Zuständigkeitswechsel bei Kfz-Steuer und Insolvenzanfechtung

  • Grundsätzlich gilt doch, dass das Bundesland / Finanzamt, welches die Steuerzahlungen vereinnahmt hat, diese ohne Rücksicht auf die Ertragshoheit auch zu erstatten hat.

    Wie geht dies konform mit der Tatsache, dass bayerische Finanzämter auch in "Altfällen", in denen die Zahlungen von Kfz-Steuer noch an die Finanzämter erfolgten, gebetsmühlenartig darauf verweisen, dass für die Insolvenzanfechtung die Hauptzollämter zuständig sind. Ein einfacher Versuch am untauglichen Objekt oder ein beachtenswerter Einwand :gruebel:.

    Wenn eine Zuständigkeit des Hauptzollamtes gegeben ist, werden diesem dann die subj. Merkmale, welche durch das ehemals zuständige Finanzamt verwirklicht wurden, zugerechnet?

    [Mir ist es grundsätzlich egal, ob ich mich zukünftig auch in Altfällen an die Hauptzollämter wende. Frau denkt ja pragmatisch. Im vorliegenden Fall ist es aber von Bedeutung, welche Zuständigkeit besteht.]

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Interessante Frage. Dieser Einwand ist mit bislang nicht entgegengehalten worden, ich würde aber zu Deiner ersten Alternative "ein Versuch ist es wert" neigen. Eben weil die Zwangsvollstreckungsmaßnahme seinerzeit ja noch durch das damals zuständige Finanzamt erfolgte. Wie wäre es bei einem "normalen" Gläubiger, der im Wege der Zwangsvollstreckung eine Befriedigung erhalten hat und dann seine Restforderung an einen anderen Gläubiger abtritt/ verkauft? Oder hinkt das Beispiel?

  • Hallo Gegs,

    wie alt sind deine Altfälle? Zumindest in den letzten Jahren war die Kfz-Steuer ja auch von der Verwaltungshoheit bereits eine reine Bundessteuer und die Finanzämter sind lediglich im Wege der Organhilfe tätig geworden. In diesen Fällen würde ich eine Anfechtung auch unter Hinweis auf die Zuständigkeit des Bundes - und hier halt des jeweiligen HZA - ablehnen.

    Was die Wissenszurechnung angeht - zumindest für NRW haben wir sämtliche noch vorhandenen Unterlagen incl. noch nicht vernichtete Kellerablagen an die HZA´s übergeben.

    Für noch ältere Fälle dürften die Anfechtungsfristen um sein, oder?

    Gruß
    Ash

  • Kfz-Steuer-Zahlungen und Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgten im Jahr 2011 :oops:; deshalb kann ich nicht einfach zum Hauptzollamt wechseln.

    @ Ash: Habt ihr die Insolvenzanfechtungen auch schon wegen Unzuständigkeit abgewiesen, als ihr die Steuern noch eingezogen habt?

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  • @ Ash: Habt ihr die Insolvenzanfechtungen auch schon wegen Unzuständigkeit abgewiesen, als ihr die Steuern noch eingezogen habt?

    Solange wir im Rahmen der Organleihe für den Bund tätig waren, haben wir die Anfechtugen selbst geprüft.

    Heute würde ich den Standpunkt vertreten, dass Land war nie Nutznießer der angefochtenen Rechtshandlung, es ist heute Kraft Gesetzes für die Entscheidung über die Rückerstattung der Kfz-Steuer nicht mehr zuständig (infolge der Anerkennung der Anfechtung wäre die dann offene Steuer ja wieder Insolvenzforderung des Bundes), ich habe keinen Daten- und Aktenzugriff um den Vorgang zu prüfen. Letzteres ist etwas schwach als Argument, aber viel hilft viel :teufel:

    Ash

  • Wirklich eine interessante Frage.

    1.) Struktur: Zum 01.09.2009 wechselte die Ertragshoheit und die Verwaltungskompetenz für die Kfz-Steuer von den Ländern auf den Bund (Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG). Da der Bund zunächst eigene Verwaltungsstrukturen aufbauen musste, haben die Landesfinanzbehörden die Verwaltung für den Bund im Wege der Organleihe für fünf Jahre, also bis zum 30.06.2014, wahrgenommen (§ 18a Abs. 1 FVG).

    2.) Bis einschließlich 30.06.2009 war die Kfz-Steuer noch Ländersache. Daher bleibt für bis zu diesem Zeitpunkt vorgenommene anfechtbare Rechtshandlungen auch das Finanzamt bzw. das Bundesland Anfechtungsgegner. Dass die Zuständigkeit nachträglich gewechselt hat, hat keine Auswirkung auf den Anfechtungsanspruch:

    Diese Frage wurde bereits vom BGH für den Zuständigkeitswechsel nach § 26 AO geklärt: Das beklagte Land Sachsen-Anhalt (Finanzamt Magdeburg I) meinte, es sei nicht der richtige Anfechtungsgegner, "da wegen des Wechsels in der Zuständigkeit des Finanzamts nach § 26 AO das Abgabenkonto auf das Finanzamt D [Duisburg] übergegangen und ihm damit der Zugriff auf die seinerzeit vereinnahmten Gelder verwehrt sei." (LG Magdeburg, Urteil vom 29.11.2007, Az. 11 O 1155/07). Das Landgericht Magdeburg (a.a.O.) wies diesen Einwand zurück:


    "Dahinstehen kann, ob und wann ein Zuständigkeitswechsel nach § 26 AO stattgefunden hat. Ein Wechsel ändert nichts daran, dass das beklagte Land als Empfänger der Leistung im Sinne von § 143 InsO anzusehen ist. Ein Übergang der örtlichen Zuständigkeit mag Auswirkungen im Verhältnis der Finanzämter M I und D haben. Für den Rückgewähranspruch des Klägers ist er ohne Belang. Entscheidend ist allein, wer im Zeitpunkt der Leistungserbringung Empfänger war."


    Die Berufung des Landes Sachsen-Anhalt gegen dieses Urteil wurde durch das OLG Naumburg (Urteil vom 28.05.2008, Az. 5 U 2/08) zurückgewiesen, u.a. mit der Begründung:

    "Das beklagte Land ist passiv legitimiert. Der Rückforderungsanspruch des § 143 Abs. 1 InsO ist ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch, der sich gegen den Empfänger der Leistung richtet. Abweichendes ist lediglich in § 145 InsO für den Fall der hier nicht einschlägigen Rechtsnachfolge geregelt. Eine analoge Anwendung des § 145 InsO scheidet mangels einer Regelungslücke aus."


    Dem hat sich auch der Bundesgerichtshof angeschlossen und die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen (BGH, Beschluss vom 17.12.2009, Az. IX ZR 142/08):

    "Die von ihr [Nichtzulassungsbeschwerde] allein problematisierte Rechtsfrage der Passivlegitimation des beklagten Landes für die anfechtungsrechtliche Rückgewähr aus § 143 Abs. 1 InsO ist zu Lasten des beklagten Landes geklärt. Danach ist anfechtungsrechtlicher Rückgewährschuldner auch bei öffentlichen Leistungen stets deren Empfänger. Auf das Innenverhältnis kommt es selbst dann nicht an, wenn der Einzug der öffentlichen Leistungen ganz oder teilweise fremdnützig erfolgt ist (…). Der in § 26 AO geregelte Zuständigkeitswechsel betrifft das Steuerverhältnis (vgl. § 1 Abs. 1 AO), nicht den hier in Rede stehenden originären bürgerlich-rechtlichen (…) Anfechtungsanspruch."


    3.) Ab dem 01.07.2014 ist die Rechtslage auch eindeutig: Der Bund verwaltet durch die Zollverwaltung, also die Hauptzollämter. Damit ist auch er richtiger Anfechtungsgegner.

    4.) Diskussionswürdig und auch in Gegs Ausgangsfall relevant ist die Frage, wer richtiger Anfechtungsgegner bei Rechtshandlungen während der Organleihe (ab 01.07.2009 bis 30.06.2014) ist. Aus meiner Sicht ist dies der Bund. Nach § 18a FVG führt die Organleihe dazu, dass die Landesfinanzbehörden als Bundesfinanzbehörden gelten. Daher muss sich der Bund (natürlich) auch die relevanten Kenntnisse des einziehenden Finanzamtes zurechnen lassen.

    In der Praxis wurde dies - wie auch von Ash festgehalten - nicht konsequent umgesetzt: Bis zum Zuständigkeitswechsel wurden die Anfechtungen von Kfz-Steuerzahlungen durch die Finanzämter bearbeitet und von dort auch die Erstattungen geleistet. Wie dies intern mit dem Bund geregelt wurde, ist mir nicht ganz klar geworden.

    Seit dem 01.07.2014 wenden die Finanzämter - wie auch bei Gegs und Ash - ein, dass sie für die Anfechtungen von Kfz-Steuern aus dem Organleihe-Zeitraum nicht (mehr) zuständig sind. Daher habe ich mich jeweils an das örtlich zuständige Hauptzollamt gewandt und von dort auch die Rückzahlungen erhalten. Dabei hat sich mehrfach herausgestellt, dass die Schnittstelle zwischen Finanzämtern und Hauptzollamt während der Organleihe erhebliche Probleme aufgeworfen hat. Einige von mir kontaktierte Hauptzollamtsmitarbeiter haben vielfach (gefühlt, am Telefon) den Kopf auf den Schreibtisch fallen lassen. Denn einige der angefochtenen Kfz-Steuerzahlungen sind dort gar nicht angekommen. So haben manche Finanzämter die Kfz-Steuerbeitreibung für den Bund wohl nicht so förmlich gesehen: Es wurden vom Schuldner als Kfz-Steuer deklarierte Zahlungen auf sonstige Steuerarten (i.d.R. Lohnsteuer) umgebucht. Gerne erfolgten auch Aufrechnungen von Kfz-Steuererstattungen mit Lohnsteuerrückständen. Das Ausklamüsern kann sich dann Monate hinziehen. Wenigstens laufen die Zinsen weiter...

    Welche Erfahrungen gibt es denn hierzu bei den anderen Forumsmitgliedern und -mitgliederinnen?

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Wirklich eine interessante Frage.

    4.) Diskussionswürdig und auch in Gegs Ausgangsfall relevant ist die Frage, wer richtiger Anfechtungsgegner bei Rechtshandlungen während der Organleihe (ab 01.07.2009 bis 30.06.2014) ist. Aus meiner Sicht ist dies der Bund. Nach § 18a FVG führt die Organleihe dazu, dass die Landesfinanzbehörden als Bundesfinanzbehörden gelten. Daher muss sich der Bund (natürlich) auch die relevanten Kenntnisse des einziehenden Finanzamtes zurechnen lassen.

    In der Praxis wurde dies - wie auch von Ash festgehalten - nicht konsequent umgesetzt: Bis zum Zuständigkeitswechsel wurden die Anfechtungen von Kfz-Steuerzahlungen durch die Finanzämter bearbeitet und von dort auch die Erstattungen geleistet. Wie dies intern mit dem Bund geregelt wurde, ist mir nicht ganz klar geworden.

    Eigentlich war diese Handlungsweise schon konsequent. Ich war halt während dieses Zeitraums als Bundesfinanzbehörde tätig und habe als solche auch über die Anfechtung entschieden. Ob die Verwalter das immer so sauber getrennt haben und den Bund als Anfechtungsgegner bezeichnet haben war mir eigentlich (außergerichtlich) egal, im Endeffekt wäre die Sache eh bei mir gelandet und zu Klagen ist es in meinem Bereich nie gekommen.

    Was die interne Regelung mit dem Bund angeht mag evtl. Exec sich (mit Sicherheit) besser auskennen, meines Wissens erfolgt die Verteilung der Steuereinnahmen zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften jedoch nicht auf Basis der tatsächlich eingenommenen Beträge, sondern bereits auf Basis der festgesetzten Steuern bereinigt um die nach § 261 AO niedergeschlagenen Beträge.

  • Anfechtungen im Bereich Kfz-Steuer hatte ich noch nie.

    Mit der Änderung des Grundgesetzes ging die Ertragshoheit auf den Bund über. Auch Quote für Insolvenzforderungen die vor 2009 angemeldet wurden stehen nun der Bundesrepublik zu, daher sind meines Erachtens auch Anfechtungen für diese Zeiträume gegenüber der Bundesrepublik, genauer der Zollverwaltung zu erklären.

    Eine Anfechtung bei einem Finanzamt kann von diesem ohne Probleme beantwortet werden mit der pauschalen Aussage "bei uns sind keine Zahlungseingänge feststellbar". Denn sämtliche Unterlagen mussten kraft Gesetz, bzw. auf Grund eines Gesetzes an die Zollverwaltung übergeben werden.

  • Ich habe hier tatsächlich noch Kfz-Steuer-Zahlungen, welche der Insolvenzschuldner im Jahr 2011 an das damals zuständige Finanzamt geleistet hat. Dieses verweist jetzt auf die Zuständigkeit des Zolls.

    Gefühlt würde ich die Insolvenzanfechtung nochmals gegenüber dem nunmehr zuständigen Hauptzollamt mit Zurechnung des Wissens, welches sich das Finanzamt bis zu diesem Zeitpunkt angeeignet hatte, erklären.

    Gibt es hierzu mittlerweile neue Erfahrungen / Rechtsprechung?

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • BGH vom 24.03.2011 - IX ZB 36/09:

    "Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört der Anfechtungsrechtsstreit als bürgerlich-rechtlicher Rechtsstreit gemäß § 13 GVG vor die ordentlichen Gerichte. ... Dieser Rückgewähranspruch ist generell ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch, der die materiellen Ordnungsvorstellungen des Insolvenzrechts gegenüber sämtlichen Gläubigern nach Maßgabe der §§ 129 ff InsO durchsetzt. Er verdrängt grundsätzlich die außerhalb der Insolvenz geltenden allgemeinen Regelungen etwa im Sozialversicherungs-, Steuer- oder Abgabenrecht."

    BGH vom 17.12.2009 - IX ZR 142/08:

    "Danach ist anfechtungsrechtlicher Rückgewährschuldner auch bei öffentlichen Leistungen stets deren Empfänger. Auf das Innenverhältnis kommt es selbst dann nicht an, wenn der Einzug der öffentlichen Leistungen ganz oder teilweise fremdnützig erfolgt ist (BGH, Urt. v. 12. Februar 2004 - IX ZR 70/03, ZIP 2004, 862, 863; ständig). Der in § 26 AO geregelte Zuständigkeitswechsel betrifft das Steuerverhältnis (vgl. § 1 Abs. 1 AO), nicht den hier in Rede stehenden originären bürgerlich-rechtlichen (BGHZ 179, 137, 144 Rn. 15; BGH, Beschl. v. 2. April 2009 - IX ZB 182/08, WM 2009, 814, 815 f Rn. 10, 13) Anfechtungsanspruch."

    Meiner Meinung nach tangiert die Organleihe, der Wechsel der Ertrags- und Verwaltungshoheit etc. pp. überhaupt nicht den gegen das Finanzamt in 2011 entstandenen zivilrechtlichen Anfechtungsanspruch.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

    Einmal editiert, zuletzt von Exec (19. Mai 2017 um 08:17)

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