Überprüfungsverfahren gem 120 IV nur bei konkreten Anhaltspunkten?

  • Bin mitten im Überprüfungsverfahren nach 120 IV.
    Es hat sich ergeben, dass Raten zu zahlen sind (Einkommen nunmehr 3x so hoch wie bei Bewilligung). Hab Partei also nochmal dazu angehört. Nun kommt der Einwand, dass ich keine rechtliche Grundlage habe, überhaupt ohne Ankündigung zu überprüfen - ich dürfte nur überprüfen, wenn ich konkrete Anhaltspunkte habe (verwiesen wird auf eine Entscheidung vom Sozialgericht Baden Württemberg).
    M.E. entscheiden wir doch immer noch nach billigem Ermessen und im Einzelfall, wann und wie oft wir überprüfen???
    Also feststzen?

  • Vielfach gängig ist, dass die Akte nach 2 Jahren zwecks Überprüfung vorgelegt wird. Es gibt auch Gerichte, die prüfen jährlich. Erfährt das Gericht von einer Verbesserung der Verhältnisse (wohl äußerst selten), wird ebenfalls überprüft. Dass aber ohne konkrete Veranlassung nicht geprüft werden darf, höre ich zum ersten Mal und geht auch völlig an der Praxis und am Sinn des Verfahrens vorbei. Ich kenne zwar die genannte Entscheidung nicht, aber wer soll dem Gericht einen konkreten Hinweis liefern? Die PKH-Partei wird einen Teufel tun und vom Gegner haben wir auch nix zu erwarten. In meinen Augen ist das eine Schutzbehauptung, um eine Ratenanordnung zu vermeiden.


  • M.E. entscheiden wir doch immer noch nach billigem Ermessen und im Einzelfall, wann und wie oft wir überprüfen???
    Also feststzen?

    Ja. Soll die Partei Beschwerde einlegen, wenn sie nicht einverstanden ist.


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    Alles hat einmal ein Ende.

    Sogar der Montag! :S

  • Wenn ich Schuldner wäre, könnte ich diese Argumentation schon verstehen. Man hat es sich mit den höheren Einkünften doch jetzt ganz gemütlich eingerichtet, und jetzt soll man plötzlich mehr abführen. Und manchmal siegt eben einfach Frechheit.

    Gleichwohl kann ich im Gesetz keine Vorschrift finden, die mir eine "anlasslose" Überprüfung verbietet. Auch die routinemäßige jährliche (2-jährige) Überprüfung ist ja im eigentlichen Sinne anlasslos. Stimme also 13 und online voll zu.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Bei uns legen die Richter uns sogar die Akten vor, wenn sie z. B. aus einem anderen Verfahren wissen, dass der Schuldner Vermögen erworben oder höheres Einkommen hat. Ich wüsste auch nicht, was dagegen sprechen soll.

    Das ist eher die Ausnahme, dass ein Richter so was macht, aber den Service nutzt man dann natürlich gern. Einmalzahlung! :yes:


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  • Die genannten LSG-Entscheidungen sind mir bekannt und werden hier auch gerne mal zitiert. Man darf aber auch nicht vergessen, dass der Fall hier in der Sozialgerichtsbarkeit etwas anders gelagert ist: entweder hat man eine SGB II-Partei oder eine SGB XII-Partei oder eine Schwerbehinderten- oder Rentenpartei. Das sind alles Kläger, die in der Regel nicht plötzlich zu Geld kommen, ganz im Gegenteil. Wenn auf Rente geklagt wird schaut man sofort nach Beendigung ob plötzlich eine riesen Rente dabei rumgekommen ist. Ansonsten besteht bei uns idR kein Grund zur Veranlassung einer PKH-Nachprüfung. Und genau da kommen auch diese (mMn ziemlich bescheuerten) Entscheidungen her. Es besteht kein Anlass bei jemandem, der seit 10 Jahren SGB XII bekommt, eine Nachprüfung anzuleiern. So wird das hier eben gesehen. Ich würde diese Entscheidungen allerdings getrost ignorieren und weitermachen. Sollen sie doch in die Beschwerde gehen ;)
    Und konkrete Anhaltspunkte kann man ja weit interpretieren: das kann das junge Alter sein, dass jemand aktuell in Ausbildung oder Studium ist, oder eine hochqualifizierte Ausbildung hat mit der er bestimmt wieder Arbeit bekommt.

  • "Das Gericht kann jederzeit, auch ohne besonderen Anlass, die Partei zu einer Erklärung über Veränderungen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auffordern und diese Erklärung gem. Abs. 4 und § 118 Abs. 2 auf ihre Richtigkeit überprüfen. Es ist eine regelmäßige Überprüfung möglich [...]"

    Zöller, ZPO, 30. Auflage, § 120a Rn 2

    :amen

  • Die Entscheidung des LSG Ba-Wü (L 13 AS 120/11 B) beschäftigt sich zunächst mit der (Un-)zuständigkeit eines Verwaltungsleiters als Kostenbeamter zur Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der PKH-Partei. Dass ausschließlich anlassbezogen überprüft werden darf, geht das Gericht so direkt gar nicht mehr ein, weil es bereits Fehler in der funktionellen Zuständigkeit festgestellt hat. Die Entscheidung des 19. Senats des LSG NRW (L 19 B 41/09 AL) ist eben eine Entscheidung des 19. Senats und sollte m.E. nicht überbewertet werden.

    Aber auch hier stellten sich die Richter am SG immer wieder mal die Frage, ob und wann eine Nachprüfung zu erfolgen hat - mit der Folge der eine Richter machte es regelmäßig, die andere Richterin unterließ es gänzlich. Dies scheint wohl nunmehr in der Sozialgerichtsbarkeit in einigen Ländern nicht mehr so die entscheidende Frage zu sein, sofern der UdG für die Überprüfungen nach § 73a Abs. 5 SGG nunmehr seit dem 01.01.2014 originär zuständig ist und wohl regelmäßiger (anlasslos) geprüft werden wird. Man wird sehen wie sich in Zukunft die Rechtsprechung hierzu positionieren wird. Vielleicht hängt man sich aber auch bei dem seit 01.01.2014 neugefassten § 120a Abs. 1 S. 3 ZPO nunmehr an dem Wörtchen "jederzeit" auf, der ja im "alten" § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO nicht vorhanden war, sodass man hieraus den Schluss zog, vor dem 01.01.2014 nur anlassbezogen prüfen zu wollen.

  • Die Entscheidung des LSG Ba-Wü (L 13 AS 120/11 B) beschäftigt sich zunächst mit der (Un-)zuständigkeit eines Verwaltungsleiters als Kostenbeamter zur Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der PKH-Partei. Dass ausschließlich anlassbezogen überprüft werden darf, geht das Gericht so direkt gar nicht mehr ein, weil es bereits Fehler in der funktionellen Zuständigkeit festgestellt hat. ...

    :gruebel: "3. Das an den Beteiligten gerichtete Verlangen des Gerichts setzt zudem voraus, dass konkrete Anhaltspunkte für eine Änderung der Verhältnisse bestehen und benannt werden; eine routinemäßige Überprüfung ist unzulässig (Anschluss an LSG..." Mit erscheint das schon ziemlich direkt.

    I.ü., Zöller kennt wohl jeder, die zit. Entscheidungen nicht, siehe vorst. posts, und nur für die waren die auch, zur Erweiterung des Horizonts gedacht. Dass man sich dem nicht anschließen muss, ist klar. Btw., ich machs hier auch nicht.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Ich lese die Entscheidung des LSG Ba-Wü etwas anders, weil konkret der Verwaltungsleiter als Akt der Justizverwaltung im Gesamtkontext angesprochen wird und nur im Übrigen darauf hingewiesen hat, hätte das Sozialgericht die Partei aufgefordert, dann..., hat es aber nicht, sodass dies nur nebensächlich beleuchtet wurde. Sei es drum, das Ergebnis ist dasselbe, nämlich dass die Entscheidung in der Praxis eher unrelevant ist. Und ja die Meinungsbildung aus der ZPO (z.B. im Zöller) findet nicht immer Einzug in der SozG, obwohl doch bereits eindeutig in § 73a Abs. 1 Satz 1 ZPO ("Die Vorschriften der ZPO über die PKH... gelten entsprechend") darauf hingewiesen wird.

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