Nachfestsetzung höherer Gegenstandswert

  • Hallo zusammen,

    ich habe zu meinem Problem leider keine Lösung gefunden.
    Vorliegend hat der RA einen KfA nach einem Streitwert von 3.750 € eingereicht. Daraufhin wurde der KfB erlassen. Der Gegenstandswert wurde jedoch auf 5.000,00 € festsetzt, was dem RA nach RK des KfB auffiel. Also beantragte er die Nachfestsetzung. Die Beklagte schließt eine Nachfestsetzung aus und bezieht sich auf einen Beschluss des BGH (IX ZB 104/09 v. 10.03.2011) wonach die materielle Rechtskraft der früheren Entscheidung einer erneuten Kostenfestsetzung entgegensteht, soweit derselbe Streitgegenstand betroffen ist.

    Mich würde Eure Meinung interessieren.
    Danke! :)

  • Eben. Für SW-Änderungen gibt es doch quasi "extra" den § 107 ZPO.

  • So wie es verstehe gab es hier ja keine SW-Änderung, sondern dieser war unverändert auch schon bei KFA bei 5000 EUR, was dem RA erst zu spät "aufgefallen" ist (und versehentlich von einem geringeren SW ausgegangen ist).

    Und da hat der BGH halt die schon vom Beklagten oben genannte Meinung...
    Man muss zwar nicht immer dem BGH folgen, die Frage ist aber wie weit man damit kommt :)

    Bei dieser Ausgangslage gehen ich mal davon aus das so oder so ein RM gegen deine Entscheidung kommt ;)

  • So wie es verstehe gab es hier ja keine SW-Änderung, sondern dieser war unverändert auch schon bei KFA bei 5000 EUR, was dem RA erst zu spät "aufgefallen" ist (und versehentlich von einem geringeren SW ausgegangen ist).


    Vermutlich soll man den Sachverhalt in der Tat so verstehen. Allerdings verstehe ich dann die später ergangene Entscheidung des BGH (NJW 2011, 1367) dazu aber nicht, weil sie m. E. im Widerspruch steht:

    "aa) Die Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses bezieht sich nur auf die im Antrag geforderten und im Beschluss beschiedenen Beträge. Eine Nachforderung eines bislang nicht geltend gemachten Teils bezüglich desselben Postens hindert sie grundsätzlich nicht (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 103 Rn. 12; PG/K. Schmidt, ZPO, 2. Aufl., § 103 Rn. 27; MünchKommZPO/Giebel, 3. Aufl., § 104 Rn. 128 f.; vgl. OLG Stuttgart, MDR 2009, 1136, zur Nachfestsetzung der Umsatzsteuer; BVerfG, Rpfleger 1995, 476, zur Nachfestsetzung der Erhöhungsgebühr für Mehrvertretung). Dies deckt sich auch mit dem allgemeinen Verständnis der Rechtskraftwirkung bei offenen (BGH, Urteil vom 30. Januar 1985 - IVb ZR 67/83, BGHZ 93, 330) und verdeckten Teilklagen (BGH, Urteil vom 9. April 1997 - IV ZR 113/96, BGHZ 135, 178). Danach ergreift die Rechtskraft des Urteils nur den geltend gemachten Anspruch im beantragten Umfang; eine Erklärung des Klägers, er behalte sich darüber hinausgehende Ansprüche vor, ist nicht erforderlich. Soweit ein Antrag nur beschränkt geltend gemacht worden ist, ist grundsätzlich über den überschießenden Teil nicht entschieden."


    Oder soll man beide Entscheidungen so verstehen, daß nur dann, wenn der Irrtum offenkundig ist (Antragsteller gesteht diesen ein) die vorstehenden Ausführungen des BGH zu seiner vorherigen Entscheidung aus 2009 nicht im Widerspruch stehen, weil hier kein Irrtum vorhanden war? Dann wundert mich aber die weitere Begründung des BGH in der o. g. Entscheidung aus 2011:

    "Allein der Umstand, dass er auf der Grundlage der damals gefestigten Rechtsprechung davon ausging, ihm stünde nur eine gekürzte Gebühr zu, rechtfertigt diese Annahme nicht."


    Das bedeutet doch, daß ein Irrtum unschädlich ist - oder doch nicht?

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  • Vermutlich soll man den Sachverhalt in der Tat so verstehen. Allerdings verstehe ich dann die später ergangene Entscheidung des BGH (NJW 2011, 1367) dazu aber nicht, weil sie m. E. im Widerspruch steht:

    m.E. kein Widerspruch, sondern nur die -evtl. haarspalterische- Unterscheidung:

    In diesem Fall wurde ursprünglich nur die "Halbe Gebühr" beantragt und Festgesetzt. Das steht der späteren Festsetzung der "anderen Hälfte" nicht entgegen.

    Wenn aber bereits die "ganze Gebühr" beantragt und festgesetzt wurde (wenn auch versehentlich aus zu geringem SW), dann wurde auch bereits über die ganze Gebühr entschieden, und die gleiche Gebühr kann nicht später nochmals höher festgesetzt werden.
    Kann man von halten was man will...

  • Wenn aber bereits die "ganze Gebühr" beantragt und festgesetzt wurde (wenn auch versehentlich aus zu geringem SW), dann wurde auch bereits über die ganze Gebühr entschieden, und die gleiche Gebühr kann nicht später nochmals höher festgesetzt werden.


    Also als nachfestsetzender Antragsteller bloß den Mund halten und nicht das Wort "Irrtum" erwähnen, sondern auf Einwand behaupten, man habe lediglich einen Teil seiner Gebühren damals festsetzen wollen? Kann das die Lösung sein?

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  • Also als nachfestsetzender Antragsteller bloß den Mund halten und nicht das Wort "Irrtum" erwähnen, sondern auf Einwand behaupten, man habe lediglich einen Teil seiner Gebühren damals festsetzen wollen? Kann das die Lösung sein?

    Ich denke nicht. Denn im vorliegenden Fall sind die "Posten" - namentlich die Gebühren zu ihrem vollen Satz - bereits mit dem Erstantrag und dem darauf erlassenen KFB bereits voll ausgeschöpft.

    Mit der Schaffung des § 107 ZPO hat der Gesetzgeber nach meinem Dafürhalten klar zum Ausdruck gebracht, dass streitwertbasierte Änderungen des KFB, und um nichts anderes handelt es sich letztlich bei einer Nachfestsetzung, nur unter den dort genannten Voraussetzungen möglich sein sollen.
    Sollte einer streitwertbasierte Änderung des KFB bzw. Nachfestsetzung auch in anderen, z.B. der vorliegenden Konstellationen generell möglich sein, hätte es des § 107 ZPO gar nicht bedurft.


  • Also als nachfestsetzender Antragsteller bloß den Mund halten und nicht das Wort "Irrtum" erwähnen, sondern auf Einwand behaupten, man habe lediglich einen Teil seiner Gebühren damals festsetzen wollen? Kann das die Lösung sein?


    Ich denke nicht. Denn im vorliegenden Fall sind die "Posten" - namentlich die Gebühren zu ihrem vollen Satz - bereits mit dem Erstantrag und dem darauf erlassenen KFB bereits voll ausgeschöpft.


    Meine Anmerkung war jetzt auch nicht auf den vorliegenden Fall bezogen, da aus dem Sachverhalt auch nicht eindeutig erkennbar ist, inwieweit ein Irrtum dort offenkundig ist, sondern lediglich vom Erstattungspflichtigen behauptet wird. Ich meinte jetzt generell: Ich bin ja - wie der BGH in der Entscheidung aus 2011 unter Hinweis auf seine Rspr. zu offenen oder verdeckten Teilklagen entschieden hat - nicht gehalten, sofort alle Beträge im KfV geltend zu machen, sondern kann mich darauf beschränken, nur einen Teil titulieren zu lassen. Das "wie" (ob nun geringerer Gegenstandswert oder nur einen Teil der Gebühren) ist nach der Entscheidung des BGH aus 2011 egal (dort nur eine 0,65 VG geltend gemacht), da die RK nur die beschiedenen Beträge desselben Postens umfaßt.

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  • Das "wie" (ob nun geringerer Gegenstandswert oder nur einen Teil der Gebühren) ist nach der Entscheidung des BGH aus 2011 egal (dort nur eine 0,65 VG geltend gemacht), da die RK nur die beschiedenen Beträge desselben Postens umfaßt.

    Dem würde ich mich ja gerne anschließen, wenn dem nicht die Überlegungen zum § 107 ZPO entgegenstünden ...

  • Sollte einer streitwertbasierte Änderung des KFB bzw. Nachfestsetzung auch in anderen, z.B. der vorliegenden Konstellationen generell möglich sein, hätte es des § 107 ZPO gar nicht bedurft.


    Wieso nicht bedurft? Der § 107 knüpft lediglich an die nachträgliche Änderung durch richterliche Wertfestsetzung an. Das Verfahren nach § 107 ZPO ist ein Verfahren auf Abänderung (die somit insbesondere ein Weniger, als auch ein Mehr zusprechen kann). Mit "Nachfestsetzung" ist aber immer nur ein Mehr gemeint und steht damit nicht gleich dem Verfahren nach § 107 ZPO, zumal das Mehr - wie ja die Diskussion zeigt - nicht auf einer Änderung der Wertfestsetzung beruht.

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  • :daumenrau

  • Vielen Dank für eure Meinungen.
    § 107 ZPO spricht ja nur von der Abänderung des Streitwertes. Dies ist ja vorliegend nicht gegeben. Daher neige ich dazu, den Antrag auf Nachfestsetzung abzulehnen (klar werde ich so oder so eine Erinnerung bekommen).
    Der RA hat seine Gebühren voll ausgeschöpft. Pech gehabt, wenn er den falschen Streitwert nimmt.

    Wie sieht es da eigentlich bei den Verfahren vor und nach dem 2. Kostenmodernisierungsgesetz aus? Manchmal machen die RAe ihre Kosten nach altem Recht geltend um dann zu merken, dass die Klage ja nach dem 01.08.13 einging und sie einen Anspruch auf mehr Geld haben (natürlich auch nach Erlass des KfBs). Geht man da auch nach dem Standpunkt, dass die vollen Gebühren ausgeschöpft wurden? Oder wäre eine Nachfestsetzung möglich?

  • Vielen Dank für eure Meinungen.
    § 107 ZPO spricht ja nur von der Abänderung des Streitwertes. Dies ist ja vorliegend nicht gegeben. Daher neige ich dazu, den Antrag auf Nachfestsetzung abzulehnen (klar werde ich so oder so eine Erinnerung bekommen).
    Der RA hat seine Gebühren voll ausgeschöpft. Pech gehabt, wenn er den falschen Streitwert nimmt.

    :daumenrau

    Wie sieht es da eigentlich bei den Verfahren vor und nach dem 2. Kostenmodernisierungsgesetz aus? Manchmal machen die RAe ihre Kosten nach altem Recht geltend um dann zu merken, dass die Klage ja nach dem 01.08.13 einging und sie einen Anspruch auf mehr Geld haben (natürlich auch nach Erlass des KfBs). Geht man da auch nach dem Standpunkt, dass die vollen Gebühren ausgeschöpft wurden? Oder wäre eine Nachfestsetzung möglich?

    Welches Recht (altes oder neues) anzuwenden ist, muss natürlich durch den Rechtspfleger vor der Festsetzung geprüft und ggf. beanstandet werden.

  • Welches Recht (altes oder neues) anzuwenden ist, muss natürlich durch den Rechtspfleger vor der Festsetzung geprüft und ggf. beanstandet werden.


    "Muß" er das oder "sollte" bzw. "könnte" er das? Denn diese Frage betrifft ja denselben Sachverhalt bezüglich eines irrig angenommenen, zu geringen Streitwertes, wo eine Nachfestsetzung nach der wohl überwiegenden Meinung hier ausgeschlossen ist.

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    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • Welches Recht (altes oder neues) anzuwenden ist, muss natürlich durch den Rechtspfleger vor der Festsetzung geprüft und ggf. beanstandet werden.


    "Muß" er das oder "sollte" bzw. "könnte" er das?


    Also für mich ist das ein "Muss", genauso wie sich sonst auch Richter und Rechtspfleger Gedanken machen müssen=von Amts wegen entscheiden, welches Recht (neues oder bisheriges) nach Rechtsänderungen gilt (z. B. bei Änderung der Verjährungsvorschriften im BGB, des Gerichtskostenrechtes, der Änderungen im Nachlassrecht, damals ob noch BRAGO oder schon RVG usw.).

    Dies kann man m. E. nicht dem Antragsteller überlassen, d. h. seine Annahme (z. B. neues Recht) ist zu prüfen und ggf. auf eine Korrektur hinzuwirken bzw. unter Anwendung des zutreffenden Rechtes zu entscheiden.

  • Das "wie" (ob nun geringerer Gegenstandswert oder nur einen Teil der Gebühren) ist nach der Entscheidung des BGH aus 2011 egal (dort nur eine 0,65 VG geltend gemacht), da die RK nur die beschiedenen Beträge desselben Postens umfaßt.

    Also zumindest nach der Entscheidung aus 2011 (IX ZB 104/09) ist das "wie" gerade nicht egal.

    Im Gegenteilt kommt es genau darauf an: "Voraussetzung einer beschränkten Rechtskraft bei der verdeckten Teilklage ist aber, dass Gegenstand des Begehrens verschiedene Teile eines Anspruchs sind und nicht ein einheitlicher, immer gleicher Anspruch, der lediglich in unterschiedlicher Weise berechnet wird".

    Nach BGH ist also bei falschem Streitwert (und damit wohl auch bei "altem Recht statt neuem Recht") der gleiche Anspruch -auf Erstattung einer 1,3 Gebühr- Gegenstand des Begehrens, der nun nur unterschiedlich berechnet wird
    => keine Nachfestsetzung

    während bei 0,65 Gebühr und später nochmal 0,65 Gebühr gerade verschiedene Teile des 1,3 Anspruchs betroffen sind (VII ZB 15/10)
    => Nachfestsetzung möglich

  • Welches Recht (altes oder neues) anzuwenden ist, muss natürlich durch den Rechtspfleger vor der Festsetzung geprüft und ggf. beanstandet werden.


    "Muß" er das oder "sollte" bzw. "könnte" er das?


    Also für mich ist das ein "Muss", genauso wie sich sonst auch Richter und Rechtspfleger Gedanken machen müssen=von Amts wegen entscheiden, welches Recht (neues oder bisheriges) nach Rechtsänderungen gilt (z. B. bei Änderung der Verjährungsvorschriften im BGB, des Gerichtskostenrechtes, der Änderungen im Nachlassrecht, damals ob noch BRAGO oder schon RVG usw.).

    Dies kann man m. E. nicht dem Antragsteller überlassen, d. h. seine Annahme (z. B. neues Recht) ist zu prüfen und ggf. auf eine Korrektur hinzuwirken bzw. unter Anwendung des zutreffenden Rechtes zu entscheiden.


    Das sehe ich etwas anders: Beantragt der Antragsteller (wg. fälschlicher Anwendung des alten Gebührenrechts) die Festsetzung von niedrigeren Kosten, als ihm bei korrekter Anwendung des neuen Rechts zustünden, werden diese festgesetzt (§ 308 ZPO). Beantragt er hingegen zu hohe Kosten, wird er unter Hinweis auf § 60 RVG um Antragsberichtigung gebeten!

  • Hallo,

    eine ergänzende Frage:

    Wenn die Gebühren aus einem zu geringen Streitwert berechnet wurden, die Festsetzung erfolgt ist, der KFB aber noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist: Ist es dann möglich, im Rahmen der sofortigen Beschwerde den Differenzbetrag zwischen den Kosten aus höherem und geringerem Streitwert nachfestsetzen zu lassen?

    Danke
    DD

    -Vanitas vanitatum et omnia vanitas -



  • Das würde ich verneinen. Ein Nachschieben von Kosten im Rechtsmittelverfahren ist unzulässig; hier würde es schon an einer Beschwer fehlen.

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