Art. 233 § 10 EGBGB Erwerb durch Gemeinde selbst

  • Folgender Sachverhalt liegt mir vor:
    Die Gemeinde, vertr. d. d. Bürgermeister, verfügt über ein Grundstück, wofür Eigentümer ein Personenzusammenschluss gem. Art. 233 § 10 EGBGB ist. Sie verkauft es an eine Privatperson P. Umschreibungsantrag wurde gestellt.

    Kurz darauf verkauft P das Grundstück an die Gemeinde, vertr. d. d. Bürgermeister. Antrag auf Eigentumsumschreibung wurde gestellt.
    Im Nachhinein stellt sich heraus, dass P ehrenamtlich als 1. Beigeordneter bestellt wurde, somit auch ein vertretungsberechtigtes Organ der Gemeinde ist.

    Liegt hier ein Umgehungsgeschäft des § 181 BGB vor, welches zulässig ist? Ich habe irgendwie Bauchschmerzen...

  • Gesetzlicher Vertreter der Gemeinde ist der Bürgermeister, der Beigeordnete hat nur Vertretungsfunktion im Falle, dass der Bürgermeister verhindert ist. Formell liegt m.E. kein Insichgeschäft vor.

  • Die Gemeinde ist bei den altrechtlichen Personenzusammenschlüssen zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung befugt, wobei diese Vertretungsbefugnis die Verfügungsbefugnis umfasst (s. Rauscher im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2016, Art. 233 § 10 EGBGB RN 6 mwN).

    Würde sie das Grundvermögen auf sich selbst auflassen, bestünde das Verbot des Selbstkontrahierens (Staudinger/Rauscher RN 8 mwN). Um Grundstücke in das gemeindeeigene Vermögen zu überführen, müsste daher ein Ergänzungspfleger bestellt werden (Staudinger/Rauscher,aaO, unter Zitat Fritzsch Rpfleger 2003, 555, 557).

    Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, dass das Grundvermögen zunächst in das Eigentum einer Privatperson (P), der 1. Beigeordneter der Gemeinde ist, überführt wurde und dieser sodann das Grundvermögen an die Gemeinde auflässt. Müsste davon ausgegangen werden, dass P lediglich als Strohmann fungiert hat, um das Verbot des Selbstkontrahierens zu umgehen, wäre wohl ein Fall des § 181 BGB gegeben. Zu einem ähnlichen Fall führt Wagenitz im Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 1795 RN 15 aus: „Veräußert der Vormund einen dem Mündel gehörenden Gegenstand an einen sog. Strohmann, von dem wiederum der Vormund den Gegenstand erwerben soll, so greift gleichfalls § 181 ein: Das Scheingeschäft mit dem Strohmann ist nach § 117 Abs. 1 nichtig, das verdeckte Geschäft nach § 181 unwirksam.“ (s. ferner Mansel im Jauernig, Kommentar zum BGB, 15. Auflage 2014§ 181 RN 13: „Bewusster Missbrauch der Vertretungsmacht beim Selbstkontrahieren (Rn 4 [aa]) zum Nachteil des Vertretenen macht Vertretergeschäft nichtig, § 138 I (BGH NJW-RR 93, 370)).

    Allerdings lässt sich die Frage der Strohmanneigenschaft mit den Beweismitteln des Grundbuchverfahrens nicht klären. Dazu führt das BayObLG im Beschluss vom 12. 5. 2004, 2Z BR 19/03, aus: „…und ob A nur gleichsam als Strohmann gehandelt hat, ist zwischen den Beteiligten umstritten und kann durch im Grundbuchverfahren zulässige Beweismittel nicht abschließend geklärt werden. Hinzu kommt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2002, 1488) ein Vollmachtsmissbrauch nicht vorliegt, wenn der Bevollmächtigte aufgrund einer Treuhandabrede zu dem jeweiligen Rechtsgeschäft berechtigt war. Dieser Grundsatz ist entsprechend heranzuziehen, wenn es sich um ein missbräuchliches Verhalten zur Umgehung des Verbots des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB handelt. Auch die Auffassung, dass das Verbot des Selbstkontrahierens nicht durch die Einschaltung weiterer Vertreter umgangen werden darf (BGH NJW 1991, 691; BayObLGZ 2002, 413/416) beruht darauf, dass der Gefahr eines Interessenkonflikts und damit einer Schädigung des Vertretenen vorgebeugt werden soll. Diese Gefahr ist jedoch nicht gegeben, wenn der Bevollmächtigte zu dem Rechtsgeschäft aufgrund einer getroffenen Treuhandabrede befugt war. Ob eine solche Treuhandabrede vorlag, ist zwischen den Beteiligten umstritten und mit den im Grundbuchverfahren zulässigen Beweismitteln nicht zu klären. Es steht deshalb nicht fest, dass durch die beantragten Eintragungen das Grundbuch unrichtig würde.“

    Formal liegen die Voraussetzungen des § 181 BGB nicht vor, weil auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts jeweils unterschiedliche Personen stehen. Wenn ich von der Begründung des OVG NRW, 15. Senat, im Beschluss vom 11.09.2001, 5 A 2823/01 = RNotZ 2002, 291 = NotBZ 2002, 426, ausgehe, wäre ein Verstoß gegen das Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB aber auch dann nicht gegeben, wenn P die Auflassung auf die Stadt als Vertreter des Personenzusammenschlusses erklären würde. Im dortigen Fall gehörten zum Vermögen einer durch einen Rezess aus dem 19. Jahrhundert entstandenen Interessentengemeinschaft Grundstücke, deren Verwaltung der Stadt oblag. Die Interessentengemeinschaft wurde bei Abgabe der Auflassungserklärung vom Hauptverwaltungsbeamten der Stadt vertreten. Er veräußerte ein Grundstück der Gemeinschaft an die Stadt in der Form, dass er die Interessentengemeinschaft vertrat und ein Stadtbaurat und ein Stadtbauoberamtsrat der städtischen Verwaltung die Stadt vertraten. In dieser Konstellation hat das OVG keinen Fall des § 181 BGB gesehen. Der Leitsatz 1 des Beschlusses lautet: „Schließt ein Gemeindebeamter im Rahmen des ihm verliehenen Amtes einen Kaufvertrag namens der Gemeinde mit einem Dritten ab, der vom Hauptverwaltungsbeamten der Gemeinde (Bürgermeister) vertreten wird, so liegt ein entsprechend § 181 BGB zu behandelnder Fall unzulässiger Mehrfachvertretung auch dann nicht vor, wenn dem Beamten das Amt und die Zeichnungsbefugnis vom Hauptverwaltungsbeamten verliehen wurden“.

    Übertragen auf den vorliegenden Fall könnte demnach wohl auch nicht vom Verbot des Selbstkontrahierens ausgegangen werden.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

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