Auflassung an eine nicht rechtsfähige Stiftung

  • Hallo Freunde der Rechtspflege,

    im Jahr 1903 wurde aufgrund Auflassung die .... Stiftung im Grundbuch als Eigentümerin
    eingetragen. Für die Stiftung handelte der Pastor XY.
    Dem Grundbuchamt liegt nunmehr ein Antrag des Landeskirchenamtes X vor
    die Eigentümereintragung auf Evangelische Kirchengemeinde Y (die ... Stiftung zu ....)
    zu berichtigen.
    Es wird dazu u. a. ausgeführt, dass es sich bei der im Grundbuch eingetragenen Eigentümerin
    um eine nicht rechtfähige unselbstständige Stiftung in Trägerschaft der Evangelische Kirchen-gemeinde Y handelt.
    Der Nachweis, dass dies so ist, wurde nicht in der Form des § 29 GBO erbracht, allenfalls glaubhaft gemacht.
    Es stellen sich mir folgende Fragen:

    1. Hat ein Rechtserwerb überhaupt stattgefunden, wenn die Stiftung selbst nicht rechtsfähig war?
    2. Wie kann in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden, dass die Stiftung zum
    Zeitpunkt des Rechtserwerbs nicht rechtsfähig wann?

    Sofern dieser Nachweis gelingen würde, folgt daraus nach m. M. , dass die Auflassung nicht
    wirksam erklärt worden ist.
    Ein Berichtigungsanspruch der Kirchengemeinde ist nach m. M. nicht gegeben, da der Pastor
    seine Erklärungen in der Auflassungsverhandlung nicht für die Kirchengemeinde sondern für
    die Stiftung abgeben hat.

    Liege ich richtig, wenn ich den Antrag des Landeskirchenamtes zurückweise, weil Berichtigungs-
    anspruch nicht vorliegt, bzw. die Grundbuchunrichtigkeit nicht nachgewiesen ist?:gruebel:

  • Ich würde mich an § 891 BGB orientieren wollen. Zwar kann sich an die Nichtexistenz des Eingetragenen kein gutgläubiger Erwerb anschließen, denn der öffentliche Glaube des Grundbuchs nach § 891 BGB erstreckt sich nach allgemeiner Meinung nicht auf rechtliche Eigenschaften des Eingetragenen wie Rechtsfähigkeit, Geschäftsfähigkeit und Verfügungsbefugnis (s. OLG Frankfurt 20. Zivilsenat, Beschluss vom 24.06.2003, 20 W 274/02 mwN). Ob es sich aber bei dem Eingetragenen um eine nicht rechtsfähige Stiftung handelt oder nicht, ist urkundlich nicht belegt. Damit gilt auch für das GBA die Vermutung, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Eintragung erfolgt ist, der wahre Rechtsinhaber ist (s. Gursky im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2013, § 891 RN 83 mwN).

    Der Grundbuchrechtspfleger darf sich über die Vermutung nur hinwegsetzen, wenn er die sichere Kenntnis - positive Überzeugung - erlangt, dass eine andere Rechtslage gegeben ist; die bloße Möglichkeit oder Vermutung, dass eine vom Grundbuchinhalt abweichende Rechtslage gegeben ist, ja selbst die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unrichtigkeit des Grundbuchstandes reicht dafür nicht aus (Staudinger/Gursky, RN 84 mwN).

    Wenn ich nach der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 28.12.1984, Vf. 10-VII-81, gehe, dann kann ein Stifter seine Stiftung selbst dann, wenn sie kirchlichen Zwecken gewidmet ist, der Verwaltung durch eine staatliche oder kommunale Behörde unterstellen.

    Die kirchliche Stiftung weltlichen Rechts ist daher von der Stiftung nach Kirchenrecht zu unterscheiden (s. Morsch im jurisPK-BGB Band 1, 7. Auflage 2014, Stand:01.10.2014 § 80 RN 10 unter Zitat BVerfG v. 11.10.1977 - 2 BvR 209/76 - juris Rn. 21 - NJW 1978, 581-583).

    Die Klärung, welche Art Stiftung vorliegt, ist nicht Aufgabe des Grundbuchamts. Notfalls ist ein statusrechtliches Verfahren durchzuführen (VG Gießen 8. Kammer, Urteil vom 12.11.2013, 8 K 818/13.GI). Dazu wird es auch auf die Satzung der Stiftung ankommen. Das VG führt aus: „Die damalige Kirchenleitung habe keine Veranlassung gesehen, einen davon abweichenden Standpunkt zu vertreten und die Anerkennung der Beigeladenen als kirchliche Stiftung zu betreiben. Sie habe auch keine Maßnahmen der Kirchenaufsicht für die laufenden Kirchengeschäfte ausgeübt. Durch die Nichtausübung von Aufsichtsmöglichkeiten, insbesondere bei Feststellung einer Satzung und Anerkennung einer Stiftung als kirchlicher Stiftung über einen Zeitraum, der mindestens seit dem 01.05.1966 anzunehmen sei, habe die Klägerin ihre Mitwirkungsrechte bei der Feststellung der Satzung verwirkt“).

    Wenn also über einen Zeitraum von 1903 bis heute keine Indizien oder kein entsprechender Vortrag dafür vorliegt, dass das Landeskirchenamtes X als Institution jemals Einfluss genommen oder ein irgendwie geartetes Aufsichtsrecht wahrgenommen oder geltend gemacht oder die Stiftung in finanzieller Hinsicht unterstützt hätte (s. dazu VG Gießen 8. Kammer, Urteil vom 19.08.2010, 8 K 4293/09.GI), dann kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie nunmehr die Eigentümerrechte beanspruchen kann. Jedenfalls fehlt es an einem Unrichtigkeitsnachweis in der Form der §§ 22, 29 GBO.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Vielen Dank für die ausführlichen Hinweise.

    Habe aber gleich noch 2 Fragen dazu.
    Ein Grundstück der Stiftung wurde bereits veräußert. Die Stiftung wurde bei diesem Rechtsgeschäft
    durch den Gemeindekirchenrat als Stiftungsvorstand vertreten. Die Satzung der Stiftung (sofern diese überhaupt existiert) wurde nicht vorgelegt. Statt dessen wurde eine Legitimationsbescheinigung des Konsistorium Referat Stiftungsaufsicht beigebracht.
    Diese besagt, dass die Stiftung gemäß testamentarischen Bestimmung des Stifters A vom .... und der
    landesherrlichen Genehmigungsurkunde von Kaiser Wilhelm II. vom .... durch den amtierenden Gemeindekirchenrat zu ... als Stiftungsvorstand im Rechtsverkehr vertreten wird.
    Ist eine solche Legitimationsbescheinigung als Vertretungsnachweis überhaupt verwendbar?
    Und könnte aufgrund der testamentarischen Verfügung des Stifters auf eine unselbstständige Stiftung
    in Trägerschaft der Kirchengemeinde geschlossen werden?

  • ... und der landesherrlichen Genehmigungsurkunde von Kaiser Wilhelm II. vom ...

    Wenn sie anerkannt wurde, wäre sie ja doch rechtsfähig.

    Die Genehmigung des preußischen Königs vom 07.11.1900 bezieht sich allein auf die Annahme der zugrunde liegenden Erbschaft. so das mir vorliegende Schreiben des Kirchenamtes.

  • Wenn ich von dem Urteil des VG Sigmaringen 9. Kammer, vom 26.09.2006, 9 K 2042/05, Rz. 100 ausgehe, dann enthielt seinerzeit nur das Verwaltungsedikt für die Gemeinden, Oberämter und Stiftungen von König Wilhelm vom 01.03.1822, bekannt gemacht am 14.03.1822 (RgBl. 1822 S. 131) Normen bezüglich der Stiftungen. Das VG führt aus: „Dieses enthielt in seinen §§ 120 ff. umfangreiche Regelungen über die in jeder Gemeinde vorhandenen Stiftungen für Kirchen, Schul- und Armenbedürfnisse, mit Einschluss der für diese und ähnliche Zwecke bestimmten Familien- und anderen Privatstiftungen (vgl. § 120 Verwaltungsedikt 1822). Allerdings bestimmte das Verwaltungsedikt ausdrücklich nichts über die Verwaltung solcher Stiftungen, deren Zweck nicht nur die Interessen einer Gemeinde berührte, sondern auch, wie im Falle der Stiftung L., darüber hinausgingen, also überörtlichen Zwecken dienten. Dies besagt aber nicht, dass derartige Stiftungen, die über die örtlichen Interessen der Gemeinde hinausgingen, im staatlichen Rechtskreis nicht gegründet werden konnten. Solche wurden und konnten durchaus gegründet werden (vgl. Thalmessinger, Die rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts, Diss. Jur. Tübingen 1934 S. 12, S. 17 m.w.N., z.B. einen zitierten Ministererlass vom 08.05.1828; vorgelegt als A 78 der Beigeladenen) wie sich nicht zuletzt auch daraus ergibt, dass auch der Beigeladenen im Jahre 1873 durch königliche Entschließung die juristische Rechtspersönlichkeit verliehen worden ist.“..

    Und wenn ich die landesherrliche Genehmigungsurkunde von Kaiser Wilhelm II. vom 7.11.1900 als königliche Entschließung zur Verleihung der juristischen Rechtspersönlichkeit verstehe, dann ist eine rechtsfähige Stiftung gegründet worden. Schließlich verfügt(e) sie über einen Stiftungsvorstand, der sie nach außen hin vertreten konnte. Als die Stiftung im Jahre 1903 als Grundstückseigentümerin eingetragen wurde, galt auch noch nicht die Weimarer Verfassung mit dem Selbstorganisationsrecht der Kirchen (s. dazu VG Oldenburg,1. Kammer, Beschluss vom 27.09.2010, 1 B 1384/10, Rz. 13 ff). Wie sich das später verhielt, müsste dem Stiftungsgesetz Deines Landes zu entnehmen sein. Die jeweiligen Stiftungsgesetze sind bei Mayer im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, Art. 163 EGBGB genannt.

    Jedenfalls fehlt es mE vorliegend an einem urkundlichen Nachweis der Zugehörigkeit des Grundvermögens zum Vermögen der Evangelische Kirchengemeinde Y.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

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