Europäisches Nachlasszeugnis - Angaben zum Erbanspruch/ Vermögenswerten

  • Ich habe zu dieser unzutreffenden und dem deutschen Rechtssystem diametral zuwider laufenden Entscheidung gestern nichts mehr geschrieben, weil die erhöhte Gefahr bestand, dass ich unhöflich werde. Und wenn ich so in mich hineinhorche, besteht diese Gefahr auch (noch) unverändert weiter, so dass ich auch heute nichts dazu schreibe.

  • Der EuGH hat ja auch nichts zum deutschen, sondern etwas zum europäischen Recht gesagt.

    Die gleiche Reaktion wie cromwell hier haben meine spanischen, italienischen oder französischen Kollegen übrigens, wenn ein deutscher Erblasser mit Vor- und Nacherbschaft da aufschlägt - nicht umsonst war einer der ersten Reformen der französischen Revolution die Abschaffung der Fideikommisse alten französischen Rechts. So hat jeder sein Scherflein zu tragen.

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  • Das ist grundsätzlich richtig, aber das war bei Geltung eines aus Sicht des Belegenheitsstaates "fremden" Erbstatuts auch schon vor der Geltung der EuErbVO so (etwa auch bei fideikommisarischen Substitutionen nach österreichischem Recht) und zudem ist das gewählte Beispiel mit der Vindikationsproblematik nicht vergleichbar, weil bei der Vor- und Nacherbfolge die Ausgestaltung der Erbfolge in Frage steht, während es beim Vermächtnis um schuld- und sachenrechtliche Abgrenzungsprobleme geht, die bei einer Entscheidung zugunsten der sachenrechtlichen Ebene dazu führen, dass es erbenlose Nachlassgegenstände gibt (hierzu vgl. sogleich nachfolgend).

    Papenmeier: Richtig, die Entscheidung war bei dieser personellen Besetzung der Kammer absehbar und wenn der Generalanwalt aus einem Land kommt, welches das Vindikationslegat kennt, braucht man sich im Ergebnis über den Ausgang nicht unbedingt zu wundern (was allerdings nicht heißt, dass die getroffene Entscheidung dann auch zutreffend ist). Wenn man mit den einschlägigen rechtlichen Begrifflichkeiten (auch) der einzelnen Mitgliedsstaaten nicht vertraut ist, kann es zudem leicht passieren, dass es zu Missinterpretationen kommt, die dann auf ein unzutreffendes Ergebnis hinauslaufen (vgl. exemplarisch Rn. 57 der Begründung, wo übersehen wird, dass bereits das Vindikationslegat als solches zu einer gegenständlichen Nachlassspaltung - wenn auch im Rahmen desselben Erbstatuts - führt, weil kein Durchgangserwerb beim Erben, sondern ein dinglicher Direkterwerb des Vermächtnisnehmers stattfindet und es somit nun auf einmal - dem deutschen Rechtssystem fremde - erbenlose Nachlassgegenstände gibt).

    Und nun zu einer (nach Ansicht von papenmeier offenbar überhaupt nicht problembehafteten) Frage, welche die Erbrechtler gerne übersehen, weil sie auch bei unterstellten diesbezüglichen Kenntnissen gemeinhin auf die im Gefolge ihrer erbrechtlichen Rechtsauffassungen entstehenden Probleme in anderen Rechtsbereichen keine Rücksicht nehmen:

    Aufgrund welcher Eintragungsgrundlage soll denn der Vindikationslegatar im deutschen Grundbuch eingetragen werden? Aufgrund eines Erbscheins jedenfalls nicht. Denn das Vindikationslegat hat in ihm nichts verloren, weil es auf die Erbfolge keinen Einfluss hat. Nach geltendem Recht ist der Erbschein ein "Erb"schein und kein Vermächtnisschein (hierzu vgl. Fn. 117 meines in Heft 12/2017 des Rpfleger erscheinenden Erbrechts-Übersichtsaufsatzes). Hierzu müssten also erst einmal die nationalen Vorschriften über den Erbschein (und dessen Inhalt) geändert werden. Aber vielleicht erledigt sich dieses Problem ja auch dadurch, dass der EuGH mittels seines zentralistischen Denkansatzes auch noch die internationale Zuständigkeit der jeweiligen nationalen Nachlassgerichte bei Anwendbarkeit des Erbstatuts eines anderen Mitgliedsstaates aufgrund des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers in diesem Mitgliedsstaat suspendiert (ebenfalls beim EuGH anhängig). Die fehlende Schlüssigkeit einer solchen Überlegung wurde zuletzt von Kohler/Pintens (FamRZ 2017, 1441, 1447) dargelegt, so dass ich an dieser Stelle auf die betreffenden Ausführungen verweisen kann, ohne insoweit weiter ausholen zu müssen.

  • Das Vindikationslegat kann mE nur vollzogen werden, wenn es den Anforderungen des § 28 GBO entspricht. Über die Notwendigkeit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung, § 22 GrEStG, kann man diskutieren. Sollten die Anforderungen des § 28 GBO nicht gewahrt sein - was dann? Im Umwandlungsrecht geht der BGH bei § 126 II UmwG ja von der konstitutiven Wirkung des § 28 GBO aus. Vermutlich lässt das das Unionsrecht nicht durchgehen. Aber eine Ergänzungsurkunde (die das Vindikationslegat konkretisieren soll) muss meines Erachtens wegen der Nähe zur Auflassung den Anforderungen des § 20 GBO zusätzlich genügen. Vermutlich gibt es noch zahlreiche andere Probleme, die sich stellen werden. Wenn der Vindikationslegatar weiter veräußert, sollte ihm § 40 Abs. 1 GBO nicht zu Gute kommen, siehe den klaren Wortlaut. Es ist also in jedem Fall eine Grundbuchberichtigung (Zwischeneintragung) nötig.

  • Eine "Nähe zur Auflassung" gibt es ja gerade nicht, weil kein rechtsgeschäftlicher Erwerb, sondern ein Erwerb kraft Gesetzes in Frage steht. Es bleibt daher beim erforderlichen erbrechtlichen Nachweis i. S. des § 35 GBO und dass der Erbschein für diesen Nachweis aus den genannten Gründen nicht zur Verfügung steht.

  • Das will nichts heißen. Denn der "ausländische" Aussteller eines ENZ wird sich aus naheliegenden Gründen schwer tun, die inländischen grundbuchrechtlichen Formalien einzuhalten.

    Wie die vorliegende Entscheidung zeigt, weiß ja nicht einmal der EuGH ausreichend über das deutsche Grundbuchrecht Bescheid.

  • In der oben erwähnten Fußnote 15 zum ENZ heißt es aber: "Im Falle eines eingetragenen Vermögensgegenstandes machen Sie bitte die Angaben, die nach dem Recht des Mitgliedsstaates, in dem das Register geführt wird, zur Identifizierung des betreffenden Gegenstands erforderlich sind." Im Falle einer deutschen Immobilie demnach § 28 Satz 1 GBO. Falls die Erfordernisse und die Auslegung auch nicht weiterhilft, ist Zwischenverfügung zu erlassen. Gleiches gilt, falls mehrere Vindikationslegatare erwerben und ein Berechtigungsverhältnis nicht angegeben ist.
    Eine weitere Problematik dürfte sich daraus ergeben, dass die Annahme eines Vindikationslegats auch unter Vorbehalt erfolgen kann, vgl. Ziffer 2.2 der Anlage V. Unter einer Bedingung kann das Eigentum aber nicht erworben werden, weshalb per Zwischenverfügung die Auflösung des Vorbehaltes aufgegeben werden müsste bzw. Zurückweisung, falls diese Auflösung nicht erfolgt. Betroffen sind entsprechende Vindikationslegate italienischen oder niederländischen Rechts.

  • Eine weitere Problematik dürfte sich daraus ergeben, dass die Annahme eines Vindikationslegats auch unter Vorbehalt erfolgen kann, vgl. Ziffer 2.2 der Anlage V. Unter einer Bedingung kann das Eigentum aber nicht erworben werden, weshalb per Zwischenverfügung die Auflösung des Vorbehaltes aufgegeben werden müsste bzw. Zurückweisung, falls diese Auflösung nicht erfolgt. Betroffen sind entsprechende Vindikationslegate italienischen oder niederländischen Rechts.


    Aus einer Rechtsordnung, die auflösend bedingte Vor- und Nacherbschaft kennt, ist dieser spezielle Vorbehalt eher bizarr.

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  • Das will nichts heißen. Denn der "ausländische" Aussteller eines ENZ wird sich aus naheliegenden Gründen schwer tun, die inländischen grundbuchrechtlichen Formalien einzuhalten.


    Die Bezeichnung des Grundstücks nach Grundbuchstelle, Flur und Flurstücknummer kriegen auch nichtdeutsche Juristen jedenfalls im zweiten oder dritten Anlauf hin.

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  • Nach geltendem Recht ist der Erbschein ein "Erb"schein und kein Vermächtnisschein (hierzu vgl. Fn. 117 meines in Heft 12/2017 des Rpfleger erscheinenden Erbrechts-Übersichtsaufsatzes). Hierzu müssten also erst einmal die nationalen Vorschriften über den Erbschein (und dessen Inhalt) geändert werden.

    Auch wenn die Sachlage nicht direkt vergleichbar ist:
    Das Vorausvermächtnis für den Vorerben gemäß § 2110 BGB ist auch im Erbschein anzugeben. Also völlig unbekannt ist das auch dem deutschen Recht nicht. Bin bislang davon ausgegangen, dass es sich dabei auch um ein Vindikationslegat handelt, oder bin ich da auf dem Holzweg?

  • Nach geltendem Recht ist der Erbschein ein "Erb"schein und kein Vermächtnisschein (hierzu vgl. Fn. 117 meines in Heft 12/2017 des Rpfleger erscheinenden Erbrechts-Übersichtsaufsatzes). Hierzu müssten also erst einmal die nationalen Vorschriften über den Erbschein (und dessen Inhalt) geändert werden.

    Auch wenn die Sachlage nicht direkt vergleichbar ist:
    Das Vorausvermächtnis für den Vorerben gemäß § 2110 BGB ist auch im Erbschein anzugeben. Also völlig unbekannt ist das auch dem deutschen Recht nicht. Bin bislang davon ausgegangen, dass es sich dabei auch um ein Vindikationslegat handelt, oder bin ich da auf dem Holzweg?

    Ein Vindikationslegat ist es nicht. Fällt meistens deshalb nicht auf, weil der Erbe an sich selbst (als Vermächnisnehmer) mit Insichgeschäft erfüllt.

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  • Braucht nicht erfüllt zu werden, tritt kraft Gesetzes ein!

    Das Vorausvermächtnis zugunsten des Vorerben betrifft dessen Erbenstellung (Vollerbe für das Vorausvermächtnis, Vorerbe für den übrigen Nachlass), so dass das Vorausvermächtnis nach § 2110 Abs. 2 BGB im Erbschein vermerkt werden muss, um deutlich zu machen, welche Erbenstellung der Erbe jeweils innehat. Das Vindikationslegat ist dagegen nicht zugunsten des Erben, sondern zugunsten eines Dritten angeordnet und Vermächtnisse zugunsten eines Dritten haben - unabhängig davon, ob sie schuldrechtlich oder dinglich wirken - im Erbschein nichts verloren. Sie haben auf die Erbfolge keinen Einfluss.

  • Im Ausgangsfall des EuGH sollte das Vindikationslegat jedoch dem Ehemann eingeräumt werden, der neben den Kindern auch gesetzlicher Erbe werden sollte. Insoweit also kein Vindikationslegat zugunsten eines Dritten, sondern zugunsten eines Miterben.

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