Schwerbehinderter mit Arbeitgebermodell und Freigabe

  • Hallo zusammen,

    ich habe hier eine jedenfalls für mich exotische Konstellation mit tragischem Hintergrund. Ein schwerbehinderter Schuldner ist auf Vollzeitpflege angewiesen und beschäftigt sein Pflegepersonal nach dem sogenannten Arbeitebermodell gem. § 66 Abs. 4 S. 2 SGB XII, d.h. das Pflegepersonal ist bei ihm angestellt, der Schuldner muss Gehälter zahlen, Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abführen. Die Leistungen werden grundsätzlich vom Bezirk bzw. dem Sozialhilfeträger an ihn überwiesen. Aus irgendeinem Grund (näheres weiss ich noch nicht, das Verfahren ist noch ganz frisch) wurden offensichtlich seitens der Leistungsträger die Leistungen nicht oder nur teilweise an den Schuldner gezahlt, so dass erhebliche Rückstände bei Löhnen, Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen aufgelaufen sind. Nach IE werden die Pfleger weiterhin durch den Schuldner beschäftigt.

    Der Schuldner ist somit formal Arbeitgeber. Dennoch ist das doch kein Fall des § 35 Abs. 2 InsO, oder? Oder ist hier zur Vermeidung von Masseverbindlichkeiten eine Freigabe zu erteilen? Stehe gerade etwas auf dem Schlauch.

  • das ist voll krass. Ich will erst garnicht versuchen, das dogmatisch einzuordnen (zum mir ja schon schwindelig wird, wenn ich mir den 66 SGB angucke). Hab aber heute noch mit meinem Kollegen ein spannendes Gespräch über Erlöschenstheorie, Freigabe und Novation von Vertragsverhältnissen gehabt (sowas machen wir immer beim Rauchen - also Zigrarettenrauchen ! -) Voriegend würde ich vorsorglich erklären, dass aus den pflegevertraglichen Rechtsverhältnissen weder Ansprüche zur Masse erhoben werden, noch Verbindlichkeiten zur Masse zu erfüllen sind.
    Dies noch mit dem Gericht abstimmen, und gut ist.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • So, mal ein kleines update: Wir haben jetzt die Freigabe vorsorglich in abgewandelter Form gemacht. Jetzt sind hier auch schon reihenweise die Forderungsanmeldungen der Krankenkassen eingegangen wegen der nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge. Und oh Wunder, alle mit vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung. Das ist bitter für den Schuldner.

  • Ein nochmaliges kurzes update: Heute rief die zuständige Sachbearbeiterin des Bezirks Mittelfranken an und teilte mit, dass man es nach 2,5 Jahren nun geschafft habe, über die seinerzeit vom Schuldner beantragten Leistungen zur Finanzierung der Pflegeleistung grundsätzlich zu entscheiden. Demnach werde sich in den nächsten zwei Wochen eine Teilzahlung von ca. 80.000,00 € ergeben, die der Bezirk auf das Anderkonto leisten wolle. Klingt erstmal erfreulich, aber ich habe spontan doch Zweifel, ob das überhaupt Neuerwerb gem. § 35 InsO ist. Es handelt sich ja um Nachzahlungen von Sozialhilfe im Rahmen des Arbeitgebermodells, also nach SGB XII. Insofern gilt doch eigentlich Unpfändbarkeit gem. § 17 SGB XII. Oder bezieht sich § 17 SGB XII nur auf laufende Zahlungen und nicht auf Nachzahlungen? Falls das nicht massezugehörig ist wäre ich gar nicht zu enttäuscht. Wäre zwar schade um die Vergütung, aber die ganzen Krankenkassen haben alle aus v.b.u.H. angemeldet; insofern könnte der Schuldner durchaus Geld brauchen...

  • ich denken, man wird dies entsprechend § 850b ZPO händeln müsen.
    Was nicht angeht ist, dass der Schuldner dieser Gelder nicht bedarf, um restschuldbefreiungdsfeste Forderungen zu decken. Zur "Moral": die Nichtabaführung von Arbeitnehmeranteilen ist und bleibt eine Verunreuung !

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  • Von was sollte er denn die Arbeitgeberanteile abführen, wenn sich die öffentliche Hand 2 1/2 Jahre (!) Zeit läßt um über den Antrag zu entscheiden? So wie ich den Sachverhalt lese, ist der ganze Schlamassel doch erst durch die Saumseligkeit der Verwaltung entstanden.

  • Von was sollte er denn die Arbeitgeberanteile abführen, wenn sich die öffentliche Hand 2 1/2 Jahre (!) Zeit läßt um über den Antrag zu entscheiden? So wie ich den Sachverhalt lese, ist der ganze Schlamassel doch erst durch die Saumseligkeit der Verwaltung entstanden.

    Und nach Haftung der öffentlichen Hand für den Bockmist braucht man ja nicht fragen.....:mad:

    Oder kann man die vielleicht in die Amtshaftung nehmen? :gruebel:

    Aber so ist das eben:
    Geld hat man zu haben, auch wenn man keines bekommt. Also hat der Schuldner tatsächlich Arbeitnehmeranteile veruntreut, die er nie ausgezahlt bekommen hat. Aber hätte sie nach der reinen Logik des Gesetzes eben haben müssen...

    So manch ein H4-Empfänger hat ja auch schon seine Wohnung verloren, weil die Anträge nicht (oder nicht korrekt) bearbeitet wurden... macht ja nix, Geld hat man zu haben. Der Schuldner ist immer der Blöde.

  • also sollte es so sein, dass er die Leistungen, die er als Arbeitgeber hätte abführen müssen, jetzt ! nachgezahlt erhält, wäre eine Freigabe entsprechend sinnvoll (von dem Insolvenzrechtlichen Folgeproblem mal abgesehen). Aber hat er die laufenden Leistungen bereits seinerzeit unter Einbeziehung des Pflegepersonals erhalten, sehe ich dies weiterhin als problematisch an.

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