dann nach Baumbach. Verliert der Kläger seine Berufung voll und der Beklagte zu1 seine ebenfalls voll, läuft dies hinsichtlich der Gerichtskosten wieder auf die 2/3 zu 1/3 hinaus weil Baumbach ja den Wert der Prozessrechtsverhältnisse addiert und man damit, wie Du schon sagtest, letztlich bei einem fiktiven Gesamtstreitwert von 150.000 landet.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

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