Überprüfungsverfahren Selbstständiger - Steuern

  • Ich haber eine Überprüfung nach 120 Abs. IV ZPO gemacht. Blöderweise arbeitet die Partei jetzt selbstständig als Yogalehrerin (hätte ich das geahnt...). Sie gab an etwa 1200 EUR brutto an Einkünften zu haben, die letzte Steuererklärung sei von 2012.
    Ich habe mal ein wenig gerechnet und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass der Frau nach Abzug aller angegebenen (und belegten) Fixkosten nichts mehr zum Leben bleibt - die angegebenen Fahrtkosten noch nicht mit berücksichtigt. Irgendwetwas konnte da also nicht stimmen.
    Ich habe mir daher lückelose Kontoauszüge der letzten 12 Monate vorlegen lassen.
    Aus den daraus ersichtlichen Überweisungen konnte ich auch im Schnitt die rund 1200 € an Einnahmen entnehmen. Zusätzlich fanden aber in erheblichem Umfang Bareinzahlungen statt (fast 1700 € monatl. im Schnitt). Also habe ich der Partei mitgeteilt, dass ich diese Einzahlungen als Einkommen zu werten gedenke und ihr Gelegenheit gegeben Stellung zu nehmen.
    Sie teilt mir jetzt mit, dass ihr angegebenes Einkommen von 1200 € (!) größten Teils aus Bareinzahlungen bestünde und es sich dabei nicht um zusätzliches Einkommen handelt. Und sie bittet zu berücksichtigen, dass es sich um Bruttobeträge handelt.
    Ich habe in den gesamten Kontoauszügen der letzten 12 Monate nicht eine einzige Zahlung an das Finanzamt gesehen. Die letzte Steuererklärung ist, wie gesagt, von 2012.
    Natürlich ist mir bewusst, dass sie eigentlich die Einnahmen versteuern müsste, aber was weiß ich, wann und ob das mal passiert?
    Ich tendiere dazu, dass ich meiner Berechnung die Einnahmen brutto wie netto zugrunde lege, da ja offensichtlich tatsächlich keine Steuern abgeführt werden. Schließlich berücksichtige ich auch sonstige Zahlungsverpflichtungen nur dann, wenn sie auch tatsähclich bedient werden.
    Oder habe ich da jetzt einen Denkfehler?

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Na dann Raten festsetzen, ohne die Steuer zu berücksichtigen. Die Partei hat ja immer die Chance, bei einer Verschlechterung (= Steuerzahlung) einen Abänderungsantrag zu stellen.

    Ich hab auch kurz überlegt, ob man die Akte zur Staatsanwaltschaft sendet, zum Prüfen, ob eine Steuerstraftat vorliegt ....

  • Jetzt kommt mal wieder runter.

    Das unterjährig keine Steuern gezahlt werden, kann und wird durchaus seine Richtigkeit haben.

    Also der Selbständige ist zunächst mal verpflichtet, Unsatzsteuer zu zahlen. Wenn es sich um eine "Lehrerin" handelt, dann ist diese aber wahrscheinlich gemäß § 4 Nr. 22 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Weiterhin könnte hier auch noch das Kleinstunternehmerprivileg nach § 19 UStG gelten.

    Die Umsatzsteuereerklärung wird am Ende des Jahres abgegeben. Ob unter dem Jahr einzelne "Voranmeldungen" abgegeben werden müssen, hängt vom vorausgegangenen Jahresumsatz ab. Fragt mich jetzt nicht nach den Freigrenzen (ich meine bis EUR 6.000,00 Jahresumsatz reicht die Jahreserklärung), aber dazu müsste man den Umsatz aus dem Jahr 2011 kennen.

    Eigentlich müsste dieses Jahr die Umsatzsteuererklärung für 2013 schon raus sein. Aber manche Finanzämter sind da auch etwas langsam, die Pflicht einzufordern. Und nur weil man als "Selbständiger" manchmal etwas trödelt, heißt das nicht, dass es sich um eine Steuerstraftat handelt.

    Weiterhin ist die Betroffene auch verpflichtet, Einkommenssteuer zu zahlen. Auch hier gilt, dass nur anhand der früheren Steuererklärungen festgestellt werden kann, ob im Jahr sogenannte Vorauszahlungen zu leisten sind. Musste ich viele Jahre nicht und ich bin bestimmt kein Straftäter :mad:. Zumal hier wohl erhebliche Betriebskosten anfallen, so dass am Ende überhaupt kein oder unter der Freigrenze liegender steuerbarer Gewinn entsteht.

    [Es kann durchaus sein, dass der Dame nichts mehr zum Leben bleibt. Das liegt aber darin, dass viele Betriebsaugaben (Krankenkasse, Auto) eben auch privat zu Gute kommen, so dass dann auch nicht mehr viel zum Leben benötigt wird. Der Privatanteil wird meist durch Pauschalbesteuerung gelöst.]

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Natürlich ist mir bewusst, dass sie eigentlich die Einnahmen versteuern müsste, aber was weiß ich, wann und ob das mal passiert? Ich tendiere dazu, dass ich meiner Berechnung die Einnahmen brutto wie netto zugrunde lege, da ja offensichtlich tatsächlich keine Steuern abgeführt werden.

    Nein, man muss nicht die Einnahmen versteuern, sondern das zu versteuernde Einkommen, und das errechnet sich aus Betriebseinnahmen (bar oder unbar) minus Betriebsausgaben (Miete für den Yoga-Tempel, Räucherstäbchen, ...) minus Sonderausgaben (Krankenversicherung, Altersvorsorge) minus ggf. außergewöhnliche Belastungen. Und dann mag es schon sein, dass die Yogalehrererin unter dem Grundfreibetrag von EUR 8.652 liegt und keine Steuern zahlt.

  • Ich bin ja unten, liebe Gegs :)

    Aber so weit ich das überblicke, hat die Dame seit 2012 keine Steuern mehr gezahlt. Vielleicht zu recht, vielleicht zu unrecht (und hier danke ich für eure steuerrechtlichen Hinweise).

    Welches Einkommen soll ich also meiner Prüfung zugrunde legen, wenn ja offensichtlich nicht einmal die Partei selbst weiß, wieviel Geld ihr letztlich zur Vefügung steht? Ich kann doch schlecht sagen, ich berücksichtige die Einkünfte nicht, weil die Partei mit den Steuererklärungen trödelt und mir deshalb nicht sagen kann, welches ungefähre Nettoeinkommen sie hat. :gruebel:

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Ich bin ja unten, liebe Gegs :)

    Aber so weit ich das überblicke, hat die Dame seit 2012 keine Steuern mehr gezahlt. Vielleicht zu recht, vielleicht zu unrecht (und hier danke ich für eure steuerrechtlichen Hinweise).

    Welches Einkommen soll ich also meiner Prüfung zugrunde legen, wenn ja offensichtlich nicht einmal die Partei selbst weiß, wieviel Geld ihr letztlich zur Vefügung steht? Ich kann doch schlecht sagen, ich berücksichtige die Einkünfte nicht, weil die Partei mit den Steuererklärungen trödelt und mir deshalb nicht sagen kann, welches ungefähre Nettoeinkommen sie hat. :gruebel:

    Ich bin bei dir (ganz weit unten).

    Die Partei kann alles aufschreiben und ich rechne. Wenn keine Steuer angegeben wird, egal warum (vergessen oder nicht gezahlt) dann kann man sie nicht berücksichtigen. Gleiches gilt für Betriebsausgaben, es muss angegeben sein, wenn nicht, kann man ja schlecht in der Glaskugel lesen.

    Eine Kollegin schreibt in solchen Fällen die Partein an: Ich habe eine Rate in Höhe von xx € ausgerechnet, wenn Sie noch etwas zum anrechnen haben, teilen Sie es mir bitte mit.

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