Mehrfachzession von Lohn

  • Hallo,
    häufgi sind Fallkonstellationen anzutreffen, bei denen vorverfahrendlich pfändbares Arbeitseinkommen mehrfach abgetreten wird. Eigentlich uninteressant, außer es kommt einiges an Geld rein.
    Folgender Fall:
    Zession 1 an Bank A
    Zession 2 an Bank B.
    EÖB: Dezmber 2013
    Während des eröffneten Verfahrens erledigt sich die Forderung der Bank A infolge der Leistungen aufgrund der Zession so Anfang 2015.
    M.E. greift die Zession 2 zugunsten der Bank B nicht mehr !

    These:
    1. zum Zeitpunkt der Zession 2. hat der Zedent als Nichtberechtigter verfügt
    2. zum Zeitpunkt, zu dem er ohne Insolvenzverfahren berechtigt i.S.v. § 185 BGB geworden war, war unzweifelhaft das Insolvenzverfahren eröffnet (nicht Bestandteil der These sondern Sachverhalt !)
    3. damit scheidet wg. § 80 InsO eine Konvaleszenz der Zession zu 2 aus

    Meinungen dazu ?

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Bei der zweiten Abtretung verfügt der Schuldner als Nichtberechtigter --> die Abtretung hat keine Wirkung; denn einen gutgläubigen Erwerb von Forderungen gibt es nicht.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Teils a.A.:
    Hängt m.E. von der genauen Ausformulierung der Zession 2 ab. Wenn diese ausdrücklich einen Hinweis auf die vorherige Zession 1 enthält, dann wäre m.E. klar, dass die Gehaltsansprüche abgetreten sind. die nach Auslaufen der Zession 1 anfallen. Insoweit wäre der Zedent weiterhin Berechtigter.

    Die Lösung würde möglicherweise (noch nicht abschließend darüber nachgedacht) dann über § 140 InsO zu suchen sein: Wirksam würde diese Zweitzession eines monatlich neu - durch Arbeitsleistung erst werthaltig gewordenen - Anspruchs auf Lohn/Gehalten erst mit der Entstehung des Gehaltsanspruchs. Zu diesem Zeitpunkt kann dann eine Anfechtungsvoraussetzung vorliegen.

    (Ich erinnere mich dunkel, dass wir im Senat mal die Vorausabtretung von Aufsichtsratshonorar so gelöst haben: Sie wird erst werthaltig mit Beginn der Bezugszeit, für die sie bezahlt wird. Der BGH hatte dagegen nichts einzuwenden.)

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Warum sollte das bei einer vorrangigen Abtretung anders sein als bei einer Pfändung? Auch da bezieht sich die Abtretung auf die künftigen Bezüge.

    s. BGH 12.10.2006 - IX ZR 109/05 -

  • Bei der zweiten Abtretung verfügt der Schuldner als Nichtberechtigter --> die Abtretung hat keine Wirkung; denn einen gutgläubigen Erwerb von Forderungen gibt es nicht.

    Bei Lohn kann ich das nachvollziehen. Hier liegt gerade ein etwas komplexerer Fall vor:

    Globalzession zugunsten der A-Bank. Die Insolvenzschuldnerin hat im Rahmen ihrer vorinsolvenzlichen Tätigkeit einen Schaden produziert, den sie zum Teil selbst behebt. Ihre Abrechnung gegenüber der Versicherung umfasst somit die eigenen Leistungen als auch die von der Geschädigten eingekauften Fremdleistungen.
    1) Unterliegt die Forderung der Insolvenzschuldnerin fraglos der Globalzession
    2) Hat die Geschädigte gem. § 110 VVG ein Recht auf abgesonderte Befriedigung (Teilbetrag der Rechnung an die Versicherung)

    Muss nun die Geschädigte ihre vor Antragstellung Leistungen zur Tabelle anmelden, weil die Globalzession zeitlich vor geht (§ 110 VVG entsteht erst mit Insolvenzeröffnung)?

  • Warum sollte das bei einer vorrangigen Abtretung anders sein als bei einer Pfändung? Auch da bezieht sich die Abtretung auf die künftigen Bezüge.

    s. BGH 12.10.2006 - IX ZR 109/05 -

    hmm, z.B., weil die Pfändung ein staatlicher erzwungener Hoheitsakt ist, bei dem von vorne herein unklar ist, ob er greift oder ins Leere geht, während die Zession ein freiwilliges privates Rechtsgeschäft ist, bei der - an sich - nur der Berechtigte handeln kann, dafür die Übertragung aber immer funktioniert (im Grundsatz).

    Es sind also eigentlich genau die konträren Verhältnisse, wie Licht und Schatten.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Insoweit wäre der Zedent weiterhin Berechtigter.

    Käme es dann nicht lediglich auf die Ausformulierung der Zession 1 an (ganze oder teilweise Abtretung; vgl. Urteil des BGH vom 22.09.1965; VIII ZR 265/63)?

    Kann man natürlich auch über die Formulierung der Zession 1 lösen. Die Frage ist eben, ob es da schon Anlass dafür gibt - während bei der Zession 2 der Anlass für eine Berücksichtigung der Zession 1 auf der Hand liegt.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • erstmal vielen Dank für die Beiträge.

    VIII ZR 26/63 gibt da m.E. nicht so viel zu her. Auslegung der Zession 2 in der Richtung: wenn er denn nicht berechtigt ist, dann unterstellen wir seine Berechtigung geht m.E. nicht. Oki, es ließe sich ein Verfügungsgeschäft denken unter der Bedingung, dass der "Verfügende" die Verfügungsbefugnis erhält.
    Mit der Werthaltigkeitsmachungsentscheidung komm ich hier leider nicht weiter, da diese Gesichtspunkte über § 114 InsO gesperrt sind (ist Lohnempfänger).

    Etwas mehr Prob zu meiner These bereitet mir in der Tat IX ZR 109/05.
    Gegenargument:
    Verfügungsverbot qua Pfändung nur relatives Verfügungsverbot; da mag die Zession konvaleszieren, wenn das Verbot entfällt.
    Hier: keine Verfügungsbefugnis vorhanden (nicht relativ sondern einfach kein Recht zur Verfügung und damit absolut).
    Bin mal gespannt, wie die Insolvenzverwalterin die Sache angeht.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
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    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • ja klar, sonst hätte ich nicht eingestellt.

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  • erstmal vielen Dank für die Beiträge.

    VIII ZR 26/63 gibt da m.E. nicht so viel zu her. Auslegung der Zession 2 in der Richtung: wenn er denn nicht berechtigt ist, dann unterstellen wir seine Berechtigung geht m.E. nicht. Oki, es ließe sich ein Verfügungsgeschäft denken unter der Bedingung, dass der "Verfügende" die Verfügungsbefugnis erhält.
    Mit der Werthaltigkeitsmachungsentscheidung komm ich hier leider nicht weiter, da diese Gesichtspunkte über § 114 InsO gesperrt sind (ist Lohnempfänger).

    Etwas mehr Prob zu meiner These bereitet mir in der Tat IX ZR 109/05.
    Gegenargument:
    Verfügungsverbot qua Pfändung nur relatives Verfügungsverbot; da mag die Zession konvaleszieren, wenn das Verbot entfällt.
    Hier: keine Verfügungsbefugnis vorhanden (nicht relativ sondern einfach kein Recht zur Verfügung und damit absolut).
    Bin mal gespannt, wie die Insolvenzverwalterin die Sache angeht.

    Und was ist mit BGH Urteil vom 20.09.2012 - IX ZR 208/11 -?

  • Vielleicht verstehe ich nicht ganz, weil Du mir mit Deinen Gedanken zu weit vorausgeeilt bist:

    In IX ZR 208/11 gab es doch das Problem von Erst- und Zweitabtretung nicht, der BGH hat schlicht entschieden, dass eine (Erst-)Abtretung auch bei Arbeitgeberwechsel für den Schutzzeitraum des damaligen § 114 InsO wirksam bleibt und somit insolvenzfest ist. Die daraus mögliche Ableitung für die Frage der Wirksamkeit der Zweitabtretung sehe ich noch nicht und bitte um Erläuterung.


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Vielleicht verstehe ich nicht ganz, weil Du mir mit Deinen Gedanken zu weit vorausgeeilt bist:

    In IX ZR 208/11 gab es doch das Problem von Erst- und Zweitabtretung nicht, der BGH hat schlicht entschieden, dass eine (Erst-)Abtretung auch bei Arbeitgeberwechsel für den Schutzzeitraum des damaligen § 114 InsO wirksam bleibt und somit insolvenzfest ist. Die daraus mögliche Ableitung für die Frage der Wirksamkeit der Zweitabtretung sehe ich noch nicht und bitte um Erläuterung.


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Ich sehe es halt eben so, dass die Abtretung(en) zwei Jahre wirksam sind, ohne wenn und aber.

    In der ersten von mir genannten Entscheidung hat der BGH die Wirksamkeit für die Dauer von zwei Jahren auch dann bejaht, wenn die Bezüge bereits gepfändet waren und die Pfändungen nach § 114 Abs. 3 InsO unwirksam werden. Wenn das so ist, dann sehe ich grundsätzlich keinen Grund, dass die Zweitabtretung ebenfalls für zwei Jahre wirksam bleiben soll, wenn die Erstabtretung vor Ablauf dieser zwei Jahre wegen Befriedigung der Forderung wegfällt.

    Auch im Falle der Pfändung des Arbeitseinkommens verbietet sich die Abtretung, wegen dem Verfügungsverbot. Aber die Abtretung bezieht sich auf alle künftigen Bezüge, also gerade auch die, die nach dem Wegfall der Pfändung erwirtschaftet werden. Genau so ist es bei der Abtretung. Der Zedent ist nicht mehr Inhaber der Forderungen, soweit er sie bereits abgetreten hat. Aber endet die Abtretung durch Befriedigung oder Verzicht des Gläubigers, stehen die Bezüge der Zweitabtretung offen. Ob der BGH nochmal dazu kommt zu diesem Thema zu entscheiden ist mit fortschreitender Zeit immer unwahrscheinlicher und wird auch irgend wann unbedeutend.

    Früher wurde in den Kommentaren und auch Entscheidungen davon ausgegangen, dass die Abtretung nach Arbeitsplatzwechsel nicht auch das Einkommen bei dem neuen Arbeitgeber erfassen kann. Auch hier hat der BGH gesagt, dass die Abtretung nach dem Willen des Gesetzgebers zwei Jahre wirksam bleiben soll und der Arbeitsplatzwechsel daran nichts ändert.

    Der Gesetzgeber wollte also auf jeden Fall einen Schutz der Abtretung im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die Dauer von zwei Jahren. Dem hat der BGH mit beiden Entscheidungen Rechnung getragen. Ich sehe also keinen Grund der Zweitabtretung den "Schutz" des § 114 Abs. 1 InsO zu verweigern.

  • IX ZR 208/11 hatte ich im Vorfeld schon ventiliert. Die schneidet aber nicht den Problemkreis der Verfügungsbefugnis an, welche ja meine Einflugschneise ist, sondern befasst sich mit dem ach so beliebten Thema des Bestimmtheits- bzw. Bestimmbarkeitserfordernis der zedierten Forderung.

    Ich seh es nach wie vor so, dass das relative Verfügungsverbot qua Pfändung von einer nicht gegebenen Verfügungsbefugnis zu unterscheiden ist. Ersteres betrifft den Fall "Du kannst nicht zulasten von X", zweiteres betrifft den Fall "Du kannst garnicht". Erinnert irgendwie an die Problematik mehraktiger Erwerbstatbeständen mit Störfällen (Stichwort: Durchgangserwerb..... ) Passst nicht so hierher, erinnert mich aber irgendwie daran und an den Medius - Bürgerliches Recht :D

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    :daumenrau

  • Stichwort: Durchgangserwerb

    BeckOK/Rohe BGB § 398 Rn. 70; MüKo/Roth BGB § 398 Rn. 84 ff (Insolvenzfestigkeit bei der Abtretung künfiger Forderungen) :gruebel:

    Ja, aber auch dies hilft über meinen Einwand nicht hingweg. Im Müko wird das Prob auf § 91 InsO reduziert (diesem Fehler bin ich ja auch beinah erlegen); es handelt sich aber um ein Prob der Verfügungsbefugnis ! In derselben Kommentarstelle wird zum Erwerb von Gesellschaftsanteilen in Rdn. 80 genau mein Ansatz vertreten.

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