InsO-Verfügungsverbot und vorliegende Anträge

  • Habe eine Vertretungsakte, bei der ich den Durchblick verloren habe und hoffe hier auf Hilfe! 4 Eingänge und ich weiß nicht weiter:oops:

    Eingetragene Eigentümerin ist die ALL# LTD., Xfield, Großbritannien

    16.03.2015: Antrag auf Eintragung einer Grundschuld für eine natürliche Person als Gläubigerin; Antrag und Bewilligung erklärt durch ALL# LTD., ZStraße 2, YDorf (in Deutschland), vertreten durch den director M.K.(eingetragen im HRB). Einsicht in HRB ergab, dass die "ALL# LTD. mit Sitz in YDorf, ZStraße 2, YDorf" eine deutsche Zweigniederlassung der ALL# LTD., Xfield, Großbritannien ist.

    Zwvfg 17.03.2015: Vorzulegen ist eine Vollmacht, dass die Zweigniederlassung in Deutschland für die Hauptfirma in Großbritannien handeln darf (+ Vorschusserforderung, Vorschuss wurde gezahlt).

    24.03.2015: Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek durch Finanzamt; Schuldner: ALL# LTD., ZStraße 2, YDorf, Deutschland - Mitteilung, dass zunächst der vorgehende Antrag erledigt werden muss.

    10.06.2015: Zu Antrag 1 (Grundschuld):Frist § 18 GBO: 1 Monat, Zurückweisung angedroht; mehrfach Fristverlängerung erbeten, zuletzt bis 30.09.2015

    20.08.2015: Ersuchen auf Eintragung eines Verfügungsverbots gem. § 21 InsO; Schuldner: ALL# LTD. vertreten durch den director, ZStraße2, YDorf, Deutschland, vertreten durch: M.K.

    21.08.2015: Ersuchen auf Eintragung eines Zwangsversteigerungsvermerks gegen den Eigentümer: ALL# LTD. vertreten durch den director M.K., hier: ZStraße2, YDorf, Deutschland

    Meine erste Frage: Ist die Bezeichnung des Schuldners/Eigentümers in den InsO- und ZV-Ersuchen ok? Kann unter der Bezeichnung der Zweigniederlassung gegen die Hauptfirma vollstreckt werden?

    Falls nein: Hinweis an InsO- und ZV-Gericht, dass Schuldner und eingetr. Eig. nicht identisch?
    Falls ja: Trage ich dann Vormerkungen für Grundschuld und die Sicherungshypothek ein?

    Habe leider so gar nichts dazu gefunden (außer einer nicht beantworteten Frage zu ähnlichem Thema im Rpfl-Forum 2013...) und hoffe, es hat jemand eine Ahnung?

  • Die Zweigniederlassung ist rechtlich unselbständig. Sie stellt lediglich einen Teil des Vermögens des Gesamtunternehmens dar. Für Verbindlichkeiten, die von einer Zweigniederlassung aus begründet werden, haftet der Unternehmensträger als Rechtsträger mit seinem gesamten Vermögen, nicht etwa nur mit dem Vermögen der Zweigniederlassung. Das gilt auch für die Zweigniederlassung einer juristischen Person mit Hauptniederlassung/Sitz im Ausland. (s. Pentz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, 3. Auflage 2014, § 13 RN 63, § 13d HGB RN 20).

    Im Falle der Insolvenz des Unternehmens gibt es drei Möglichkeiten:
    a) das Hauptinsolvenzverfahren am Sitz des Unternehmens im Ausland. Dieses Verfahren wird in Deutschland aufgrund des Universalitätsprinzips nach. § 343 InsO anerkannt. Das bedeutet, dass ein Insolvenzverfahren im Ausland über das Vermögen des Gesamtunternehmens auch alle Vermögensgegenstände erfasst, die der inländischen Zweigstelle zuzuordnen sind.
    b) das Partikularverfahren. Hat ein ausländisches Unternehmen im Inland eine Niederlassung oder sonstiges Vermögen, so können die Gläubiger gem. § 354 InsO ein besonderes Insolvenzverfahren über das inländische Vermögen des Schuldners herbeiführen. Es kann im Inland eröffnet werden, auch wenn im Ausland das Hauptinsolvenzverfahren (noch) nicht eröffnet ist
    c) Das Sekundärinsolvenzverfahren: Ist bereits ein Hauptinsolvenzverfahren im Ausland eröffnet, so kann über das Inlandsvermögen des Schuldners zusätzlich ein Sekundärinsolvenzverfahren im Inland beantragt werden, für das die §§ 356 bis 358 InsO gelten.

    Alle drei Insolvenzverfahren haben gemeinsam, dass Insolvenzschuldner nur das ausländische Gesamtunternehmen, nicht aber die Zweigniederlassung ist. Das Hauptinsolvenzverfahren im Ausland erfasst sämtliche Vermögensgegenstände des Gesamtunternehmens weltweit (auch die der Zweigniederlassung zugeordneten Vermögensgegenstände). Das Partikularverfahren und das Sekundärinsolvenzverfahren erfassen sämtliche im Inland befindlichen Vermögensgegenstände des Gesamtunternehmens, also nicht nur der inländischen Zweigniederlassung, sondern auch der Hauptniederlassung. Insolvenzgläubiger, die an jedem der drei Verfahren teilnehmen können, sind alle Gläubiger sämtlicher Stellen des Gesamtunternehmens weltweit (s. Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, 4. Auflage 2012, § 53 RNern 132 ff).

    Wie sich aus dem Beschluss des AG Köln vom 1. 12. 2005, 71 IN 564/05, ergibt, ist der Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft eines Mitgliedstaats der Europäischen Union nur unter den besonderen Voraussetzungen des Art. 3 III EulnsVO und des Art. 3 IV EulnsVO möglich.

    Ich vermute daher, dass vorliegend in Großbritannien das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wurde und das Ersuchen des Insolvenzgerichts auf der Bestimmung des Art. 102 § 6 Absatz 1 Satz 2 EUInsO beruht.

    Mit der Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots nach § 21 Absatz 2 Nr. 2 InsO ist dem Schuldner die Verfügungsmacht entzogen. Das Verfügungsverbot bewirkt, dass jede verbotswidrig vorgenommene Verfügung einschließlich einer Vollstreckungshandlung, absolut (schwebend) unwirksam ist; da es sich zur Erreichung des Schutzzweckes nach § 21 Abs. 2 Nr. 2, § 24 Abs. 1, §§ 81, 82 um ein absolut wirkendes Verbot handelt. Die Anordnung von Verfügungsbeschränkungen im Eröffnungsverfahren wird in ihren Rechtswirkungen dem gesetzlichen Verfügungsverbot des § 81 nach Verfahrenseröffnung gleichgestellt (s. Haarmeyer im Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage 2013, § 21 RN 54 mwN). Dabei kommt es auf die Verfügungsbefugnis zum Zeitpunkt der Entstehung des Rechts, also der Eintragung an. Allerdings wird dadurch nicht der Eintritt des Verfügungserfolgs gehindert, wenn im Zeitpunkt der Eröffnung – oder im Fall des § 24 InsO im Zeitpunkt der Anordnung der Verfügungsbeschränkung – die dingliche Einigung erfolgt und der Eintragsantrag gestellt worden ist, die erforderliche Eintragung jedoch noch aussteht (BGH, Urteil vom 26. 4. 2012, IX ZR 136/11 unter Zitat Kayser, in: HK-InsO, § 81 Rdnrn. 17 f.; Uhlenbruck, InsO, § 81 Rdnr. 9; Windel, in: Jaeger, InsO, § 81 Rdnr. 43; Bork, Einf. in das InsolvenzR, 4. Aufl., Rdnrn. 137, 137 a; Kuleisa, in: Hmb-InsO, 3. Aufl., § 81 Rdnr. 8; a. A. Ott/Vuia, in: MünchKomm-InsO, 2. Aufl., § 81 Rdnr. 10; Häsemeyer, InsolvenzR, 4. Aufl., Rdnrn. 10.29 ff.; Eickmann, in: Festschr. f. Uhlenbruck, 2000, S. 149 [151 f.]).

    Für den Vollzug des Antrags auf Eintragung der Grundschuld müsste also der Eintritt der Bindung nach §§ 878, 873 Absatz 2 BGB nachgewiesen sein. In diesem Fall, käme auch noch die Eintragung einer Vormerkung nach § 18 II GBO in Betracht, wobei mE allerdings bislang genügend Zeit bestand, das Eintragungshindernis zu beseitigen.

    Für die Zwangshypothek ist streitig, ob die Bestimmung des § 878 BGB entsprechend anzuwenden ist (s. Kohler im Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 878 RN 27 mwN). Geht man mit der dort und bei Gursky im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 878 RN 12 dargestellten hM davon aus, dass § 878 BGB auf Zwangsvollstreckungsakte keine Anwendung findet (so Staudinger/Gursky, RN 13), dann wäre der Antrag nunmehr zurückzuweisen. Da er seinerzeit offenbar vollzugsreif war, erschließt sich mir allerdings nicht, weshalb er bis zur Erledigung des Antrags auf Eintragung der Grundschuld unbearbeitet geblieben ist. Es hätte doch sogleich eine Vormerkung nach § 18 II GBO für den vorangehenden Antrag auf Eintragung GS und anschließend die Zwasi eingetragen werden können. Selbst wenn jetzt noch die Eintragungsfähigkeit bejaht würde, besteht die Gefahr, dass in Kürze das Insolvenzverfahren eröffnet wird damit die Zwangssicherungshypothek unwirksam wird (§ 88 InsO). Die Sicherung würde nunmehr nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt und würde damit mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam (s. BGH, Urteil vom 19. 1. 2006 - IX ZR 232/04). Das könnte zu Schadensersatzansprüchen führen. Einer Vormerkung nach § 18 II GBO bedarf es für einen vollzugsreifen Antrag allerdings nicht.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • :huldigen:Vielen, vielen Dank für diese umfassende Antwort! Sie hat für mich viel Licht in diese Sache gebracht. Auf so viel Information hatte ich gar nicht zu hoffen gewagt.

    Und dass ich für die Sicherungshypothek keine Vormerkung eintragen kann, ist logisch, da war ich durch die vielen anderen Fragen, die sich mir stellten, wohl etwas verwirrt. Danke!

    Einmal editiert, zuletzt von Mata (31. August 2015 um 07:13)

  • Der Fall geht weiter. :)

    Ich habe im Grundbuch von W. Bl. 00 eingetragen als Eigentümerin die All# LTD, #field, Großbritannien.

    Weiterhin liegt mir ein Beschluss vor, danach wird über das Vermögen der All# LTD, in L. Deutschland (AG H. HRB #) ein Hauptinsolvenzverfahren gemäß Art. 3,4 EuInsVO eröffnet. Aus dem Handelsregister lässt sich ersehen, dass es sich um eine Zweigniederlassung meines eingetragenen Eigentümers handelt.

    Der Insolvenzverwalter verkauft nun das Grundstück eingetragen in W. Bl.00.
    Darf er das ?


    Mein Problem: Bezieht sich der Insolvenzbeschluss (Rubrum offensichtlich die Zweigniederlassung) auch auf das Vermögen der Hauptniederlassung.

  • Die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens in Deutschland dürfte darauf beruhen, dass die Gesellschaft entgegen der widerleglichen Vermutung des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO (2000)/Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 1 EuInsVO (2015) den Mittelpunkt des hauptsächlichen Interesses (sog. COMI) in Deutschland hat (Art. 3 Abs. 1 S. 1 EuInsVO, s. dazu Ego im Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Auflage 2017, 2. Kapitel. Internationales Gesellschaftsrecht im Europäischen Binnenmarkt, RN 295).

    Nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO gibt es für die Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur ein zuständiges Gericht, nämlich am Interessenmittelpunkt des Schuldners (s. Hausmann in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl. 2015, 7. Teil: Vertretungsmacht und Verfügungsbefugnis, RNern 7.609, 7.610). Dieses soll nach Art. 102 § 2 EGInsO seine tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zur Kompetenzfrage im Eröffnungsbeschluss kurz darlegen, wenn sich abzeichnet, dass auch in einem anderen Mitgliedstaat möglicherweise zuständigkeitsbegründende Umstände vorliegen.

    Die Entscheidung dieses Gerichts über seine internationale Zuständigkeit ist in allen anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen und unterliegt dort keiner Nachprüfung (Hausmann, RN 7610 mwN und mit Darstellung einer Ausnahme (Verstoß gegen den ordre public (Art. 26 EuInsVO) in RN 7.611).

    Das DNotI führt dazu im Gutachten vom 07.08.2012, Abruf-Nr.: 118674, aus:

    „Gem. Art. 16 EuInsVO ist die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein gem. Art. 3 EuInsVO zuständiges Gericht eines Mitgliedsstaates in allen übrigen Mitgliedsstaaten anzuerkennen, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam geworden ist. Gem. Art. 3 Abs. 1 EuInsVO sind dabei für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Gerichte des Mitgliedsstaates zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Als Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen soll gem. Erwägungsgrund 13 zur EuInsVO der Ort gelten, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und der damit für Dritte feststellbar ist. Dabei wird gem. Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO bei Gesellschaften und anderen juristischen Personen bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen an dem Ort des satzungsmäßigen Sitzes dieser Gesellschaft befindet.“

    Wie oben
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…l=1#post1037158
    und hier zur deutschen Zweigniederlassung einer Schweizer AG
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…158#post1097158
    ausgeführt, ist die Zweigneiderlassung rechtlich unselbständiger Bestandteil der ausländischen Hauptniederlassung.

    Damit gilt für die Verfügungsbefugnis nach Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens in Deutschland jedenfalls für das hier belegene Vermögen die Regelung des § 80 InsO.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens in Deutschland dürfte darauf beruhen, dass die Gesellschaft entgegen der widerleglichen Vermutung des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO (2000)/Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 1 EuInsVO (2015) den Mittelpunkt des hauptsächlichen Interesses (sog. COMI) in Deutschland hat (Art. 3 Abs. 1 S. 1 EuInsVO, s. dazu Ego im Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Auflage 2017, 2. Kapitel. Internationales Gesellschaftsrecht im Europäischen Binnenmarkt, RN 295)...
    .

    s. zum Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen (Centre of main interests -COMI- auch BGH, Beschluss vom 2. März 2017, IX ZB 70/16, Rz. 8, 9, 11
    http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechts…770&pos=0&anz=1

    Darauf, dass es ab dem 26.06.2017 -auch für Großbritannien, solange die Verhandlungen über den Brexit nicht (aufgenommen und) beendet sind- ein neues EU-Ins.Verfahren geben wird, weise ich hin (s. Commandeur/Römer, „Aktuelle Entwicklungen im Insolvenzrecht“, NZG 2015, 988.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

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