Warenlager geschützt?

  • S führt Kleinbetrieb (Kfz-Werkstatt), die gem. § 35 Abs. 2 InsO freizugeben ist. Seine Werkstattausstattung (Hebebühne, Werkzeug) würde ich mal gem. 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO als verwertungsgeschützt ansehen.

    Was ist aber mit seinem Warenlager? Er hat einen geringen Bestand an Reifen, Öl (Einzelflaschen 0.5 l für den Verkauf und auch ein 100l-Fass für den Bedarf bei Reparaturen, Wischerblätter, Zündkerzen und lauter so Gedöns).

    Ist das auch über 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO geschützt? Oder gibt es da eine Wertgrenze? Hier ist es definitiv so, dass S bei Verwertung des Warenlagers seinen Laden wohl dichtmachen müsste.

    Wie handhabt Ihr so etwas?

    Grüße

  • Aus dem Münchener Kommentar § 811 ZPO RZ 62:

    Verkaufsbereite Waren einschließlich eines angemessenen Vorratssind nach zutreffender Auffassung unpfändbar:

    OLG Frankfurt DGVZ 1960, 125; OLG Celle DGVZ 1999, 26; LGLübeck DGVZ 1982, 7, 8; LG Hannover DGVZ 1999, 26; AG Köln DGVZ 1992, 47; NoackDB 1977, 195; Winterstein DGVZ 1985, 85, 87 m. weit. Nachw.; aA LG GöttingenDGVZ 1994, 89; LG Kassel JurBüro 1996, 215; AG Gießen DGVZ 1998, 30;Schuschke/Walker Rn. 27.

    Warenlager hingegen pfändbar:


    OLG Köln DB 1967, 422; LG Düsseldorf DGVZ 1985, 74; LG LübeckDGVZ 1982, 78

  • Nur in geringen Mengen, vgl. Sinz/Hiebert in ZInsO 2012, 63ff mit Verweis auf LG Lübeck, Beschl. v. 24.10.2002 - 7 T 531/02, DGVZ 2002.

    Aber wenn ich das schon höre wie "Öl", "Bremsflüssigkeit" etc. So etwas bekommst Du schwerlich verwertet, dass schreit nach kostenpflichtiger Entsorgung als Sondermüll...

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Nur in geringen Mengen, vgl. Sinz/Hiebert in ZInsO 2012, 63ff mit Verweis auf LG Lübeck, Beschl. v. 24.10.2002 - 7 T 531/02, DGVZ 2002.

    Aber wenn ich das schon höre wie "Öl", "Bremsflüssigkeit" etc. So etwas bekommst Du schwerlich verwertet, dass schreit nach kostenpflichtiger Entsorgung als Sondermüll...

    Das stimmt schon, aber wir haben hier einen recht fitten Verwerter, der hat auch für sowas Abnehmer.

    Generell frage ich mich, ob es eine Obergrenze für Betriebs- und Geschäftsausstattungen in solchen Fällen gibt. Stellt Euch mal vor, S hätte eine Tip-Top-Werkstatt, unbelastet, mit einem Wert von 500.000,- EUR. Die bräuchte er fraglos zur Fortsetzung seiner Selbständigkeit, 811 Nr. 5 ZPO würde also greifen. Aus Gläubigersicht wäre es aber ziemlich unbefriedigend, wenn S mit diesem Wert Minimalumsätze zur Deckung seines Lebensunterhaltes erwirtschaften würde ...

  • Wenn der Gerät sehr werthaltig würde ich zur Austauschpfändung gem. §811 a I ZPO tendieren
    §811 Nr. 5 ist da genannt (wobei mich graust: §811 a II: das Vollstreckungsgericht entscheidet=> das Insogericht entscheidet=> ich? entscheide=> bäh;))

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Wenn der Gerät sehr werthaltig würde ich zur Austauschpfändung gem. §811 a I ZPO tendieren
    §811 Nr. 5 ist da genannt (wobei mich graust: §811 a II: das Vollstreckungsgericht entscheidet=> das Insogericht entscheidet=> ich? entscheide=> bäh;))

    OK, aber das ist ja in den meisten Fällen kaum durchführbar, oder wie willst Du zB eine komplette Werkstatt demoniteren, eine andere - biligere, aber ebenso brauchbare - finden, anschaffen, einbauen etc ...... Wirtschaftlich ist das nicht.

  • Austauschpfändung halte ich hier auch für das falsche Mittel. Wie wäre es mit einer Gläubigerversammlung, dass die Freigabe auch dies und das beinhaltet? Diese im schriftlichen Verfahren durchgeführt und der Käse sollte gegessen sein.

  • Wenn der Gerät sehr werthaltig würde ich zur Austauschpfändung gem. §811 a I ZPO tendieren
    §811 Nr. 5 ist da genannt (wobei mich graust: §811 a II: das Vollstreckungsgericht entscheidet=> das Insogericht entscheidet=> ich? entscheide=> bäh;))

    Ob dies so einfach ist, möchte ich bezweifeln. Wenn der Schuldner über einen notwendigen Originalsatz an Werkzeugen verfügt, die erst die Reparatur der Nobelkarrosse aus Maranello überhaupt möglich macht, dann hast Du ein Problem. Und das, was der BGH zu Autos und Austauschpfändung gesagt hat, wird wohl auch bei Werkzeug zu beachten sein: Das Ersatzstück muss gleiche Haltbarkeit und gleiche Lebensdauer haben, VII ZB 114/09.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Austauschpfändung halte ich hier auch für das falsche Mittel. Wie wäre es mit einer Gläubigerversammlung, dass die Freigabe auch dies und das beinhaltet? Diese im schriftlichen Verfahren durchgeführt und der Käse sollte gegessen sein.

    Das ginge natürlich. Trotzdem müssten doch nach strengem Gesetzeswortlaut dem IV die Hände gebunden sein, sobald S mit seiner BuG Einkommen erwirtschaftet, sei es auch noch so gering?

  • mh, falsch würde ich nicht sagen,
    aber stimmt: in vielen fällen unwirtschaftlich/aberwitzig schwierig/kaum umsetzbar, da stimm ich zu!

    Eine Freigabe (wenn machbar (falls die Gläubiger net querschießen) durch eine Versammlung mit entsprechendem Beschluss legitimiert) wäre natürlich möglich
    Aber das ist ja auch kein befriedigendes Ergebnis; der Gegenstand wäre der Masse entzogen ohne dass ein entsprechender Benefit zur Masse fließt
    häufiger gesehen habe ich auch, dass der IV (nach Gl-Versammlung) gegen Zahlung eines gewissen Geldbetrages an den Schuldner freigibt.
    aber strenggenommen: warum sollte der Schuldner das tun, wenn er seine Sachen auch so einfach behalten kann

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Aber das ist ja auch kein befriedigendes Ergebnis; der Gegenstand wäre der Masse entzogen ohne dass ein entsprechender Benefit zur Masse fließt.

    Das hat man bei dem § 35 II InsO - Gedöns billigend in Kauf genommen, um einen schnellen, frischen Start hinzubekommen, weil alle Schuldner, jetzt geläutert und aufgeklärt, ein erfolgreiches Unternehmen führen (und falls es nicht so erfolgreich ist, haben die Neugläubiger etwas zum reinvollstrecken, was bei den Altverfahren ja nicht ging. Findet man bloß nicht in der Gesetzesbegründung).

    Die Gläubiger haben dann halt Pech, was aber keine neue Erkenntnis ist, weil die Belange des Staates vorgehen, siehe IX ZR 199/14, Rn. 10:

    "Den Verzicht des Schuldners auf die Unpfändbarkeit von Gegenständen nach § 811 Nr. 1 ZPO hat schon das Reichsgericht für unwirksam angesehen, weil diese Rechtsnorm dem Schuldner keine Wohltat erweisen wolle, sondern es sich um eine Regelung der Zwangsvollstreckung handele, die ihren wesentlichen Grund im öffentlichen Interesse habe. Sie beruhe auf dem sozialpolitischen Gedanken, dass die Zwangsvollstreckung nicht zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners und seiner Familie führen dürfe Entsprechendes gilt für die §§ 850 ff ZPO."

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Aber das ist ja auch kein befriedigendes Ergebnis; der Gegenstand wäre der Masse entzogen ohne dass ein entsprechender Benefit zur Masse fließt.

    Das hat man bei dem § 35 II InsO - Gedöns billigend in Kauf genommen, um einen schnellen, frischen Start hinzubekommen, weil alle Schuldner, jetzt geläutert und aufgeklärt, ein erfolgreiches Unternehmen führen (und falls es nicht so erfolgreich ist, haben die Neugläubiger etwas zum reinvollstrecken, was bei den Altverfahren ja nicht ging. Findet man bloß nicht in der Gesetzesbegründung).

    Die Gläubiger haben dann halt Pech, was aber keine neue Erkenntnis ist, weil die Belange des Staates vorgehen, siehe IX ZR 199/14, Rn. 10:

    "Den Verzicht des Schuldners auf die Unpfändbarkeit von Gegenständen nach § 811 Nr. 1 ZPO hat schon das Reichsgericht für unwirksam angesehen, weil diese Rechtsnorm dem Schuldner keine Wohltat erweisen wolle, sondern es sich um eine Regelung der Zwangsvollstreckung handele, die ihren wesentlichen Grund im öffentlichen Interesse habe. Sie beruhe auf dem sozialpolitischen Gedanken, dass die Zwangsvollstreckung nicht zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners und seiner Familie führen dürfe Entsprechendes gilt für die §§ 850 ff ZPO."

    Das Urteil bedeutet dann aber letztendlich, das es keine Wertobergrenze für eine BuG gibt, d.h. das wirtschaftliche Weiterleben des S geht auch bei höheren Werten vor den Befriedigungsinteressen der Gläubiger. Die Gläubiger können ja noch hoffen, dass der freigegebene Betrieb auch nicht funktioniert, S ihn aufgibt und dann alles verwertbar wird...

  • Ich hänge mich hier mal dran mit folgendem Problemchen: Schuldner ist selbstständig tätig. Geschäftsbetrieb wird zunächst durch IV fortgeführt. Im Laufe des Verfahrens erfolgt dann doch die Freigabe des Geschäftsbetriebes. Wieder 2 Jahre später gibt der Schuldner den Geschäftsbetrieb auf und wechselt in ein Angestelltenverhältnis. Der ehemalige Vermieter der Geschäftsräume macht sein Vermieterpfandrecht geltend als der Schuldner den Geschäftsbetrieb an einen anderen Ort verlegt (nach erfolgter Freigabe durch den IV). Nun meldet sich der ehemalige Vermieter und fragt, was mit seinem Vermieterpfandrecht sei. Er habe dem Schuldner seinerzeit zwar die Weiternutzung der Werkzeuge usw. gestattet, aber zwischenzeitlich sei der Geschäftsbetrieb ja aufgegeben worden. Der IV schreibt im Schlussbericht dazu, dass der ehemalige Vermieter das Pfandrecht klageweise gegen den Schuldner hätte durchsetzen müssen, da der Geschäftsbetrieb ja freigegeben war. Der ehemalige Vermieter ist aufgeschreckt worden durch die Tatsache, dass nunmehr RSB erteilt werden soll. Einen Versagungsgrund sehe ich aber nicht. Was meint ihr zu dem Sachverhalt?

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Aus dem Sachverhalt könnte man vermuten, dass es sich bei den Mietrückständen nicht um Insolvenzforderungen und auch nicht um Masseverbindlichkeiten handelt. Neuverbindlichkeiten dürften hier doch keine Rolle spielen. Ist der Vermieter überhaupt Beteiligter des Verfahrens ? Was ist denn mit dem Inventar passiert?

    Wenn überhaupt, dann wäre mE allenfalls § 290 I Nr. 4 InsO anwendbar, wenn der Schuldner das Inventar zerlegt hat, BGH vom 09.07.2009, IX ZB 199/08, und der Vermieter zur Stellung eines Versagungsantrages berechtigt ist,

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Der Vermieter ist Insolvenzgläubiger. Die Forderungen wurden seinerzeit unbedingt festgestellt, da er das Vermieterpfandrecht zunächst nicht geltend machte. Der IV hat seinerzeit eine Maschine verwertet, die der Schuldner nicht zur Weiterführung der selbstständigen Tätigkeit benötigte. Im Übrigen alles veraltet und nicht verwertbar, wenn ich mich recht erinnere.
    § 290 InsO kommt nicht in Betracht, da wir uns bereits in der WVP befinden.

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

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