Tenor anders als Entscheidungsgründe

  • Guten Morgen zusammen ;)

    Wir stehen hier gerade vor einem Rätsel.

    Es liegt ein Urteil vor, in welchem der Tenor anders lautet, als die Entscheidungsgründe.

    Im Tenor steht "..... verpflichtet zu entfernen ....", in den Entscheidungsgründen ".... verplichtet ist, .... zurückzuschneiden".

    Antrag der Gegenseite lautet auf Entfernung, hilfsweise zurückzuschneiden.

    In den Entscheidungsgründen stimmt das Gericht dem Antrag der Gegenseite zu, daß ihnen ein Anspruch auf Kürzung zusteht, von euinem Anspruch auf Entfernung kein Wort.

    Was wäre denn jetzt bindend z.B. für den Fall einer Vollstreckung? Und wie könnte man hier eine Änderung/Berichtigung herbeiführen? 319 ZPO scheidet wohl aus, da das Gericht bereits mitgeteilt hat, daß die Ausführungen in den Urteilsgründen auf einem Versehen beruhen. Berufungsfähig ist das Urteil auch nicht.

    Wer Schmetterlinge Lachen hört, der weiß wie Wolken schmecken.
    Carlo Karges

  • § 319 ZPO scheidet wohl aus, da das Gericht bereits mitgeteilt hat, daß die Ausführungen in den Urteilsgründen auf einem Versehen beruhen. Berufungsfähig ist das Urteil auch nicht.

    Wenn die Urteilsgründe auf einem Versehen beruhen, das Gericht also DIESEN Tenor ausurteilen wollte, jedoch irrig die Begründung für einen anderen Tenor in den Gründen lieferte, dann kann schon ein Fall des § 319 ZPO vorliegen, jedoch würde dann nicht der Tenor korrigiert, sondern die offensichtlich unrichtigen Gründe.

    Ein Fall des § 320 ZPO liegt ebenfalls nicht in dem Sinne vor, dass dadurch ein anderer Tenor herauskäme. Du hast daher völlig zu Recht die Berufung angesprochen. Wenn nach materiellem Recht keine Entfernung geschuldet ist, sondern nur Rückschnitt, dann ist das kein Fall des §§ 319, 320 ZPO, sondern des § 513 ZPO, das Urteil leidet mithin an Rechtsfehlern. Diese können, wo Rechtsmittel gegeben sind, im Instanzenweg berichtigt werden. Bei einem unanfechtbaren Urteil geht das nicht.

  • Was sollte denn außer dem Tenor für die Vollstreckung bindend sein ?
    Wenn dem Antrag der Gegenseite mit dem Tenor voll entsprochen wurde und keine Berufung möglich ist ; was willste dann noch machen ?


  • Was wäre denn jetzt bindend z.B. für den Fall einer Vollstreckung?

    Der Urteilstenor ist eindeutig, und auch so gewollt: "..... verpflichtet zu entfernen ...."


    Und wie könnte man hier eine Änderung/Berichtigung herbeiführen?

    Die Entscheidungsgründen werden wohl regelmäßig nicht berichtigt, auch wenn wie hier ein Versehen vorliegt. Letztlich würde das auch für niemanden so wirklich eine Rolle spielen...

  • Voll entsprochen wurde dem Antrag ja nicht. Antrag lautet auf Entfernung, hilfswiese Rückschnitt. In den Gründen ist von Entfernung gar keine Rede nur vom Rückschnitt, der den Klägern zweifelsfrei zustehen würde. Tenor lautet dann auf Entfernung. Ich finde das schon verwirrend. Und die Aussage "ein Versehen" befriedigt den Mandanten nicht und uns hier auch nicht wirklich.

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    Carlo Karges

  • Und die Aussage "ein Versehen" befriedigt den Mandanten nicht und uns hier auch nicht wirklich.


    M.E. sollte sich der Mandant eher von seiner Niederlage gem. Tenor beeindrucken lassen als von dem Versehen .
    Vielleicht will er es danach nicht mehr zur Vollstreckung kommen lassen ?

  • Voll entsprochen wurde dem Antrag ja nicht. Antrag lautet auf Entfernung, hilfswiese Rückschnitt.

    Der Antrag lautet auf Entfernung, entschieden wurde auf Entfernung. Wieso soll da nicht voll entsprochen worden sein? :confused:

    Und die Aussage "ein Versehen" befriedigt den Mandanten nicht und uns hier auch nicht wirklich.

    Und was würde euch befriedigen? Wenn es nicht nur eine Aussage "Versehen" gibt, sondern dieses Versehen auch formell festgestellt wird, z.B. über § 319 ZPO?

  • Ich habe manchmal auch solche Mandanten, die beratungsresistent sind und insistieren, das könne es doch nicht sein. Eine solche Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Mentalität darf man sich als Anwalt nie zu Eigen machen. Das gilt natürlich auch für die Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter wie Soenny. Denk an das alte Indianersprichwort: "Wenn das Pferd tot ist, solltest du absteigen."

  • Schon mal dran gedacht, dass das Urteil tatsächlich falsch sein kann. Das vielleicht kein Anspruch auf Entfernung, eventuell auch nicht auf Rückschnitt besteht. Ich hatte vor vielen Jahren einen Mandanten, der hat sich dagegen gewehrt, dass der Bobtail seines Vermieters immer wenn er [d.h. der Mandant, nicht der Hund] vom Einkaufen kam, erst einmal den Inhalt seiner Einkaufstaschen visitierte. Der Richter hielt das auf dem Land für ortsüblich. Da ist auch keiner auf den Trichter gekommen, den Mandanten für beratungsresistent zu erklären. Der Berufungsrichter hielt das Verhalten des Bobtails nicht für angemessen. Lag vielleicht auch daran, dass das Landgericht sich in einer Großstadt befindet. Ich habe neulich den Spruch gelesen: "Auch Wahnsinnige haben echte Feinde." Der passt in diesem Zusammenhang irgendwie gut.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Schon mal dran gedacht, dass das Urteil tatsächlich falsch sein kann.

    Liebe Frau Kollegin, gerade weil (!) das Urteil falsch ist, nützen doch Berichtigung nach § 319 ZPO oder Tatbestandsberichtigung nichts. Vielmehr ist das, wie ich schon schrieb, ein Berufungsgrund (§ 513 ZPO = Rechtsverletzung). Und was macht man als Anwalt mit einem Mandanten, wenn keine Berufung gegeben ist, wie im Ausgangssachverhalt der Fall? Den Mandanten beraten, dass da nichts zu machen ist. Und wer das nicht schluckt, bekommt von mir das Indianersprichwort mit dem Pferd zu hören.

  • ...

    Wenn die Urteilsgründe auf einem Versehen beruhen, das Gericht also DIESEN Tenor ausurteilen wollte, jedoch irrig die Begründung für einen anderen Tenor in den Gründen lieferte, dann kann schon ein Fall des § 319 ZPO vorliegen, jedoch würde dann nicht der Tenor korrigiert, sondern die offensichtlich unrichtigen Gründe.

    ...

    Ausweislich Deines späteren Postings hast Du das wahrscheinlich nicht gemeint, aber bevor es hier falsch verstanden werden kann: Falsche Gründe, die den Tenor nicht tragen, sind m.E. nie ein Fall des § 319 ZPO, sondern des Rechtsmittels.

    Im konkreten Fall: Wenn die Sache nicht berufungsfähig ist, könnte man es als letzten Notnagel noch mit § 321a ZPO probieren. Passt zwar eigentlich nicht richtig, aber wenn dem Richter sein Fehler peinlich genug ist, wird er es vielleicht auf diesem Wege zu korrigieren versuchen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

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