Umschreibung europ. Vollstreckungstitel/Bezifferung

  • Hallo,

    leider stehe ich mit dem folgenden - in der Praxis scheinbar eher seltenen - Problem allein auf weiter Flur:

    Das Jugendamt beantragt die Umschreibung eines Unterhaltstitels wegen ihrer Forderung gemäß UVG in einen europäischen Vollstreckungstitel. Der Unterhaltschuldner wohnt mittlerweile in Österreich.

    Der ursprüngliche Unterhaltstitel des hiesigen AG vom 19.06.2003 lautet:
    'Der Beklagte wird verurteilt, dem klagenden Kind zu Händen seines gesetzlichen Vertreters vom Tage seiner Geburt an monatlich den jeweiligen Regelbetrag der jeweiligen Altersstufe gem. § 1 RegelbetragsVO als 100 v. H. unter Anrechnung des Kindergeldes für ein erstes Kind, sobald dieses zusammen mit dem Unterhalt 135% des Regelbetrages übersteigt, zu zahlen, die rückständigen Beträge sofort.'

    Dem Jugendamt wurde in der Folgezeit für die im Rahmen des UVG gezahlten Beträge zwei vollstreckbare Ausfertigungen erteilt (einmal für den Zeitraum 12.10.2001 bis 31.12.2006 in Höhe von 7.071,89 EUR, zum anderen für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 11.10.2007 in Höhe von 1.196,94 EUR, insgesamt also 8.268,83 EUR).

    Auf meinen Hinweis an das Jugendamt, dass der Anspruch zunächst auf Antrag gemäß § 245 FamFG zu beziffern ist, stellte das Jugendamt einen entsprechenden Antrag 'Ich beantrage die Bezifferung meines Anspruchs.' und fügte eine Rückstandsübersicht bei, die am Ende eine Gesamtsumme von 8.268,83 EUR 'ohne Zinsen' (siehe oben) ausweist.

    Mir ist unklar, was ich nun genau mit dem Antrag auf Bezifferung machen muss. Über den eigentlichen Antrag auf Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel entscheidet ja wohl gemäß § 7 Abs. 1 AUG das Amtsgericht am Ort des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (das wären zum Glück nicht wir :grin:.)

    Muss ich mir tatsächlich die Mühe machen und aufgedröselt nach einzelnen Zeiträumen recherchieren, zu welchem Zeitpunkt welcher Mindestunterhalt unter Anrechnung des jeweiligen Kindergeldes maßgeblich war und dieses detailliert aufführen? Oder fertige ich einfach eine Bescheinigung, wonach der von dem Antragsgegner an das Jugendamt zu zahlende Unterhalt 8.268,83 EUR beträgt, verbinde diese dann mit der Ausfertigung und leite den Antrag auf Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel an das gemäß § 7 Abs. 1 AUG zuständige Amtsgericht weiter?

    Für einen hilfreichen Hinweis wäre ich unendlich dankbar!

  • Um eine Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel erstellen zu können, müsse (von den übrigen Voraussetzungen abgesehen) der Unterhaltstitel nach dem 20.01.2005 errichtet worden sein, was aber ganz offensichtlich schon mal nicht der Fall ist. Es dürfte somit weder die Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittende Forderungen noch ein Auszug gemäß VO (EG) Nr. 4/2009 (EuUnterhaltsVO) in Frage kommen, sodass man wohl, wenn man in Österreich vollstrecken will, ohne Exequaturverfahren in Österreich nicht auskommt.

    Eine Bezifferung nach § 245 FamFG dürfte wohl nicht in Frage kommen, da der Titel für die betreffenden Zeiträume gemäß der vorliegenden Klausel wohl schon beziffert wurde.

    Warum hier § 7 AUG erwähnt wurde, entzieht sich meinem Verständnis. Hier geht es noch nicht um ein ausgehendes Ersuchen, hier geht es wohl zunächst ausschließlich um eine Bescheinigung hinsichtlich eines Vollstreckungstitels, vergleichbar mit einer Vollstreckungsklausel. Ich sehe für die zu erteilenden Bescheinigungen keine Zuständigkeitskonzentration.

  • Aha... habe gerade in Art. 66 EuGVVO n.F. gefunden, dass die Vorschriften nur für Klagen gelten, die nach Inkrafttreten der neuen EuGVVO erhoben worden sind.

    Also schicke ich den Titel einfach an das Jugendamt mit dem Hinweis auf das in Österreich durchzuführende Exequaturverfahren zurück?!
    Eine Bescheinigung gem. Art. 54 (Anhang V) VO (EG) Nr. 44/2001 ist dann erst auf (weiteren) Antrag zu erteilen? Diese wird dann vom UdG erteilt?

  • Ja, gemäß Art. 28 der VO 4/2009 ist für das Vollstreckbarkeitsverfahren eine Bescheinigung nach Anhang II zu erteilen, wenn die Schuldtitel unter den Anwendungsbereich der VO 44/2001 fallen: Gegenüber Österreich gilt, dass der Schuldtitel ab dem 1.3.2002 erstellt wurde.

    Zuständig sollte wohl auch der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle sein, da gem. RpflG § 20 Ziff. 10 der Rechtspfleger lediglich für eine Bescheinigung nach Anhang I zuständig ist, weil sie gemäß § 71 AUG demjenigen obliegt, der auch für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zuständig ist.

  • Hallo, ich habe folgenden Fall:

    im vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren ist in 12/2011 Beschluss erlassen worden. Das Jugendamt hat aufgrund übergegangener Ansprüche die Erteilung einer vollstreckbaren Teilausfertigung beantragt, die in 11/2012 erteilt wurde. Jetzt möchte das JA dafür einen Europäischen Vollstreckungstitel.

    Geht das? Wenn ja, was muss ich machen?

  • Ja, in dem Fall funktioniert es. Zu erteilen ist ein Auszug nach VO (EG) Nr. 4/2009 (EuUnterhaltsVO) Anhang I (siehe Artikel 20 Abs. 1 Buchst. b der VO). Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger, § 20 Z. 10 RPfllG. Dies erfolgt dann auf Grundlage der Vollstreckungsklausel in der Teilausfertigung.

  • 1.
    In Unterhaltssachen ist zu unterscheiden zwischen

    • der Bestätigung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (Formblatt I EuVTVO (EU-Verordnung Nr. 805/2004))


    und

    • der Erteilung eines Auszugs aus dem Unterhaltsfestsetzungsbeschluss nach der Europäische Unterhaltsverordnung vom 18.12.2008 (EU-Verordnung Nr. 4/2009)).

    2.
    Auf den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss 12/2011 findet die EU-Verordnung Nr. 805/2004 nur Anwendung, falls die Verfahrenseinleitung vor dem 18.06.2011 erfolgte.
    Weitere Einzelheiten:
    http://www.ag-warendorf.nrw.de/service/infos/…eu/805_2004.pdf

    3.
    Auf den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss 12/2011 findet Kapitel IV Abschnitt 1 (Art. 17 - 22) der EU-Verordnung Nr. 4/2009 (EuUnthVO) nur Anwendung, falls die Verfahrenseinleitung nach dem 17.06.2011 erfolgte.
    Weitere Einzelheiten:
    http://www.ag-warendorf.nrw.de/service/infos/…e_exequatur.pdf


    4.
    Im vorliegenden Fall hat die Gläubigerpartei die Bestätigung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses 12/2011 als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen nach der EU-Verordnung Nr. 805/2004 beantragt.
    Sofern und soweit die Voraussetzungen vorliegen sollten, und die Verfahrenseinleitung vor dem 18.06.2011 erfolgte, ist der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss als Europäischer Vollstreckungstitel zu bestätigen;
    andernfalls ist auf Antrag der Gläubigerpartei ein Auszug (Formblatt I EuUnthVO) zu erteilen.

    5.
    Die EU-Verordnung Nr. 1215/2012 gilt nicht in Unterhaltssachen.

    2 Mal editiert, zuletzt von rolli (18. Februar 2016 um 23:25)

  • 1.
    Obwohl Deutschland an das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist, kann ein gerichtlicher Auszug aus dem Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 19.06.2003 (Formblatt I EuUnthVO) nicht erteilt werden, da es sich insoweit um einen Altfall handelt.
    Auf den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 19.06.2003 findet Kapitel IV Abschnitt 1 (Art. 17 - 22) der EU-Verordnung Nr. 4/2009 keine Anwendung, sondern stattdessen Kapitel IV Abschnitt 2 (Art. 23 - 38)
    (Verfahrenseinleitung erfolgte vor dem 18.06.2011).

    2.
    Die EU-Verordnung Nr. 44/2001 ist in Unterhaltssachen aufgehoben worden und durch die EU-Verordnung Nr. 4/2009 ersetzt worden.

    3.
    Auf Antrag der Gläubigerpartei ist daher ein gerichtlicher Auszug aus dem Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 19.06.2003 (Formblatt II EuUnthVO) zu erteilen.
    Einzelheiten:
    http://www.ag-warendorf.nrw.de/service/infos/…t_exequatur.pdf

    4.
    Da der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 19.06.2003 vor dem maßgeblichen Zeitpunkt errichtet worden ist, kann dieser ebenfalls nicht als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen bestätigt werden;
    die EU-Verordnung Nr. 805/2004 findet daher insoweit keine Anwendung.

  • 3.
    Auf Antrag der Gläubigerpartei ist daher ein gerichtlicher Auszug aus dem Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 19.06.2003 (Formblatt II EuUnthVO) zu erteilen.

    Ja, zu diesem Ergebnis waren wir ja auch schon in #5 gekommen, nur dass es jetzt noch mal etwas ausführlicher beschrieben wurde.

    Ich habe mir jedenfalls die gesamten Dokumente des AG Warendorf mal ausgedruckt und einen separten Ordner für die Geltendmachung von Unterhalt im Ausland angelegt. Sonst verliert man den Überblick.

  • Huhu! Ich muss mich hier auch mal dranhängen.

    Vorliegen habe ich ein Versäumnisurteil vom 14.05.2009 über Unterhaltsrückstände und laufenden Unterhalt. Im Januar 2016 fand eine Titelüberleitung für das Kreisjobcenter statt. Da der Agg. mittlerweile in Großbritannien lebt, wurde die Klausel mit Einschreiben gegen internationalen Rückschein übersandt; der Rückschein ist allerdings noch nicht wieder hier. Jetzt beantragt das Kreisjobcenter die Bestätigung des Titels als Europ. Vollstreckungstitel.

    Dass das Versäumnisurteil als Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen angesehen werden kann, hab ich schon rausgefunden. Allerdings muss der Titel ja vor der Bestätigung zugestellt worden sein. Das Versäumnisurteil an sich wurde zugestellt, aber die Überleitung für das Kreisjobcenter noch nicht. In einem Aufsatz habe ich gefunden, dass eine fehlende Empfangsbestätigung den Rpfl. daran hindert, den Titel als Europ. Vollstreckungstitel zu bestätigen.

    Bezieht sich das nur auf den Titel selbst oder auch auf die Überleitung? Ich bin verwirrt. :confused:

  • 1.
    Da das Versäumnisurteil vor dem maßgeblichen Zeitpunkt erlassen worden ist, findet weder die Europäische Unterhaltsverordnung (EU-Verordnung Nr. 4/2009 (EuUnthVO) noch die Europäische Vollstreckungstitel-Verordnung (EU-Verordnung Nr. 805/2004 (EuVTVO) Anwendung.
    Es kann daher aus dem Versäumnisurteil weder ein Auszug erteilt werden noch kann dieses als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen bestätigt werden.

    2.
    Stattdessen findet insoweit das Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen vom 02.10.1973 (HUVÜ 1973) bzw. das Brüsseler Übereinkommen/das Lugano-Übereinkommen (EuGVÜ/LugÜ) Anwendung.
    Die Gläubigerpartei kann daher nicht unmittelbar im Vereinigten Königreich aus dem o. g. Versäumnisurteil die Zwangsvollstreckung betreiben.

    Es bedarf vorher der Vollstreckbarerklärung (Registrierung) des Versäumnisurteils im Vereinigten Königreich.

  • Mir liegt ein Antrag vor, eine Bescheinigung nach Formblatt Anhang II ( § 71 AUG) auszustellen. Der Unterhalt soll in Italien vollstreckt werden. Der Titel datiert aber schon vom 31.10.2001, weshalb meines Erachtens ein Altfall vorliegt und die EG-VO 4/2009 vom 18.12.2009 daher nicht anwendbar ist ( Stichtag für Italien: 1.3.2002 ). Den Antrag muss ich daher ablehnen. Was kann der Gläubiger (Unterhaltsvorschusskasse) denn nun machen? Muss eine Exequatur in Italien beantragt werden?

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