fiktive Reisekosten der weitesten Entfernung im Gerichtsbezirk

  • Das liegt aber mehr auf der Theorie-Ebene: Zurückverwiesen ist nun einmal zurückverwiesen. ;)


    Völlig richtig. Mir ging es bei meiner Bewertung, ob der Richter rückverweiswn durfte, aber gerade um die Theorie. ;)
    Deswegen habe ich ja oben ergänzt, dass der TE trotzdem daran gebunden ist.:cool:

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Ich werde nicht das Problem haben, das mein Richter mich nicht bestätigt. Trotzdem möchte ich hier mein Problem reinstellen und um Eure Meinung bitten.

    Kläger wohnt 10 km vom Gerichtsort entfernt. Er beauftragt auswärtigen Anwalt. Der KFA wurde beantragt und es wurden volle Fahrtkosten beantragt. Ich habe abgesetzt mit der ??? für mich noch aktuellen Rechtsprechung des BGH vom 13.09.2011, VI ZB 9/10
    und nur die fiktiven Reisekosten vom Wohnort der Partei bis zum Gericht festgesetzt.

    Dagegen habe ich nun die Erinnerung mit der Begründung, wie das Thema dieses Threads ist, er möchte die fiktiven Reisekosten der weitesten Entfernung im Gerichtsbezirk haben und die entsprechen in etwa der Entfernung zwischen Gericht und seinem Kanzleisitz. Er führt auch Rechtsprechung vom LG Düsseldorf, AG Kiel und Marbach an.

    Was ist mit der Notwendigkeit der Beauftragung eines Anwalts der nicht am Sitz des Gerichts seinen Sitz hat.
    In diesem Fall wohnt die Partei 10 km weg. Ich bin der Meinung, dass es auch nicht notwendig ist ( und der Fall ist einfach gelagert)
    einen Anwalt am äußerten Rand des Gerichtsbezirks zu beauftragen oder auswärts in irgendwelchen größeren Städten .

    Was wenn er direkt gegenüber vom Gericht wohnt, muss die erstattungspflichtige Partei die Reisekosten erstatten, wenn er sich einen Anwalt an der Bezirksgrenze nimmt?

  • Was wenn er direkt gegenüber vom Gericht wohnt, muss die erstattungspflichtige Partei die Reisekosten erstatten, wenn er sich einen Anwalt an der Bezirksgrenze nimmt?

    M. E.: Ja, weil insoweit die Notwendigkeit nach § 91 ZPO nicht geprüft werden muß.

    Ein Argument der die Reiskosten zusprechenden Rechtsprechung ist, daß andernfalls eine Ungleichbehandlung zur Erstattung der Reisekosten eines im Wege der PKH beigeordneten RA herrscht. Die Reisekosten innerhalb des Gerichtsbezirks eines nach § 121 Abs. 3 ZPO beigeordneten RA gelten nach der h. M. grds. als notwendig i. S. v. § 91 ZPO und werden aus der Staatskasse erstattet, insbesondere also auch bei einem auswärtigen RA, der zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen RA beigeordnet worden ist. Dem ist übrigens auch das OLG Celle erst jüngst wieder gefolgt (Beschl. v. 07.06.2016 - 2 W 108/16 -), ohne sich aber mit seiner für den auswärtigen Wahlanwalt ergangenen Einzelrichter-Entscheidung auseinandersetzen zu müssen, die eine solche Erstattung ja ablehnt.

    Wieso bei einem Wahlanwalt aber etwas anderes gelten soll, leuchtet mir jedenfalls nicht ein. Denn wenn die anwaltlichen Reisekosten eines RA innerhalb des Gerichtsbezirks grds. als notwendig angesehen werden, kann für einen auswärtigen RA nichts anderes gelten. Zumindest in Höhe dieser fiktiven Kosten (bis zum weitentferntesten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks) wäre eine Notwendigkeit gegeben. Zweck des Wegfalls des seinerzeitigen § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO aufgrund des KostRModG vom 05.05.2004 war auch, daß einer Partei kostenrechtlich keine Nachteile dadurch entstehen sollten, wenn sie keinen am Gerichtsort ansässigen RA wählt, solange dieser aber im Gerichtsbezirk niedergelassen ist. Denn erst mit dieser kostenrechtlichen Umsetzung wird das Recht der Partei auf freie RA-Wahl wirkungsvoll (vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 24.07.2015 - 9 W 26/15 -, Rn. 11 in juris). Insofern muß man m. E. auch den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG berücksichtigen, wonach wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln ist (st. Rspr. des BVerfG, z. B. in BVerfGE 116, 164, 180).

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  • @ Bolleff:
    Obgleich man Dir unumwunden zustimmen kann und muss und ich die alte leidige Diskussion nicht erneut lostreten will - ich tue mich gedanklich nach wie vor schwer, insbesondere auch im Hinblick auf BGH, Beschl. v. 16.04.2008 - XII ZB 214/04. Mir ist auch die angesprochene differierende Rspr. des OLG Celle zwischen PKH und Wahlanwalt bekannt. Mir will einfach nicht einleuchten, den kostenrechtlichen Grundsatz der sparsamen Prozessführung opfern zu müssen zugunsten des von den beiden genannten AG angeführten Ungleichbehandlungsarguments. Da es wohl noch immer keine eindeutige Richtungsvorgabe der Rechtsprechung gibt, auch wenn sich die Gerichtsbezirksgrenzen-Theorie vermehrt hat, bleibt eine immer wieder aufkommende Unsicherheit bestehen. Für mich ist es absolut unverständlich, dass eine direkt am Gerichtsort sitzende Partei (gegenüber dem Gericht ;) ) nicht wie eh und je einen Anwalt am Gerichtsort bemühen soll um Mehrkosten zu vermeiden. Das Prinzip der freien Anwaltswahl ist nicht beschädigt, weil man jeden Anwalt wählen kann, dann jedoch gegen Selbstübernahme der Mehrkosten. Dieses jetzt auszubooten, indem gesagt wird, insoweit ist eine Notwendigkeitsprüfung nicht mehr vorzunehmen, erweckt bei mir den Eindruck, man hat alte bewährte Grundlagen des KFV quälenderweise so abgeändert, dass es für die Gerichtsgrenzen-Theorie stimmig ist. Der Weisheit letzter Schluss ist das für mich nicht... aber wie gesagt: Sei es drum.

  • Das OLG Ffm lehnt die fiktiven RK eines am weitesten entfernten Ort ansässigen RA ab.
    Daran halte ich mich auch, zumal ich diese Position auch vertrete. Ich habe auch ein großes Problem damit, die RK eines RA mit Sitz innerhalb des Bezirks des PG zu geben, wenn die Partei ihren Sitz am Ort des PG hat. Es mag ja Fälle geben, wo das Sinn machen kann. Hier in Ffm definitiv nicht. Ich sehe nicht ein, einer Partei, die ihren Sitz in Ffm hat, einer Stadt mit einer der größten Anwaltsdichten Deutschlands, Reisekosten für einen auswärtigen Anwalt zu geben, auch wenn dieser seinen Sitz innerhalb der Grenzen des PG hat. Das widerspricht für mich dem Grundsatz der Kostengeringhaltung gem. § 91 ZPO, auch wenn § 91 II ZPO was anderes sagt. Dann lass ich mich halt jedes Mal aufheben - damit kann ich leben. Allerdings ist das bei mir noch nie passiert. :D

  • Mir will einfach nicht einleuchten, den kostenrechtlichen Grundsatz der sparsamen Prozessführung opfern zu müssen zugunsten des von den beiden genannten AG angeführten Ungleichbehandlungsarguments. (...) Das Prinzip der freien Anwaltswahl ist nicht beschädigt, weil man jeden Anwalt wählen kann, dann jedoch gegen Selbstübernahme der Mehrkosten.

    Ich sehe nicht ein, einer Partei, die ihren Sitz in Ffm hat, einer Stadt mit einer der größten Anwaltsdichten Deutschlands, Reisekosten für einen auswärtigen Anwalt zu geben, auch wenn dieser seinen Sitz innerhalb der Grenzen des PG hat. Das widerspricht für mich dem Grundsatz der Kostengeringhaltung gem. § 91 ZPO, auch wenn § 91 II ZPO was anderes sagt.

    Da ist m. E. aber der Gesetzgeber gefragt, hier etwas zu ändern. Der wollte es nun einmal so, daß einer bedürftigen Partei ein RA, der im Gerichtsbezirk ansässig ist, beigeordnet werden kann, ohne daß der Partei dadurch kostenrechtlich Nachteile erwachsen - was also bedeutet, daß dessen Reisekosten innerhalb des Gerichtsbezirks grds. als notwendig anzusehen sind (und von der Rspr. ja auch werden). Über den (immerhin) grundgesetzlich verankerten Gleichheitssatz, daß Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln ist, wird man dabei nicht hinwegkommen. Denn eine Erklärung, wieso einer Partei mit einem Wahl-RA die Erstattungsfähigkeit solcher Reisekosten verwehrt werden soll, während sie der Partei mit einem PKH-RA gewährt wird, suche ich bislang vergebens. Deshalb ist der Grundsatz der Kostengeringhaltung m. E. auch kein schlagendes Argument, weil der Gesetzgeber ihn jedenfalls in diesem Rahmen offenbar anders sieht, er die Erstattung der Kosten eines RA innerhalb des Gerichtsbezirks ausdrücklich so geregelt hat.

    An die Rspr. des OLG Celle (und wohl auch P.'s OLG FFM) knüpft auch die Frage, wo man hier eigentlich dann die Grenze ziehen will: Wieso soll einer Partei am Gerichtsort dieses Erstattungsrecht verwehrt werden, während sie - sagen wir mal - 10 km vom Gerichtsort entfernt aber gewährt wird? Wieso wird sie einem - sagen wir mal - 1 km vom Gerichtsort entfernt auch noch gewährt? Sollte nicht bis 20, 30 oder 50 km Entfernung verlangt werden können, daß die Partei am Gerichtsort sich einen RA zu suchen hat? Nach welchen objektiven Kriterien möchte man dann diese Rechtsprechung ausrichten? Ob die Partei mobil ist? Ob der ÖPNV (Anbindung) ausreichend ist?

    Und hier schlägt letztlich die st. Rspr. des BGH rein, daß für die Kostenfestsetzung eine typisierende Betrachtungsweise geboten ist. Es soll eben nicht jeder noch so beliebige Einzelfall bis ins kleinste Detail differenziert entschieden werden, weil diese übermäßige Differenzierung dem Masseverfahren der Kostenfestsetzung nicht gerecht wird, der Aufwand also in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Der BGH nergiert ja auch nicht, daß es dabei auch vereinzelt zu Ungerechtigkeiten kommen kann. Das betrifft aber Einzelfälle, die dann hinzunehmen sind.

    Die Ungleichbehandlung eines Wahl-RA und eines PKH-RA leuchtet auch nicht ein, wenn man einmal an das Dreiecksverhältnis PKH-RA <-> Staatskasse <-> erstattungspflichtiger Gegner denkt: Im Rahmen der Erstattung geht dann nach § 59 Abs. 1 RVG der Erstattungsanspruch (auch der aus der Staatskasse gezahlten Reisekosten des im Bezirk ansässigen RA) auf die Staatskasse über. Der erstattungspflichtige Gegner muß also auch die Reisekosten dieses RA an die Staatskasse erstatten. Einer Partei mit Wahl-RA müßte der Gegner das nach der Rspr. des OLG Celle und P.'s OLG FFM aber nicht? Und was soll der Grund dafür sein? Wieso wird die Staatskasse hier bevorzugt, noch dazu, nachdem es sich originär um einen Anspruch der Partei handelt, den sie erworben hat? Wieso wird die Partei mit PKH also bevorzugt?

    Für mich ist diese Rspr. deshalb nicht überzeugend.

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  • Letztlich ist das wohl auch sinnvoll, denn er sitzt am längeren Hebel und was soll man sich dauernd aufheben lassen. :cool:

  • Der Rechtsanwalt hat die exorbitant hohen Kosten des UBV auf die fiktiver Reisekosten reduziert. Ist zu diesen Kosten MWSt hinzuzurechnen (wenn der Mandant nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist)?

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